Vertretung Arbeitnehmer +++ Fachanwälte für den Betriebsrat +++ sechzehn Fachanwälte für Arbeitsrecht +++ jahrzehntelange Erfahrung +++

NewsLetter BETRIEBSRAT

Keine „Erheblichkeitsschwelle“ bei Mitbestimmung über Software

2024 / Monat Dezember

bestehende Unsicherheiten überwinden

Bereits in einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 2018 stellte das Bundesarbeitsgericht fest, dass das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG keiner „Erheblichkeitsschwelle“ unterliegt. Auch der Einsatz gängiger Standardsoftware, wie beispielsweise Microsoft Excel, fällt unter die Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, wenn dadurch die Möglichkeit zur Überwachung des Verhaltens oder der Leistung der Beschäftigten geschaffen wird.
Schon „geeignete“ Daten ausreichend
Es gibt für den Mitbestimmungstatbestand keine „Erheblichkeitsschwelle“. Dabei ist bereits ausreichend, wenn zur Überwachung geeignete Daten technisch gespeichert und verarbeitet werden, wobei allein die Speicherung ausreichend ist. Dies ergibt sich aus dem Zweck des § 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG, das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten vor Gefährdungen zu schützen.
In diesem Fall
Im konkreten Fall wurden Anwesenheitszeiten von Beschäftigten durch Microsoft Excel in Form von Anwesenheitslisten verarbeitet. Die Arbeitgeberseite führte die Excel-gestützten Anwesenheitslisten ohne Zustimmung des Betriebsrates durch – zu Unrecht, so das BAG.
(Beschluss des BAG vom 23. Oktober 2018 – 1 ABN 36/18)
Übrigens: In dem Verfahren gegen den Meta-Konzern hat jüngst der Europäische Gerichtshof noch einmal den Grundsatz der Datenminimierung hervorgehoben, der umfassenden Datenerhebungen entgegensteht (EuGH v. 04.10.2024)


Welches Abstandsgebot bei AT-Vergütung?

2024 / Monat Dezember

Abstand zur höchsten Tarifgruppe

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellt klar, dass zwar grundsätzlich ein Abstand zur höchsten Tarifgruppe gewahrt werden muss, jedoch, wenn die Tarifvertragsparteien keinen bestimmten prozentualen Abstand festgelegt haben, ein „geringfügig höheres Gehalt“ für die Status- und Vergütungsregelung eines außertariflichen Angestellten ausreicht.

Im vorliegenden Fall klagte ein Mitglied der IG Metall, das seit 2013 als Entwicklungsingenieur in einem Unternehmen tätig war und seit Juni 2022 ein monatliches Bruttogehalt von 8.212 Euro auf Basis eines „außertariflichen“ Arbeitsvertrags erhielt. Das Entgelt in der höchsten tariflichen Entgeltgruppe betrug 8.210,64 Euro brutto, basierend auf 40 Wochenstunden.

In diesem Unternehmen gelten die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens. Die Tarifregelungen sehen vor, dass Beschäftigte, deren „geldwerte materielle Arbeitsbedingungen unter Berücksichtigung einer individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 40 Stunden in einer Gesamtschau die höchste tarifliche Entgeltgruppe regelmäßig überschreiten“, von der Tarifbindung ausgenommen sind.

Argumente

Der Ingenieur argumentierte, dass ein solches „Überschreiten“ nur dann angenommen werden könne, wenn sein Gehalt 23,45% über dem der höchsten Tarifgruppe liege, was in seinem Fall einem Bruttogehalt von 10.136,03 Euro entsprechen würde. Da sein Gehalt jedoch lediglich 8.212,- Euro betrug, verlangte er, dass ihm das Unternehmen die Differenz nachzahlen müsse.
Das BAG wies die Klage jedoch in allen Instanzen ab. Die tariflichen Bestimmungen im Streitfall verlangten, dass die „geldwerten materiellen Arbeitsbedingungen“ die höchste Tarifentgeltgruppe „regelmäßig überschreiten“, was bei dem Ingenieur der Fall war. Da die Tarifparteien keinen spezifischen prozentualen Abstand definiert hatten, genügt laut BAG jedes Überschreiten des höchsten Tarifentgelts, auch ein geringfügiges.

Das BAG betonte, dass eine ergänzende Auslegung des Tarifvertrags, wie sie der Ingenieur anstrebte, nicht zulässig sei. Wenn die Tarifparteien einen bestimmten Abstand zwischen dem höchsten Tarifentgelt und dem Entgelt außertariflicher Angestellter wünschen, müssten sie eine entsprechende Abstandsklausel klar und deutlich im Tarifvertrag verankern. Die Tarifautonomie, garantiert durch Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes, verbietet es den Gerichten, tarifliche Bestimmungen zu „verbessern“ oder anzupassen. (BAG, Urteil vom 23.10.2024 – 5 AZR 82/24)

Anmerkung

Diese Entscheidung sorgt unter Juristen und Praktikern für Erstaunen. Was allgemein als selbstverständlich angesehen wird – nämlich ein erheblicher Abstand im außertariflichen Bereich – wird von den Richtern formell anders bewertet. Die Tarifparteien müssen sich dieser Klarstellung bewusst sein.

Fachanwalt für Arbeitsrecht Wolfgang Steen
Rechtsanwälte Gaidies Heggemann & Partner, Hamburg

 


Körperreinigungszeiten gehören zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit

2024 / Monat Dezember

In dem vorliegenden Fall ging es um einen Containermechaniker, der im Betrieb die vom Unternehmen gestellte Arbeitskleidung trägt. Nach der Arbeit kehrt er in den Umkleideraum zurück, um sich zu waschen und zu duschen. Die verschmutzte Kleidung lässt er auf Anweisung der Firma im Betrieb reinigen. Nach jedem Umziehen erfasst er am Zeiterfassungsterminal die Zeiten für Schichtbeginn und -ende. Mit seiner Klage fordert er die Vergütung der Umkleidezeiten, der Körperreinigungszeiten und der innerbetrieblichen Wegezeiten, die nicht in der regulären Arbeitszeit enthalten sind.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) gab dem Kläger Recht. Es stellte fest: „Zur Arbeitsleistung gehört nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern auch jede andere vom Arbeitgeber geforderte Maßnahme, die unmittelbar mit der Arbeit verbunden ist.“
Auch die innerbetrieblichen Wegezeiten, wie der Weg vom Umkleideraum zum Arbeitsplatz und zurück, zählen zur Arbeitszeit, insbesondere wenn der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz keine Möglichkeit hat, sich umzuziehen.
Das BAG betonte jedoch, dass die Frage, welche Art der Körperreinigung notwendig ist, nicht subjektiv, sondern objektiv beurteilt werden muss. Daher sind Einzelfallentscheidungen in diesem Zusammenhang zu erwarten.
(BAG v. 23.04.2024 – 7 Sa 275/22)


Drohung durch Arbeitgeber verboten

2024 / Monat Dezember

wenn Streit um Sitzung
Im vorliegenden Fall wollte der Betriebsrat einer landwirtschaftlichen Firma einen Gewerkschaftsvertreter und eine Anwältin zu einer Sitzung einladen, doch beide waren für den regulären Termin verhindert. Der Betriebsratsvorsitzende setzte daraufhin eine außerordentliche Sitzung an. Dies missfiel dem Personalleiter, der den Betriebsratsmitgliedern keine Freistellungen gewährte und mit Abmahnungen sowie Gehaltskürzungen drohte, falls sie an der Sitzung teilnähmen. Zudem verweigerte er der Anwältin und dem Gewerkschaftssekretär den Zugang zum Betrieb.

Der Betriebsrat beantragte daraufhin vor Gericht, dass der Arbeitgeber jegliche Behinderung der Betriebsratsarbeit unterlassen solle. Das Gericht gab dem Antrag statt und entschied, dass der Arbeitgeber oder seine Vertreter die Arbeit des Betriebsrats nicht durch Drohungen mit Abmahnungen oder Gehaltskürzungen im Vorfeld einer Sitzung beeinträchtigen dürfen.

Das Gericht betonte, dass das Recht der Betriebsratsmitglieder, an Betriebsratssitzungen teilzunehmen, unangreifbar ist. Es spielt dabei keine Rolle, ob die Sitzung rechtlich bedenklich oder nicht „erforderlich“ ist. Der Arbeitgeber muss vielmehr den Rechtsweg beschreiten, wenn er eine Sitzung für unzulässig hält. Sollte der Arbeitgeber der Meinung sein, dass eine Sitzung gegen geltendes Recht verstößt, kann er eine gerichtliche Prüfung, möglicherweise sogar eine einstweilige Verfügung, anstreben, um die Sitzung zu verschieben oder aufzuheben.

(LAG Düsseldorf v. 30.08.2023 – 12 TaBV 18/23)


Dürfen Arbeitgeber politisch sein?

2024 / Monat September

In jüngerer Zeit haben Unternehmer rechte Strömungen in Deutschland kritisch beobachtet, kommentiert und dabei deutlich anklingen lassen, wo sie politisch stehen.

Der Unternehmer Reinhold Würth ist sogar noch einen Schritt weitergegangen und hat sich in einem Schreiben an alle Mitarbeiter der Würth-Gruppe offen gegen die AfD positioniert und gleichzeitig davor gewarnt, bei den kommenden Wahlen aus Unmut über die Ampelregierung die AfD zu wählen.





Arbeitgeber in Internet bewerten

2024 / Monat Juni

Unsachliche Posts sind kritisch

In dem Fall war ein Arbeitgeber im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegenüber einer Bewertungsplattform erfolgreich. „Moniert ein Unternehmen konkrete Punkte am Eintrag, muss das Bewertungsportal nachforschen. Das Portal müsse prüfen, so das Gericht, ob die bewertende Person Arbeitnehmer oder Bewerber bei dem Unternehmen gewesen ist. Im Zweifel muss das Bewertungsportal dem Arbeitgeber die Namen der Ersteller der Bewertungen mitteilen. „Nur so kann dieser prüfen, ob diese aktuell oder vormals dort Mitarbeiter sind oder waren.“

Auch der Umstand, dass Verfasser negativer Bewertungen fürchten müssen, nach ihrer Kenntlichmachung Repressalien des Arbeitgebers ausgesetzt zu sein, rechtfertigt laut Gericht keine andere Sicht. Ein Arbeitgeber, der im Internet öffentliche Kritik hinnehmen muss, müsse die Möglichkeit einer Nachprüfung erhalten, da er sich nur so in der Sache positionieren könne.


Darf der BR nach Schwangerschaften fragen?

2024 / Monat Juni

Ja, aber nur mit Datenschutzkonzept

Die Besonderheit besteht natürlich darin, dass sich das Auskunftsverlangen auf besondere Kategorien personenbezogener Daten im Sinne von Art. 9 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) bezieht. Das BAG bejahte im Ergebnis den Informationsanspruch des Betriebsrats – allerdings erst, nachdem es die datenschutzrechtlichen Pflichten des Betriebsrats

Weiterlesen …


ChatGPT vor dem Arbeitsgericht

2024 / Monat Juni

kein Anspruch auf Einstweilige Verfügung

In dem Fall erlaubte der Arbeitgeber seinen Beschäftigten explizit die Nutzung von ChatGPT im Arbeitsalltag, verbunden mit „Guidelines“ zur Nutzung generativer künstlicher Intelligenz. Dabei führte er die KI-Tools nicht selbst ein, sondern erlaubte den Beschäftigten ChatGPT für die Arbeit über private Accounts oder den Webbrowser auszuprobieren. Der KBR erfuhr davon

Weiterlesen …


Keine Änderung der Home-Office-Regeln ohne Mitbestimmung des Betriebsrats

2024 / Monat Juni

Keine einseitige Anordnung von Präsenztagen.

Die Betriebsparten hatten im Juli 2016 eine Betriebsvereinbarung über flexible Arbeitszeit abgeschlossen. Diese ermöglichte auf freiwilliger Basis in Abstimmung mit dem Vorgesetzten ein Arbeiten außerhalb der Betriebsräume (Mobiles Arbeiten) Der deutlich überwiegende Teil der Arbeitszeit sollte am regelmäßigen Arbeitsplatz geleistet werden.

Während der Corona-Pandemie hatte die Arbeitgeberin

Weiterlesen …


Digitales Leserecht für den Betriebsrat

2024 / Monat Juni

Recruiting per Laptop nachvollziehen

Im konkreten vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall ging es um die neu geschaffene Stelle eines Prozess- und Projektspezialisten. Dem Betriebsrat wurden die Stellenbeschreibung und die Protokolle der mit dem Bewerber geführten Gespräche ausgehändigt. Ferner wurde ergänzend über die voraussichtlichen Auswirkungen der geplanten Einstellung informiert.

Die Bewerbungsunterlagen standen

Weiterlesen …


Das „Homeoffice-Attest“ – sinnvoll oder mit Risiko

2024 / Monat März

Eigentlich ist die Unterscheidung einfach. Arbeitsunfähig oder nicht, dies ggf. auch während der Arbeit im Home office. Ein Arzt kann also nur die vollständige krankheitsbedingte Unfähigkeit zur Arbeitsleistung bescheinigen. Eine „Teil“-Arbeitsunfähigkeit gibt es nicht und ist auch gesetzlich nicht vorgesehen.
Bei dem sog. „Homeoffice-Attest“ geht es um etwas anderes. Ein Arzt bescheinigt oder empfiehlt (statt einer Arbeitsunfähigkeit), dass das

Weiterlesen …


Bonuszahlungen – und die Eigenkündigung

2024 / Monat März

Stichtagsregelungen unwirksam
In dem Fall haben die Betriebsparteien den Anspruch auf den Bonus davon abhängig gemacht, dass das Arbeitsverhältnis bis zum Ende des Fiskaljahres (31.05.) fortbesteht. Natürlich dient eine solche Regelung dazu, den Arbeitnehmer davon abzuhalten, seinen Arbeitsplatz aufzugeben und zu einem anderen Arbeitgeber zu wechseln. Zwar besteht hierzu

Weiterlesen …




Versicherungsschutz beim Kauf eines Leberkässemmels

2023 / Monat Dezember

verunglückt in der Mittagspause

Der Kläger erlitt am 10. März 2022 einen Unfall, als er auf dem direkten Weg vom Einkauf des Mittagsessens zurück zum Arbeitsplatz mit dem Fahrrad stürzte. Er gab an, dass er am Unfalltag im Homeoffice gewesen sei und in der Mittagspause eine Mahlzeit (Leberkässemmel und Eintopf) in der nahen Metzgerei zum Verzehr im Homeoffice besorgen wollte. Der Unfall sei auf dem Rückweg

Weiterlesen …


EUR 215.000,- Bußgeld für „Schwarze Liste“ von Probezeit-Beschäftigten

2023 / Monat Dezember

Berliner Datenschutzbeauftragte setzt fest

Um mögliche Kündigungen zum Ende der Probezeit vorzubereiten, führte eine Vorgesetzte auf Weisung der Geschäftsführung des Unternehmens von März bis Juli 2021 eine tabellarische Übersicht aller Beschäftigten in der Probezeit. In der Übersicht listete sie alle Mitarbeitenden in der Probezeit auf und bewertete die weitere Beschäftigung von elf Personen als „kritisch“ oder „sehr kritisch“. Diese Einstufung wurde in einer Tabellenspalte mit der Überschrift „Begründung“

Weiterlesen …


Heimliche Tonaufzeichnungen als Kündigungsgrund?

2023 / Monat Dezember

Es kommt auf den Einzelfall an

In einem Verfahren vor dem LAG Rheinland-Pfalz hatte ein als Kassierer eingesetzter Mitarbeiter, der seit 17 Jahren für das Unternehmen tätig war, seinen Arbeitsplatz an einem Tag 15 Minuten zu früh verlassen. Nach einem hierüber entbrannten heftigen Streit mit einer Kollegin bat der Kassierer seinen Vorgesetzten um ein persönliches Gespräch in dieser Angelegenheit. Das hierauf mit dem Vorgesetzten geführte Gespräch schnitt der Kassierer heimlich auf seinem Smartphone mit. Als dem Vorgesetzten der Mitschnitt bekannt wurde,

Weiterlesen …



Bitte beachten Sie unsere Datenschutzbedingungen: Wir setzen u.a. Cookies ein, um Ihnen die Nutzung unserer Webseiten zu erleichtern. Mit der weiteren Nutzung unserer Webseiten sind Sie mit dem Einsatz der Cookies und unseren Datenschutzbestimmungen einverstanden. Weitere Informationen zu Cookies unserem Datenschutz entnehmen Sie bitte aus unserer Datenschutzerklärung.

OK Datenschutzerklärung