Nach dem einschlägigen Urteil des Europäischen Gerichtshofs müssen sämtliche Arbeitszeiten der Arbeitnehmer erfasst werden. Muss jetzt noch auf den deutschen Gesetzgeber gewartet werden oder gilt diese Pflicht sofort? Dazu hat sich das Arbeitsgericht Emden geäußert. In dem Fall war ein ungelernter Bauhelfer von September bis November 2018 auf zwei Baustellen des Arbeitgebers tätig. Dieser bezahlte ihm hierfür 183 Arbeitsstunden. Der Arbeitnehmer verlangte aber die Vergütung von 195 Stunden. Zum Nachweis verwies er auf eigene handschriftliche Aufzeichnungen. Der Arbeitgeber verweigerte die Zahlung, er habe die Stundenanzahl mithilfe eines »Bautagebuchs« erfasst. Diese seien bei Arbeitsbeginn und Arbeitsende dort eingetragen worden.
Das Gericht gab dem Kläger Recht, er habe Anspruch auf Vergütung von 195 Stunden. Denn der Arbeitgeber habe kein »objektives«, »verlässliches« und »zugängliches« System zur Arbeitszeiterfassung für den klagenden Arbeitnehmer eingerichtet.
Das Arbeitsgericht Emden sieht Arbeitgeber schon jetzt in der Pflicht, ein solches System einzurichten – ohne Abwarten, wie der deutsche Gesetzgeber die Verpflichtung aus dem EuGH-Urteil umsetzen wird. Denn die Pflicht zur Erfassung ergebe sich unmittelbar aus Art. 31 Abs. 2 der EU-Grundrechte-Charta.
Die aktuelle deutsche Regelung in § 16 Abs. 2 ArbZG (wonach der Arbeitgeber nur die über die werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden hinausgehende Arbeitszeit aufzuzeichnen muss) steht dem nicht entgegen und kann die Verpflichtung nicht begrenzen. Laut Gericht dürfen Arbeitgeber also nicht auf die Anpassung des deutschen Arbeitszeitgesetzes warten, bevor sie ein entsprechendes System zur Zeiterfassung einrichten (ArbG Emden v. 20.02.2020 – 2 Ca 94/19)