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Schlagwort-Archiv: Corona

Aus der Pressemitteilung des BMAS

  1. Der Sicherheitsabstand von mindestens 1,5 Metern wird universell auch bei der Arbeit eingehalten – in Gebäuden, im Freien und in Fahrzeugen.
    In den Betrieben werden entsprechende Absperrungen, Markierungen oder Zugangsregelungen umgesetzt. Wo dies nicht möglich ist, werden wirksame Alternativen ergriffen.
  2. Abläufe werden so organisiert, dass die Beschäftigten möglichst wenig direkten Kontakt zueinander haben.
    Schichtwechsel, Pausen oder Anwesenheiten im Büro werden
    durch geeignete organisatorische Maßnahmen entzerrt, Kontakte der Beschäftigten untereinander werden im Rahmen der Schichtplangestaltung auf ein Minimum reduziert.
  3. Niemals krank zur Arbeit!
    Personen mit erkennbaren Symptomen (auch leichtes Fieber, Erkältungsanzeichen, Atemnot) verlassen den Arbeitsplatz bzw. bleiben zu Hause, bis der Verdacht ärztlicherseits aufgeklärt ist. Hier sind auch die Beschäftigten gefragt, ihre gesundheitliche Situation vor Arbeitsbeginn zu prüfen, um ihre Kolleginnen und Kollegen nicht in Gefahr zu bringen.
  4. Zusätzlichen Schutz bei unvermeidlichem direkten Kontakt sicherstellen!
    Wo Trennung durch Schutzscheiben nicht möglich ist, werden vom Arbeitgeber Nase-Mund-Bedeckungen für die Beschäftigten und alle Personen mit Zugang dessen Räumlichkeiten (wie Kunden, Dienstleister) zur Verfügung gestellt.
  5. Zusätzliche Hygienemaßnahmen treffen!
    Waschgelegenheiten bzw. Desinfektionsspender werden vom Arbeitgeber bereitgestellt, um die erforderliche häufige Handhygiene am Ein-/Ausgang und in der Nähe der Arbeitsplätze zu ermöglichen. Kurze Reinigungsintervalle für gemeinsam genutzte Räumlichkeiten, Firmenfahrzeuge, Arbeitsmittel und sonstige Kontaktflächen verbessern den Infektionsschutz weiter. Auf die verbindliche Einhaltung einer „Nies-/Hustetikette“ bei der Arbeit wird besonders geachtet!
  6. Arbeitsmedizinische Vorsorge nutzen; Risikogruppen besonders schützen!
    Viele bangen um ihre Gesundheit. Arbeitsmedizinische Vorsorge beim Betriebsarzt ermöglicht individuelle Beratung zu arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren. Auch Vorerkrankungen und Ängste können hier besprochen werden. Wird dem Arbeitgeber bekannt, dass eine Person einer Risikogruppe angehört, ergreift er die erforderlichen individuellen Schutzmaßnahmen.
  7. Betriebliche Beiträge zur Pandemievorsorge sicherstellen!
    Um schnell auf erkannte Infektionen reagieren zu können, erarbeiten Arbeitgeber betriebliche Routinen zur Pandemievorsorge und kooperieren mit den örtlichen Gesundheitsbehörden, um weitere möglicherweise infizierte Personen zu identifizieren, zu informieren und ggf. auch isolieren zu können. Beschäftigte werden angehalten, sich bei Infektionsverdacht an einen festen Ansprechpartner im Betrieb zu wenden.
  8. Aktive Kommunikation rund um den Grundsatz „Gesundheit geht vor!“
    Der Arbeitgeber unterstützt aktiv seine Beschäftigten. Führungskräfte stellen vor Ort klar, dass Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten Priorität haben. Alle zusätzlichen betrieblichen Infektionsschutzmaßnahmen und Hinweise werden verständlich erklärt und ggf. erprobt und eingeübt.

Wir helfen gerne im Fall des Konflikts und freuen uns über die Mitteilung von gelungenen Beispielen in den Betrieben.

Ihr Team von Gaidies Heggemann & Partner


Abweichungen vom Arbeitszeitgesetz

Aus dem Bundesarbeitsministerium liegt ein Referentenentwurf vor, der Abweichungen vom Arbeitszeitgesetz in Folge von Covid19 vorsieht.
Für bestimmte Berufe sollen Abweichungen vom Arbeitszeitgesetz im Hinblick auf die maximale Arbeitszeit und die Ruhezeiten gemacht werden dürfen, wenn es nötig ist, um das Gemeinwesen in bestimmten Bereichen funktionstüchtig zu halten.

Es geht um Tätigkeiten, die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, des Gesundheitswesens und der pflegerischen Versorgung, der Daseinsvorsorge oder zur Versorgung der Bevölkerung mit existenziellen Gütern notwendig sind. Dies sind folgende Berufsgruppen:
a) Produktion und Handel von Waren des täglichen Bedarfs; der Produktion und dem Vertrieb von Medizinprodukten (incl. vor allem solcher Produkte, die der Bekämpfung der Pandemie dienen);
b) der medizinischen Behandlung;
c) von Not- und Rettungsdiensten;
d) der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung;
e) der Krankenpflege in stationären und ambulanten Bereichen;
f) der Energie- und Wasserversorgung sowie der Abfall- und Abwasserentsorgung; g) der Landwirtschaft;
h) der Geld- und Wertpapiertransporte;
i) der Dateninfrastruktur und
j) der Tätigkeiten in Verkaufsstellen, die in den Ladenschlussgesetzen des Bundes bzw. in den Ladenschlussgesetzen der Länder beschrieben werden (z. B. Tankstellen).


Höchstarbeitszeit

Der Entwurf regelt in § 1 Absätzen 1 und 2 sowie 4 Abweichungen von der täglichen Höchstarbeitszeit. Diese kann auf bis zu zwölf Stunden täglich – und ggf. darüber hinaus verlängert werden, soweit entsprechende Arbeitszeitdispositionen nicht durch Einstellung oder sonstige personalwirtschaftliche Maßnahmen vermieden werden können. Ferner darf die wöchentlich zulässige Arbeitszeit nicht um mehr als 60 Stunden überschritten werden. Auch insoweit gilt die Einschränkung, dass eine Überschreitung möglich ist, soweit der Arbeitgeber entsprechende organisatorische Maßnahmen vorab getroffen hat.


Ruhezeiten

Nach § 2 der Verordnung darf die Ruhezeit im Rahmen der genannten Tätigkeiten um bis zu zwei Stunden verkürzt werden. Eine Mindestruhezeit von neun Stunden darf grundsätzlich nicht unterschritten werden. Der Ausgleichszeitraum beträgt regelmäßig vier Wochen. Der Ausgleich ist nach Möglichkeit durch freie Tage zu gewährleisten.


Sonn- und Feiertagsarbeit

An Sonn- und Feiertagen wird für die in § 1 Absatz 3 genannten Tätigkeiten das Sonn- und Feiertagsverbot gelockert. Innerhalb von acht Wochen ist ein Ersatzruhetag – spätestens bis zum 31. Juli 2020 – zu gewähren.
Im Übrigen bleibt § 14 des Arbeitszeitgesetzes unberührt.


Aktuelle News zu „Corona“ und Betriebsrat

Aktuelle News und Empfehlungen finden Sie auf unseren Seiten „www.sozialplan-spezialisten.de“

sowie auf den Seiten Newsletter-Betriebsrat https://gsp.de/newsletter-betriebsrat/

 

 


Anreiseverbot fürs Home Office in Zweitwohnung

Zur Eindämmung des Coronavirus ist das Anreiseverbot zur Nutzung einer Zweitwohnung rechtmäßig. Ausgenommen vom Verbot ist die Nutzung einer Nebenwohnung nur aus zwingenden Gründen, etwa aus zwingenden gesundheitlichen oder beruflichen Gründen. Dies entschied jetzt das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein (Beschlüsse vom 2. April 2020) im Fall einer Arbeitnehmerin, die ihre Zweitwohnung als Home Office nutzen wollte.
Das OVG Schleswig-Holstein bestätigte das vom Kreis Nordfriesland verfügte Anreiseverbot zur Nutzung von Nebenwohnungen (Zweitwohnungen) zwecks Bekämpfung und Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV‑2 und sah keine Ausnahmetatbestand für ein Home Office.

Nicht nur Reisen aus touristischem Anlass, sondern auch zu Freizeitzwecken, zu Fortbildungszwecken oder zur Inanspruchnahme von vermeidbaren oder aufschiebbaren Maßnahmen seien untersagt, so das Gericht. Ausgenommen vom Verbot sei die Nutzung einer Nebenwohnung nur aus zwingenden Gründen, etwa aus zwingenden gesundheitlichen oder beruflichen Gründen. Dergleichen gelte für die Antragsteller nicht. Es sei nicht erkennbar, warum es für sie unerlässlich sein solle, zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit ihren Nebenwohnsitz aufzusuchen. Es sei zwar verständlich, dass sie die im Vergleich mit ihrer Hauptwohnung geräumigere und mit einem Grundstück versehene Zweitwohnung zum Aufenthalt für sich und ihre Kinder nutzen wollten, doch vermöge dies keinen „zwingenden Grund“ oder einen vergleichbar schwerwiegenden Grund im Sinne der Allgemeinverfügung zu begründen. Weder das Verwaltungsgericht noch das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein vermochten für das „Homeoffice“ eine Ausnahmemöglichkeit anzuerkennen.

Beanstandungsfrei berufe sich der Kreis darauf, dass das Virus vermutlich gerade durch auswärtige Personen verbreitet werde, die erst im Skiurlaub gewesen seien und danach in ihre Ferienwohnung reisten. Auf diese Weise kämen Personen miteinander in Kontakt, die sonst keinen Kontakt hätten. Allein im Kreis Nordfriesland gebe es mehrere Tausend Ferienwohnungen. Deshalb habe das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein keinen Zweifel, dass die untersagte Anreise ein verhältnismäßiges Mittel darstelle, um die Ausbreitung des neuartigen Virus einzudämmen und die medizinischen Versorgungskapazitäten im Kreisgebiet vor Überlastung zu schützen. Es dürfe nicht so weit kommen, dass das medizinische Personal darüber entscheiden müsse, welche beatmungspflichtigen Patienten von einer intensivmedizinischen Behandlung ausgeschlossen würden. Das Interesse der Antragsteller an einer uneingeschränkten Nutzung ihrer Nebenwohnung müsse hinter diesem überragenden öffentlichen Interesse zurückstehen, zumal es sich um eine nur vorübergehende Maßnahme handele und bei schwerwiegenden Gründen Ausnahmen möglich seien. Schließlich sei der der Verfügung zugrundeliegende § 28 des Infektionsschutzgesetzes zum 28. März 2020 geändert worden und ermächtige nunmehr auch zu Eingriffen in das Grundrecht auf Freizügigkeit. Aus diesen Gründen sei das Anreiseverbot aus der Allgemeinverfügung des Kreises rechtmäßig.

 

 

 

 

 

 


Kündigung wegen Corona?

Viele Arbeitnehmer haben in der aktuellen Corona-Krise Angst um ihren Job. Es kann tatsächlich zu Kündigungen kommen, aber sind diese rechtens?
Eine fristlose Kündigung wäre auf jeden Fall unwirksam. Wer schon länger als ein halbes Jahr beschäftigt ist und im Betrieb mehr als 10 Mitarbeiter arbeiten, genießt Kündigungsschutz. Und ein Grund, fristlos zu kündigen, ist die aktuelle Krise nicht, wenn nämlich keine schwerwiegenden Pflichtverletzungen des Beschäftigten vorliegen.

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Hygiene-Regelungen

Grundsätzlich ist ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Aufstellung von Hygiene- und Reinigungsregelungen im Betrieb anerkannt (vgl. LAG Düsseldorf, Beschl. v. 09.01.2018). Im aktuellen Pandemie-Fall gilt dies erst recht und ist auf sämtliche Regelungen zum Gesundheitsschutz (§ 87 Nr. 7 BetrVG) zu erstrecken. Damit besteht auch ein Initiativrecht des BR, etwa regelmäßiges Desinfizieren von Griffen, Geländern, Teeküchen etc. durchzusetzen oder die räumliche Trennung der Anwesenden mit Abstandsgeboten.


Home Office (Anordnung)

Egal, ob im Betrieb eine Home Office-Regelung besteht, in der aktuellen Situation sind Maßnahmen sinnvoll, möglichst viele Beschäftigte vor Ansteckungsgefahren zu bewahren. Wichtig aber: Niemand kann in das Home Office „gezwungen“ werden.

Wenn jetzt Pläne aufgestellt werden, etwa je die Hälfte der Belegschaft rotierend zu Hause arbeiten zu lassen, ist dies mitbestimmungspflichtig (Ordnungsverhalten, § 87 Abs. 1 Nr. 1 und ggf. Versetzung, § 99 BetrVG). Die Mitbestimmung kann sich etwa darauf beziehen, Eltern mit Kita- oder Schulkindern den Vorrang einzuräumen. Niemand kann schließlich absehen, wie lange etwa Schul- und Kita-Schließungen andauern werden.

Übrigens: Die Möglichkeit einzuräumen, im Home Office zu arbeiten, ist als „Schutzmaßnahme“ des Arbeitgebers nach § 3 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) zu werten. Der Arbeitgeber hat hierfür die Kosten zu tragen, also etwa für die notwendige technische Ausstattung zu sorgen.


Urlaub / Stundenabbau

Urlaub kann nur freiwillig genommen werden. Es bleibt Sache der Beschäftigten, wann sie die Zeit für ihren Erholungsurlaub wählen (§ 7 BUrlG). Urlaub kann, auch im Einzelfall, nicht angeordnet werden, solange der Betriebsrat diesem nicht zustimmt (§ 87 Nr. 5 BetrVG). „Freiwillig“ Urlaub zu nehmen, etwa als betroffene Eltern, ist natürlich möglich (evtl. noch den ‚alten‘ Urlaub aus 2019). Für Eltern, die mit Schul- oder Kitaschließungen belastet sind, gelten jedoch Sonderregelungen (siehe unten)

Ein Abbau von Plusstunden unterliegt weiterhin den betrieblichen Regelungen (Arbeitszeitsouveränität). Auch hier kann es ohne Zustimmung des Betriebsrates keinen „Zwang“ zum Stundenabbau geben. Es ist klar abzugrenzen, ob die Arbeit ausfällt (dann ggf. Kurzarbeit) oder Beschäftigte „freiwillig“ ihr Arbeitszeitkonto in Anspruch nehmen. Grundsätzlich gilt: Der Arbeitgeber darf das Betriebsrisiko nicht durch Urlaubsgewährung auf die Arbeitnehmer abwälzen.


Betriebsschließung / Auftragsmangel

Denkbar ist, dass der Arbeitgeber sich dafür entscheidet, den Betrieb zu schließen, ohne dass behördlich eine Quarantäne angeordnet worden ist, etwa weil Auftrags- oder Lieferengpässe eintreten und deshalb der Betrieb nicht aufrechterhalten werden kann.

In diesem Fall muss der Arbeitgeber natürlich den Lohn oder das Gehalt fortzahlen, da er das sogenannte Betriebsrisiko trägt. Denkbar ist allerdings, Kurzarbeit (ggf. auf „Null“) zu beantragen, wenn der Arbeitgeber keine Beschäftigungsmöglichkeiten mehr hat. Betriebsräte können allerdings auch durchsetzen, zunächst auf „mildere Mittel“ zu setzen, etwa die Gewährung von Urlaub, Stundenabbau oder auch das Weiterarbeiten aus dem Home Office.

Wird der Betrieb geschlossen, weil in Bezug auf den gesamten Betrieb oder Gruppen von Arbeitnehmern des Betriebes ein Infektionsrisiko besteht, muss der Arbeitslohn an die Arbeitnehmer weitergezahlt werden. Eine solche Betriebsschließung ist z.B. auf der Grundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG) denkbar, mit der Folge einer Entschädigungszahlung für den Arbeitgeber. Achtung: Die Hamburger Allgemein Verfügung zur Schließung von Einzelhandelsgeschäften (außer Lebensmittel), Theatern, Wellnesscenter, Reisebusreisen etc. ist nicht auf §§ 16, 17 IfSG sondern auf § 28 IfSG gestützt: Daraus ergibt sich kein Entschädigungsanspruch und es bleibt nur, Kurzarbeit zu beantragen.


Schul-/Kita-Schließung

Ein besonderer Paragraf (§ 616 BGB) sichert den Beschäftigten die Lohn- und Gehaltsfortzahlung, wenn aus persönlichen Gründen für eine „verhältnismäßig kurze Zeit“ die Arbeitsleistung ohne Verschulden nicht erbracht werden kann. Persönliche Gründe sind die Aufsichtspflicht für die Kinder, Verschulden liegt nicht vor, wenn Behörden die Schließungen anordnen.

Der Streit geht also eher darum, für welche Zeiträume dies gelten kann. Kommentare sprechen von dem Verhältnis der gesamten bisherigen Betriebszugehörigkeit zur Anzahl der Ausfall-Tage. Damit ließen sich auch längere Zeiträume, etwa eine bis zwei Wochen begründen. (Hinweis: die Bundesregierung mahnt hier zurecht ‚flexible Lösungen‘ der Arbeitgeber an.)

Ist aber der im gemeinsamen Haushalt lebende Ehepartner oder Lebensgefährte nicht berufstätig, muss er die Betreuung übernehmen und ein Anspruch des Arbeitnehmers nach § 616 BGB scheidet aus. Sind beide Eltern berufstätig, haben sie ein Wahlrecht, wer von ihnen beiden die Betreuung übernimmt. Der Arbeitgeber desjenigen Elternteils, der sich für die Betreuung entscheidet, hat dann „Pech“, der andere „Glück“. Ein Lastenausgleich findet nicht statt (BAG, Urt. v. 20.6.1979).

Es kann Arbeitsverträge geben, in denen dieser Anspruch aus § 616 BGB ausdrücklich ausgeschlossen ist. Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben kann ein solcher Ausschluss in besonderen Fällen (Pandemie, behördlich angeordnete Schließungen) aber nicht gelten.


Kurzarbeit

Die Bundesagentur für Arbeit hat die Folgen der Ausbreitung des Corona-Virus als „unabwendbares Ereignis“ (im Sine § 96 SGB II) anerkannt. Es kann Kurzarbeit angemeldet werden, ohne dass weitere wirtschaftliche / strukturelle Gründe vorliegen müssen. Dies sogar rückwirkend ab 01.03.2020. Ein Ausfall von 10 % (bisher: 1/3) der Arbeit ist ausreichend. (www.bmas.de/DE/Presse/Meldungen/2020/mit-kurzarbeit-gemeinsam-beschaeftigung-sichern.html)

Alle Betriebe, die Auftragsschwankungen befürchten müssen, sollten Kurzarbeit anmelden. Kurzarbeit ist – wie im Jahr 2009 – quasi als „konjunkturpolitisches Mittel“ anzusehen, den Unternehmen über die Krise zu helfen („Verschnaufpause dank Kurzarbeit“, IAB-Bericht 14/2009). Betriebsräte haben ein Initiativrecht zur Einführung von Kurzarbeit, u.a. um Entlassungen zu vermeiden.

Müssen Stundenkonten abgebaut und muss erst einmal Urlaub genommen werden?

Meistens nein. Urlaub darf nicht angeordnet werden (siehe oben), was auch die Arbeitsagentur nicht verlangen kann, insbesondere dann nicht, wenn der Jahresurlaub schon geplant ist. (Stichwort: „Sozialrecht verdrängt nicht das Arbeitsrecht“; Bieback in: Gagel, SGB III-Kommentar). Nur alter Urlaub ist zu nehmen. Wenn Stundenkonten regelmäßig einen Plussaldo aufweisen, zeigt dies den dauerhaften Arbeitsbedarf. Es gibt also sog. „privilegierte Arbeitszeitguthaben“ (z.B. Gleitzeitguthaben oder Guthaben, die länger als ein Jahr bestehen oder für eine Frühpensionierung), die nicht eingesetzt werden müssen (§ 96 Abs. 4 SGB III). Es müssen auch keine „Minus-Stunden“ aufgebaut werden.


Betriebsratssitzungen

Wir werden oft gefragt, wie der Betriebsrat, etwa bei (vorübergehender) Schließung des Betriebs, seine Arbeit durchführen soll. Natürlich muss die Betriebsrats-Arbeit weitergehen. Kann der Betrieb nicht betreten werden oder befinden sich Betriebtsrats-Mitglieder in Quarantäne, kann also tatsächlich keine Sitzung durchgeführt werden, muss ausnahmsweise auf Video- oder Telefonkonferenz zurückgegriffen werden. Es ist aber vorab mit dem Arbeitgeber zu klären, diese Beschlüsse durch ihn nicht anzufechten (notwendig: Regelungsabrede). Solche Beschlüsse sollten dann immer in einer späteren Präsenz-Sitzung bestätigt werden.


Aktuelle Wahlverfahren

Teilweise laufen aktuell Wahlverfahren. Ein Beschluss, „Briefwahl für alle“ ist unzulässig. Es muss immer ein Wahllokal zur persönlichen Stimmabgabe geben. Jeder WV kann natürlich z.B. durch tägliche Mails die Belegschaft auffordern, die Briefwahlunterlagen anzufordern. Lässt sich – im Einzelfall – eine ordnungsgemäße Wahl nicht mehr gewährleisten, sollte der Wahlvorstand die Wahl abbrechen (möglichst natürlich nach Abstimmung mit den Listenvertretern).


„Besondere Lage“

Da sich die Dauer und die Auswirkungen der aktuellen Krise nicht vorausahnen lassen, empfehlen wir Betriebsräten insbesondere, mit den Geschäftsführungen / Personalabteilungen einen laufenden Austausch über geplante Maßnahmen zu organisieren. Für Vieles wird auch der BR Verständnis aufbringen. Andererseits sollte nicht die Belegschaft zu stark „gebeutelt“ werden oder etwa allein die Krisenfolgen tragen.

Wir wünschen allen eine glückliche Hand und stehen für Fragen und Auskünfte, auch spontan, selbstverständlich weiter zur Verfügung.

Ihr Team von Gaidies Heggemann & Partner

Alte Entscheidungen zum „Betriebsrisiko“ (ein wenig auch zum Schmunzeln…)

  • Eine in einem Tanzlokal engagierte Tanzkapelle durfte 1934 wegen des Verbots öffentlicher „Lustbarkeiten“ (Staatstrauer nach Hindenburgs Tod) nicht auftreten. Sie behielt aber ihren Lohnanspruch. Dem Tanzlokal wohne also das besondere „betriebliche“ Risiko inne, solche Maßnahmen erdulden zu müssen, so das Reichsarbeitsgericht.
  • Das BAG (30.5.1962, AP BGB § 615 Betriebsrisiko) hat ähnliches bei einer Landestrauer wegen eines Brandunglücks in Nürnberg im Jahr 1963 entschieden.
  • Gleiches gilt bei einem Flugverbot aufgrund einer Aschewolke oder einem auf einen einzelnen Betrieb bezogenen Verbots wegen Smogalarms.
  • Wird der Betrieb aufgrund bankaufsichtsrechtlicher Maßnahmen vorüber gehend eingestellt, so trägt der Arbeitgeber das Betriebsrisiko und muss den Lohn weiterzahlen (LSG Hessen v. 20.8.2010).

Welche Schutzmaßnahmen muss/kann der Arbeitgeber gegenüber seinen Mitarbeitern ergreifen?

Der Arbeitgeber ist aufgrund seiner Fürsorgepflicht gegenüber dem Arbeitnehmer verpflichtet, geeignete Schutzvorkehrungen im Betrieb zu treffen (§§ 618, 241 Abs. 2 BGB, 3 ArbSchG). Dies betrifft z.B. das Zurverfügungstellen von Desinfektion an Toiletten und Eingängen sowie der Aufklärung zu Hand- und Nies/Husthygiene. Weitere mögliche Schutzmaßnahmen sind insbesondere: Atemschutzmasken, das Isolieren von Rückkehrern aus Risikogebieten, kleinere Arbeitsgruppen, weniger Agilität, eine aktive Informationspolitik, die Abstimmung eines Notfallprotokolls/Pandemieplans und der Verzicht auf AU-Bescheinigung bei Grippesymptomen. Die Frage welche Schutzvorkehrungen der Arbeitgeber treffen muss, bemisst sich nach der konkreten Gefährdungslage im jeweiligen Betrieb.

Die mittels des Direktionsrechtes angeordneten Schutzmaßnahmen des Arbeitgebers sollten ohne vorherige rechtliche Prüfung befolgt werden, sofern die Weisung nicht offensichtlich rechtswidrig sind (§ 106 GewO, §15 ArbSchG). Denn das Risiko, dass eine Anweisung doch wirksam gewesen ist und somit gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen wurde, trägt der Arbeitnehmer.


Hat der Betriebsrat bei Schutzmaßnahmen und Arbeitsanweisungen wegen des Corona-Virus mitzubestimmen?

Verbindliche Arbeitsanweisungen wegen des Corona-Virus können verschiedene Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates betreffen:

Regeln zum kollektiven sozialen Verhalten der Arbeitnehmer unterliegen der Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Ordnung im Betrieb (§ 87 Abs. 1 Ziffer 1 BetrVG). Dies betrifft z.B.: besondere Hygienevorschriften, Verhaltensregeln, Pandemiepläne, Verfahren zur Feststellung von Risiken.

Sofern der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen im Rahmen des Gesundheitsschutzes trifft, greift bei der Ausgestaltung das Mitbestimmungsrecht des Betriebtsrats aus § 87 Abs. 1 Ziffer 7 BetrVG. Hierunter können neben den eben genannten Maßnahmen auch die Anweisung von Arbeit in kleineren Teams oder die Anweisung, im Home-Office zu arbeiten, gehören. Kurzfristige Regelungen zum Home-Office oder die Absage von Schichten können die Lage und Verteilung der Arbeitszeit betreffen.

Der Betriebsrat kann und sollte im Rahmen dieser Mitbestimmungsmöglichkeiten Absprachen mit dem Arbeitgeber treffen und die Beschäftigten zu einem vorsichtigen Verhalten auffordern.


Darf ich eigenmächtig zuhause bleiben? Was passiert mit meinem Gehalt?

Arbeitnehmer sind grundsätzlich nicht berechtigt, aufgrund der subjektiv empfundenen Gefahr ihre Arbeitsleistung zu verweigern. Tun sie es doch, entfällt der Lohnanspruch und es folgt möglicherweise eine Abmahnung durch den Arbeitgeber.

Eine Ausnahme besteht bei einem konkreten Verdacht einer Infektion im Betrieb oder im persönlichen Umfeld, wenn es dem Arbeitnehmer dadurch nicht zumutbar ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen (§ 275 Abs. 3 BGB); dies gilt im verstärkten Maße auch für Arbeitnehmer mit Vorerkrankungen, die ein besonderes gesundheitliches Risiko bei einer Ansteckung mit dem Corona-Virus bedingen können. Dann ist der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) regelmäßig sogar verpflichtet, geeignete Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz seiner Arbeitnehmer vor Ansteckungen im Betrieb vorzunehmen. Ein Verdachtsfall liegt nach Aussage des federführenden Robert-Koch-Instituts allerdings erst vor, wenn Symptome vorliegen und zusätzlich entweder Kontakt mit einer infizierten Person bestand oder eine Reise in ein Risikogebiet unternommen wurde.



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