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Schlagwort-Archiv: Mitbestimmung


Auch bei Vertrauensarbeitszeit – Kontrolle durch den Betriebsrat

Aktuelles Urteil aus München

Die Kontrolle auf Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes ist eine typische Aufgabe für den Betriebsrat. Einen Anspruch des Betriebsrats auf Auskunft gab es schon immer. Zur Klarstellung hat dies jetzt auch das LAG München auf Arbeitszeiten von Außendienstmitarbeitern bezogen. Ausdrücklich hervorgehoben: Dieser Anspruch besteht auch bei vereinbarter Vertrauensarbeitszeit. (LAG München v. 11.7.2022 – 4 TaBV 9/22)



Desk sharing – Beteiligung Betriebsrat

Neue Formen der Arbeitsorganisation, wie z.B. Desk sharing, halten in vielen Betrieben Einzug. Für die Beschäftigten geht es nicht allein darum, sich täglich einen neuen Arbeitsplatz suchen zu müssen, sondern um das notwendige Umfeld. Ruhe- und Meetingräume sind als Ergänzung erforderlich, ebenso muss ein Zuteilungssystem gerecht und transparent sein. Auch diese neue Form der Arbeitswelt ist mit dem Betriebsrat abzustimmen – Ordnung und Verhalten sind berührt (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG).

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Home-Office im Ausland

Nicht nur durch den Lockdown ist die Frage aufgeworfen worden, ob Home-Office auch im Ausland möglich ist. Grundsätzliche Antwort: ja, aber. Zunächst ist darauf zu achten, ob eine Arbeitserlaubnis erforderlich ist. Dies kann in Nicht-EU-Staaten erforderlich sein. Zu beachten sind auch mögliche Sonderregelungen im Ausland, zum Beispiel zu Arbeitsschutz oder Arbeitszeiten, die deutsches Recht verdrängen, selbst wenn dieses von den Arbeitsvertragsparteien als maßgeblich vereinbart wurde. Wichtig: Beim Home-Office als eine Form der mobilen Arbeit bestimmt der Betriebsrat mit, § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG. Diese Neuregelung ist ein Auffangtatbestand, der neben anderen etablierten Mitbestimmungsrechten besteht, zum Beispiel bezüglich Fragen der Arbeitszeitgestaltung.

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Einführung Office 365 – GBR zuständig

GBR zuständig bei unternehmensweiter Nutzung
Immer wieder gibt es Streit um die Fragen, ob für IT-Fragen der GBR bzw. KBR originär zuständig ist oder noch Regelungsbedarf für die örtlichen Betriebsräte besteht. Das BAG hat jetzt in einem Verfahren darauf abgestellt, wo und von wem tatsächlich die Kontrolle von Leistung und Verhalten erfolgen kann – konkret durch den Systemadministrator. Das BAG hebt hervor, dass bei der Einführung und Anwendung die zur Überwachung geeigneten technischen Einrichtungen (gem. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG) eine „einheitliche untrennbare betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit“ bilden. Sind also mehrere Betriebe betroffen, erfordert dies eine unternehmensweite Regelung.  Wird dann die Administration zentral durchgeführt, verwirklicht sich auch zentral die mögliche Überwachungsfunktion. Für Regelungen durch einzelne Betriebsräte ist dann kein Raum mehr (BAG v. 08.03.2022)
Anmerkung:
Nach der gesetzlichen Definition des Mitbestimmungsrechts (Leistungs- und Verhaltenskontrollen) kann natürlich auf zentrale Administratoren abgestellt werden. Ist damit allerdings ausgeschlossen, dass auch dezentral eine Überwachung erfolgen kann? Hier werden die Betriebsräte nachhaken müssen, um den gesamten Umfang der unterschiedlichen Berechtigungen zu erfassen.
Fachanwalt für Arbeitsrecht Wolfgang Steen
Rechtsanwälte Gaidies Heggemann & Partner


Gutes bEM statt Krankenrückkehrgespräche

Das LAG Rheinland-Pfalz stellt klar
Immer wieder kommt es zu Streitfällen, ob ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) erforderlich ist oder nicht. Arbeitgeber berufen sich teilweise auf Krankenrückkehr- oder Fehlzeitengespräche, die gezeigt hätten, ein bEM-Verfahren sei entbehrlich. In einer Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz wurde hierzu jetzt klargestellt: ein Fehlzeitengespräch ersetzt nicht das notwendige bEM-Verfahren, weil es komplexer und anspruchsvoller ist (LAG Rheinland-Pfalz v. 13.04.2021 – 8 SA 240/20).

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Keine Krankenrückkehrgespräche, sondern BEM

Immer wieder kommt es zu Streitfällen, ob ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) erforderlich ist oder nicht. Arbeitgeber berufen sich teilweise auf Krankenrückkehr- oder Fehlzeitengespräche, die gezeigt hätten, ein bEM-Verfahren sei entbehrlich. In einer Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz wurde hierzu jetzt klargestellt: ein Fehlzeitengespräch ersetzt nicht das notwendige bEM-Verfahren, weil es komplexer und anspruchsvoller ist (LAG Rheinland-Pfalz v. 13.04.2021 – 8 SA 240/20).
Anmerkung:
Es stellt sich ohnehin die Frage, ob Fehlzeitengespräche überhaupt noch durchgeführt werden dürfen. Evtl. nur nach Mitbestimmung durch den Betriebsrat. Immerhin will das gesetzliche bEM-Verfahren im Sinne einer Fürsorge sicherstellen, dass Arbeitsunfähigkeit überwunden und möglichst in der Zukunft vermieden werden kann. Ebenso steht die Sicherung des Arbeitsplatzes im Vordergrund. Dies ist natürlich ein aufwändiges Verfahren (mit ausdrücklicher Zustimmung der/des Betroffenen) und nicht zu vergleichen mit dem einseitig angeordneten Fehlzeiten- oder Krankenrückkehrgespräch. Zeitgemäß sind solche Gespräche also gerade nicht und im Einzelfall abzulehnen mit dem Hinweis auf das vorrangige bEM-Verfahren.

Fachanwalt für Arbeitsrecht für Arbeitnehmer Wolfgang Steen, Hamburg
Rechtsanwälte Gaidies Heggemann & Partner

 

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FAQ: Worauf bezieht sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats?

  • Die Einführung von 3G ist obligatorisch, hinsichtlich des „Ob“ besteht kein Regelungsspielraum und darum auch keine Mitbestimmung
  • Mitbestimmungspflichtiger Regelungsspielraum besteht aber in der Frage, in welcher Form dieser Vorgabe genügt wird – insbesondere also, wie genau der Arbeitgeber seiner Kontroll- und Dokumentationspflicht nachkommt. Der Betriebsrat kommt hier über § 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 7 BetrVG zum Zug und kann eine Betriebsvereinbarung
  • Es kann außerdem die Durchführung eventueller betrieblicher Testangebote geregelt werden.
  • Der Betriebsrat kann auch darauf hinwirken, dass eine Offenbarung des Impfstatus und eine Stigmatisierung möglichst unterbleibt. So kann schon der Gang in ein Testzelt als Stigmatisierung gewertet werden. Wo es ohne größere Einschränkungen möglich ist, wäre es besser, nicht getrennte Anstellschlangen für „Geimpft“ und „Ungeimpft“ vorzusehen. Wie viel Mühe man sich macht, hängt auch von der Bereitschaft ab, hier besondere Rücksicht zu nehmen oder nicht.
  • Die durch die Zugangskontrolle erfassten Daten sind auch für eine Gefährdungsbeurteilung und damit für die Hygienekonzepte im Betrieb zu verwenden. Bei dessen Anpassung ist der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zu beteiligen.

2G und 3G im Betrieb

2G und 3G im Betrieb

Was gilt es als Betriebsrat zu beachten?

Das Webinar behandelt die Frage, was das 2-G-Modell und das 3-G-Modell für die Arbeitswelt bedeutet und worauf Betriebsräte besonders achtgeben sollten. Es sollen die rechtlichen Grenzen eines 2-G-Modells oder 3-G-Modells in der Arbeitswelt beleuchtet werden und der betriebspolitische Umgang mit diesem Themenkomplex diskutiert werden. Ferner soll auf tagesaktuelle Entwicklungen insbesondere die Diskussion um ein Fragerecht nach dem Impfstatus eingegangen werden.

Im Webinar werden insbesondere folgende Fragen behandelt:

  • Darf der Arbeitgeber erfassen wer geimpft ist?
  • Darf der Arbeitgeber die Kenntnis des Impfstatus bei einer freiwilligen Offenbarung durch den Mitarbeiter nutzen?
  • Kann der Arbeitgeber 2G oder 3G für den gesamten Betrieb oder bestimmte Bereiche einführen?
  • Welche arbeitsrechtlichen Nachteile können nicht geimpften und nicht genesenen Beschäftigten drohen, z.B. Versetzung, personenbedingte Kündigung?
  • Was passiert, wenn der Arbeitgeber die Mitarbeiter aufgrund der Kundenanforderungen nach 2G nicht mehr einsetzen kann?
  • Welche „Vorteile“ für Geimpfte und Genesene sind zulässig?
  • Gelten für Geimpfte und Genesene alle Corona-Schutzmaßnahmen (Maske, Abstand, Testung,) oder können sie herausgenommen werden?
  • Wie kann der BR mit Mitarbeitern umgehen, welche die Corona Maßnahmen nicht befolgen wollen und an ihrer freien Entscheidung sich nicht impfen lassen zu wollen, festhalten?

Mitbestimmung bei „Mindest-Personalbesetzung“

Mitbestimmung bei „Mindest-Personalbesetzung“

LAG Hamburg geht weiter als das BAG

In dem Fall hatte bereits im Jahr 2009 ein Gutachter festgestellt, dass die Arbeit von Ärzten und Personal unter Zeitdruck als Stressfaktor zu werten ist, der zu psychischer Ermüdung führen kann. In einer Einigungsstelle zur Gefährdungsbeurteilung wurden deshalb eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, auch die Erhöhung der Stellenzahl.

Die Arbeitgeberin focht diesen Teil-Spruch der Einigungsstelle wegen Ermessens-Überschreitung an, verlor damit aber in zweiter Instanz.

Das LAG stellte insbesondere heraus, die Einigungsstelle greife durch den Spruch nicht unzulässig in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit ein. Das BAG habe bereits in seiner Entscheidung vom 31.08.1982 (1 ABR 27/80) die Auffassung vertreten, die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats stünden nicht unter dem allgemeinen Vorbehalt, dass durch sie nicht in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit eingegriffen werden dürfe. So sei in einem Kaufhaus vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auch eine Arbeitszeitregelung gedeckt, welche die Ausschöpfung der gesetzlichen Ladenschlusszeiten unmöglich mache.

 

Personalplanung eines Arbeitgebers ist nicht absolut frei

Dass die Personalplanung eines Arbeitgebers nicht absolut frei sein könne, werde besonders deutlich, wenn man berücksichtige, dass der Begriff nicht nur die abstrakte Bedarfsplanung beinhalte, auf welche die Arbeitgeberseite ihren Blick beschränke, sondern auch die Festlegung von Anforderungsprofilen, die Personalbeschaffungsplanung und die Personaleinsatzplanung.

Beteiligungsrecht des Betriebsrates

In den meisten dieser Bereiche werde das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 92 BetrVG durch besondere Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte ergänzt. Nach § 93 BetrVG könne der Betriebsrat die Öffnung des innerbetrieblichen Arbeitsmarkts erzwingen. Nach § 94 Abs. 1 BetrVG bedürfen Personalfragebögen und nach § 95 Abs. 1 BetrVG Auswahlrichtlinien der Zustimmung des Betriebsrats, wobei letztere in Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten sogar gegen den Willen des Arbeitgebers eingeführt werden könnten.

Gehe die Personalbeschaffung mit Maßnahmen des Arbeitgebers zur Berufsbildung einher, stünden dem Betriebsrat die Rechte der §§ 96-98 BetrVG zur Seite bis hin zur gleichberechtigten Mitwirkung an der Entscheidung, welche Mitarbeiter an Maßnahmen der betrieblichen Fortbildung teilnehmen sollen. Die Personaleinsatzplanung löse, sobald sie in personellen Einzelmaßnahmen münde, die Rechte des Betriebsrats gemäß § 99 BetrVG aus, was im Einzelfall dazu führen könne, dass der Arbeitgeber daran gehindert werde, seine Personalplanung umzusetzen. Da das LAG von den Ausführungen des Gutachters überzeugt war, wurde festgestellt: Aus Gründen des Gesundheitsschutzes könne eine konkrete Personalbemessung durch eine Einigungsstelle festgelegt werden.

(LAG Hamburg, Beschluss vom 16.07.2020, 8 TaBV 8/19)


Die neue Corona-Arbeitsschutzverordnung – Homeoffice-Pflicht (Stand 22.01.2021)

Mit der neuen Corona-Arbeitsschutzverordnung werden Arbeitgeberpflichten konkretisiert. Der Mindestabstand zu anderen Personen (auch in Kantinen) von 1,5 m ist einzuhalten, regelmäßiges Lüften sicherzustellen. Entscheidend: in Betrieben ab zehn Beschäftigten muss eine Einteilung in kleine, feste Arbeitsgruppen erfolgen. Arbeitgeber müssen mindestens medizinische Gesichtsmasken zur Verfügung
stellen. Außerdem besteht die Pflicht, Arbeiten im Homeoffice anzubieten. Ob diese Pflicht eingeschränkt werden

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Corona-Schutz muss dokumentiert werden

In einer von unserem Büro durchgesetzten Entscheidung hat das Arbeitsgericht Hamburg dem Arbeitgeber aufgegeben, bestehende Gefährdungsbeurteilungen zu aktualisieren. Es sind die erforderlichen Maßnahmen nach den neuen SARS-CoV-2 Arbeitsschutzregeln aufzunehmen (ArbG Hamburg v. 22.12.2020 – 9 BVGa 3/20).

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Gesamtbetriebsrat zuständig für „AT-Gehälter“

… wenn diese nur unternehmenseinheitlich gewährt werden

Das BAG nennt den Ausgangspunkt: „Verfolgt der Arbeitgeber das legitime und sachlich begründete Ziel, in gleichartigen Betrieben und für identische außertarifliche Tätigkeiten ein einheitliches Vergütungssystem zu schaffen, welches auf dem unternehmensweit geltenden tariflichen System aufbaut….

Dann folgt daraus: „Welche Struktur greift, kann die Arbeitgeberin nicht vorgeben, insoweit greift die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Es bedeutete aber einen Eingriff in die unternehmerische Organisationsfreiheit, wenn die Mitbestimmung auf betrieblicher Ebene bliebe und das legitime und überbetrieblich umsetzbare Regelungsziel damit faktisch unerreichbar bliebe. In diesem Fall kann die Angelegenheit nicht nach § 50 Abs. 1 Hs. 2 BetrVG durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden; vielmehr ist es:

zwingend geboten, die Vergütungsstruktur unternehmenseinheitlich festzulegen…

, so dass in der vorliegenden Konstellation nach § 50 Abs. 1 BetrVG der Gesamtbetriebsrat zuständig ist.“
(BAG Beschluss vom 31. August 2020 – 1 TaBV 102/19)


Mitbestimmung bei Dienstwagen/Firmenwagen – Einigungsstelle möglich

Wie das LAG Köln in einer Entscheidung vom 13.01.2020 festgestellt hat, ist eine Einigungsstelle einzusetzen, wenn es bei Einräumung der Privatnutzung von Firmenwagen zu Unterschieden kommt. Zwar ist der Rahmen der Aufwendungen eines Arbeitgebers mitbestimmungsfrei (kann also auch abgesenkt werden), durch die Privatnutzung wird aber ein geldwerter Vorteil eingeräumt, der zum mitbestimmungspflichtigen Entgelt zählt (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG). Das LAG zählt auf, wie sich die Unterschiede ergeben können: welche Dienstfahrzeuge, also die Fahrzeugart, Kategorie, Motorisierung oder Nutzungsdauer den Arbeitnehmern zur Verfügung gestellt werden sowie Sonderausstattungen und die Eigenbeteiligung der Arbeitnehmer.

Ferner kommt die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. BetrVG in Betracht, soweit der Arbeitgeber Verhaltensregeln für die Nutzung aufstellt, wie etwa bei der Benutzung von Handys, der Einhaltung von Sicherheitsvorschriften und bei der Führung eines Fahrtenbuchs. Wird ein GPS-Ortungssystem eingesetzt besteht Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.


Auch „geduldete“ Überstunden mitbestimmungspflichtig

… wenn Gegenmaßnahmen des Arbeitgebers fehlen

In der Entscheidung knüpft das BAG daran an, wann von Überstunden auszugehen ist, auf die der Arbeitgeber reagieren muss. „Hiervon kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber in Kenntnis der Überstundenleistungen durch Arbeitnehmer untätig bleibt und diese über einen längeren Zeitraum hinnimmt.

Entsprechend ist der Duldungstatbestand beispielsweise erfüllt, wenn Monat für Monat eine Vielzahl von Arbeitnehmern immer wieder in erheblichem Maße Überarbeit leistet und der Arbeitgeber diese Stunden „entgegennimmt und bezahlt“ oder es die betrieblich-organisatorischen Gründe bedingen, dass Arbeitnehmer häufig über das mitbestimmt festgelegte Schichtende hinaus arbeiten und diese Mehrarbeit „angenommen und vergütet“ wird.
(Bundesarbeitsgericht v. 28.7.2020, 1 ABR 18/19)


Können Betriebsferien angeordnet werden?

Auch im Zusammenhang mit der aktuellen Pandemie stellt sich die Frage, ob der Chef einseitig Betriebsferien anordnen darf. Wenn es einen Betriebsrat gibt, ist die Antwort eindeutig: Nein. Eine Anordnung von Urlaub wegen der Betriebsferien kann nur mit Zustimmung des Betriebsrates erfolgen (§ 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG). Aber auch sonst gilt: der persönliche Urlaubswunsch des Arbeitnehmers hat Vorrang (siehe § 7 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz).

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Gehaltsanpassung – und die Mitbestimmung des Betriebsrats

Dem Betriebsrat steht bei der Entscheidung, ob im Betrieb tätige Arbeitnehmer eines Geschäftsbereichs von einer Gehaltsanpassung ausgenommen werden, ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu.

Die nicht-tarifgebundene Arbeitgeberin vereinbarte mit ihrem Gesamtbetriebsrat im Juni 2011 eine Gesamtbetriebsvereinbarung zum Vergütungssystem für verschiedene Jobfamilien. Danach bestehen für die Arbeitnehmer der jeweiligen Jobfamilien unterschiedliche Gehaltsgruppen („Dow Job Point Level“). Für jedes Level gibt es einen sog. Gehaltsmedian. Die Gehaltsbandbreite jedes Levels beträgt 80 vH bis 120 vH des Medians und wird „zu Administrationszwecken“ in fünf gleiche Bänder („Quintile“) unterteilt. Außerdem sind in der GBV die „Grundsätze der jährlichen Gehaltsanpassung“ geregelt. Danach bestimmt die Arbeitgeberin jährlich das allgemeine zur Verteilung im Rahmen der Gehaltserhöhung für alle Arbeitnehmer zur Verfügung stehende Volumen und teilt dies nach Genehmigung durch das „Board“ des herrschenden Konzernunternehmens dem Gesamtbetriebsrat mit. Die Verteilung der Gehaltsanpassung erfolgt leistungsabhängig. Für die Festlegung der individuellen prozentualen Gehaltsanpassung des einzelnen Arbeitnehmers sind die Ergebnisse einer jährlichen Leistungsbeurteilung und seine Position innerhalb der Gehaltsbandbreite maßgebend. Als ein ganzer Geschäftsbereich von der jährlichen Gehaltserhöhung ausgenommen wurde, ging der Betriebsrat vor das Arbeitsgericht. In der 3. Instanz entschied jetzt das BAG.

Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG
Das BAG stellt fest, dass der nicht tarifgebundene Arbeitgeber bei der Verteilung der Gesamtvergütung einen Entscheidungsspielraum hat. Bei dessen Ausgestaltung hat der Betriebsrat mitzubestimmen. Die Betriebsparteien haben für die gesamten Vergütungsbestandteile Entlohnungsgrundsätze iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG aufzustellen, durch die eine am Normzweck des Mitbestimmungsrechts ausgerichtete Verteilung erfolgt. Dabei unterliegt nicht nur die Einführung, sondern auch die Änderung der im Betrieb für die Verteilung der Gesamtvergütung aufgestellten Entlohnungsgrundsätze dem Mitbestimmungsrecht.
Nach diesen Grundsätzen unterliegt die Entscheidung, ob im Betrieb tätige Arbeitnehmer eines Geschäftsbereichs von einer Gehaltsanpassung ausgenommen werden, dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.

Ausnahmen führen zur Änderung
Die Entscheidung der Arbeitgeberin, Arbeitnehmer bestimmter Geschäftsbereiche von einer Gehaltsanpassung auszunehmen, führt zu einer Änderung der im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätze. Sie hat zur Folge, dass sich der relative Abstand der jeweiligen Vergütungen der Arbeitnehmer des Betriebs zueinander ändert. Das ist nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtig.
Bei einer Gehaltsanpassung richtet sich die Vergütung der Arbeitnehmer des Betriebs nach dem mit dem Betriebsrat für die Umsetzung der Gehaltsanpassung vereinbarten Verteilungsschlüssel. Nimmt die Arbeitgeberin Mitarbeiter eines bestimmten Geschäftsbereichs von der Umsetzung einer nachfolgenden Gehaltsanpassung im Betrieb aus, sind deren Gehälter von einer weiteren prozentualen Steigerung – wie sie dem neuen Verteilungsschlüssel entspräche – ausgeschlossen. Dies hat zugleich zur Folge, dass sich der relative Abstand der jeweiligen Vergütungen der Arbeitnehmer im Betrieb zueinander zwischen derjenigen Arbeitnehmergruppe, die von der Gehaltsanpassung ausgenommen wurden, und den übrigen Arbeitnehmern, für die aufbauend auf den bisherigen Entlohnungsgrundsätzen der vorangegangenen Betriebsvereinbarung eine Steigerung um neue, weitere vH-Sätze vereinbart werden soll, ändert.

„Freiwilligkeit“ ohne Bedeutung
Die Arbeitgeberin kann nicht mit Erfolg geltend machen, sie könne den Adressatenkreis der Gehaltsanpassung mitbestimmungsfrei vorgeben. Zwar kann der Arbeitgeber bei einer freiwilligen Leistung grundsätzlich mitbestimmungsfrei darüber entscheiden kann, ob er die Leistung gewährt, welchen Dotierungsrahmen er dafür zur Verfügung stellen will und an welchen Empfängerkreis er diese zu erbringen bereit ist. Die Arbeitgeberin stellt allerdings bei einer Gehaltsanpassung nicht erstmals ein bestimmtes Volumen für einen bestimmten Leistungszweck zur Verfügung, sondern erhöht dadurch lediglich das auch schon bisher für die Vergütung der Arbeitnehmer bereitgestellte gesamte Dotierungsvolumen. (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 21. Februar 2017 – 1 ABR 12/15)
Fachanwalt für den Betriebsrat Wolfgang Steen
Rechtsanwälte Gaidies Heggemann & Partner, Hamburg



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