Bei einer angefochtenen Betriebsratswahl besaßen etwa 15 % der wahlberechtigten Arbeitnehmer nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. Eine Anlage zum Wahlausschreiben enthielt in 14 verschiedenen Sprachen den Hinweis: „Wenn sich Fragen zu diesem Vorgang ergeben, wenden Sie sich umgehend an die unten aufgeführten Ansprechpartner“. Es erfolgte keinerlei weitere fremdsprachliche Information zur Wahl.
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Nachlese BR-Wahlen 2022
War die generelle Briefwahl zulässig?
In dem Fall entschieden beide Gerichte (ArbG und LAG) unterschiedlich. In einem medizinischen Gesundheitszentrum (ohne Kurzarbeit) sollte die Wahl „aufgrund der unabwägbaren Corona-Situation“ ausschließlich im Wege der Briefwahl erfolgen. Der Wahlvorstand kam dann allerdings mit den Fristen durcheinander.
„Bei ausschließlicher Briefwahl müssen mindestens sechs Wochen zwischen Aushang des Wahlausschreibens und Abgabefrist für die Briefwahlunterlagen liegen“, so das LAG. Konkret erfolgte der Aushang des Wahlausschreibens am 10.07.2020, also einem Freitag. Als Frist bis zur Abgabe der Briefwahlunterlagen war Freitag, der 21.08.2020, angeführt. Dieser Zeitpunkt tritt bei allgemeiner Briefwahl an die Stelle des Wahltages, so das Gericht. Die Briefwahlunterlagen können bis zum Ende der Wahlzeit beim Wahlvorstand eingereicht werden. Da für die Fristberechnung der Wahlordnung nach § 41 das Fristenregime der §§ 187 ff. BGB gilt, ist der 10.07.2020 für die Berechnung nicht mitzuzählen (§ 187 Abs. 1 BGB), weil es sich beim Aushang um ein „Ereignis“ im Sinne des § 187 Abs. 1 BGB handelt. Die in § 3 Abs. 1 WO vorgeschriebene sechswöchige Mindestfrist begann also am 11.07.2020 und endete am 21.08.2020, 24.00 Uhr. Die im Wahlausschreiben angegebene Abgabefrist für die Briefwahlstimmen endete aber bereits am 21.08.2020, 11.00 Uhr. Dieser Zeitpunkt liegt offensichtlich innerhalb der Arbeitszeit der Mehrheit der wahlberechtigten Arbeitnehmer. Allerdings ist damit die gesetzlich vorgeschriebene Mindestfrist nicht eingehalten. (Landesarbeitsgericht v.07.03.2022 – 1 TaBV 23/21) Wahrscheinlich wird der Fall auch noch vom Bundesarbeitsgericht geprüft werden.
Keine Briefumschläge mehr bei der Präsenzwahl
Keine Briefumschläge mehr bei der Präsenzwahl. Das Gesetz nennt hier auch ökologische Gründe, aber es stellt auf jeden Fall eine Vereinfachung dar. Briefumschläge für die Wahlzettel fallen bei der persönlichen Stimmabgabe im Wahllokal weg.
Allerdings ist dann auf die „Faltung“ der Stimmzettel zu achten, wenn sie in die Urne geworfen werden (Laschet lässt grüßen). Dabei soll allerdings der Wählerwille nicht erkennbar sein; der Stimmzettel muss also nach innen gefaltet werden.
Keine Digital-Sitzung für den Wahlvorstand
Neues Wahlalter bei Betriebsratwahlen
Durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz wurde das Wahlalter für Betriebsratswahlen auf das 16. Lebensjahr herabgesetzt. Das hat weitreichende Folgen. In vielen Betrieben könnte sich die Betriebsratsgröße ändern. Und selbst für einige Beteiligungsrechte spielt die Wahlberechtigung eine Rolle.
Vollendung des 18. Lebensjahres
Wann komme ich auf die Wählerliste?
Die Ausübung des Wahlrechts bei der Betriebsratswahl setzt die Eintragung in die Wählerliste voraus. Änderungen und Ergänzungen der Wählerliste sind nur bis zum Tag vor Beginn der Stimmabgabe zulässig, nicht jedoch am Wahltag selbst.
D’Hondtsches Höchstzahlverfahren bestätigt
laut BAG ist Mehrheitssicherung erforderlich
Leiharbeitnehmer zählen mit für die BR-Wahl
Nachdem jahrelang ein Streit herrschte, ob Leiharbeitnehmer bei der BR-Wahl im Entleiherbetrieb mitzuzählen sind, hat nun der Gesetzgeber Klarheit geschaffen. Mit der Neufassung des AÜG (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) ab 01.04.2017 wurde in § 14 Abs. 2 Satz 4 AÜG ausdrücklich aufgenommen, dass Leiharbeitnehmer bei allen Wahlverfahren mitzählen.
Geschlechterquote und Betriebsratswahl: Keine Korrektur im Nachrückverfahren
In dem konkreten Fall wurde darüber gestritten, ob das Übererfüllen der Geschlechterquote durch einen Nachrückvorgang zu einer nachträglichen Korrektur eines – dem Minderheitengeschlecht geschuldeten – Listensprungs führen kann. Nach der Regelung in § 15 BetrVG zog eine Arbeitnehmerin (Geschlecht der Minderheit) in den Betriebsrat ein und „verdrängte“ dabei einen Bewerber, der im direkten Vergleich mehr Stimmen erzielt hatte.
Zu einem späteren Zeitpunkt schied ein (anderes) männliches Mitglied aus dem Betriebsrat aus und wurde im Nachrückverfahren durch eine Bewerberin ersetzt. Der Betriebsrat vertrat die Auffassung, dass die Minderheitenquote nunmehr übererfüllt sei. Die zunächst in den Betriebsrat eingezogene Bewerberin scheide aus dem Betriebsrat aus mit der Folge, dass der zunächst „verdrängte“ Bewerber Mitglied des Betriebsrats werde. Die Arbeitgeberin und die Arbeitnehmerin beantragten festzustellen, dass die Arbeitnehmerin Mitglied des Betriebsrats im Betrieb der Arbeitgeberin ist und dass der zunächst „verdrängte“ Bewerber nicht Mitglied des Betriebsrats im Betrieb geworden ist.
Das ArbG gab dem Antrag statt. Der Beschluss ist rechtskräftig.
Die Gründe: Die zunächst in den Betriebsrat eingezogene Bewerberin bleibt Mitglied des Betriebsrates und wird nicht durch den „verdrängten“ Bewerber ausgetauscht. Nach § 25 BetrVG rückt ein Ersatzmitglied nach, wenn ein Mitglied des Betriebsrats ausscheidet. Die Ersatzmitglieder werden unter Berücksichtigung des § 15 Abs. 2 BetrVG der Reihe nach aus den nichtgewählten Arbeitnehmern derjenigen Vorschlagslisten entnommen, denen die zu ersetzenden Mitglieder angehören. Erfolgte die Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl, so tritt an die Stelle des ausgeschiedenen oder zeitweilig verhinderten Mitglieds das dem gleichen Geschlecht angehörende Ersatzmitglied, das auf der Liste als nächster Vertreter vorgeschlagen ist, wenn dies zur Wahrung der Mindestquote des § 15 Abs. 2 erforderlich ist. Ansonsten folgt der nächste Vertreter auf der Liste ohne Hinblick auf das Geschlecht.
Die Auslegung der Norm ergibt, dass eine Übererfüllung der Minderheitengeschlechterquote infolge eines Nachrückvorgangs grundsätzlich unbeachtlich ist. Der Listensprung wird nicht nachträglich korrigiert. Daraus folgt, dass die Arbeitnehmerin ihr Mandat behält. Der Wortlaut des § 25 BetrVG ist insoweit eindeutig. Er eröffnet dem Betriebsrat keine Möglichkeit, das bekanntgegebene Wahlergebnis nachträglich bei einem Nachrückvorgang zu korrigieren. Er kann nur bei einem Nachrückvorgang zur Wahrung der Geschlechterquote eine andere nachrückende Person bezeichnen, § 25 Abs. 2 S. 1 BetrVG.
Aus § 15 Abs. 2 BetrVG folgt kein abweichendes Auslegungsergebnis: Die auch für das Nachrücken maßgebliche Regelung in § 15 Abs. 2 BetrVG regelt allein eine Mindestquote. Die Vorschrift stellt keine Ermächtigung dafür dar, einen Listensprung nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses zu korrigieren, etwa weil das Nachrücken eines Betriebsratsmitglieds des Minderheitengeschlechts die Quote erfüllt. (ArbG Köln 12.11.2014, 17 BV 296/14)