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2018 Ausgabe 5 / Monat Oktober

Skandalurteil zur Videoüberwachung

BAG erlaubt lange Kontrollzeiten

In dem Fall wurde der Geschäftsraum einer Lotto-Annahmestelle mit Tabak- und Zeitschriftenhandel permanent mit einer Videokamera überwacht, die Videodateien wurden über mehr als ein halbes Jahr gespeichert, eine regelmäßige Auswertung der Videos unterblieb aus Zeitgründen. Nach der Feststellung von Inventurdifferenzen wurden u.a. auch mehr als sechs Monate alten Aufzeichnungen stichprobenartig durchgeschaut. Ergebnis war die fristlose Kündigung einer 450 €-Kraft, der vom Arbeitgeber unter Hinweis auf die Aufzeichnungen Unterschlagungen von Einnahmen zur Last gelegt wurden. Der 2. Senat hält die Auswertung langfristig vorgehaltener Videoaufzeichnungen, im Gegensatz zu den Vorinstanzen, grundsätzlich für zulässig (BAG v. 23.08.2018 – 2 AZR 133/18)

Anmerkung: Die Entscheidung, die noch zum alten Datenschutzrecht ergangen ist, zeigt die Bedeutung auf, klare Löschungsfristen für solche Überwachungssysteme zu vereinbaren. Hier geht es nicht um einen vermeintliche Schutz von Dieben, sondern um die Beachtung des Persönlichkeitsrechts bei permanenter Kontrolle


Schadenersatz bei ungerechtfertigter Versetzung

Kosten müssen erstattet werden

Ein Metallbaumeister war von seinem Arbeitgeber von Südhessen in die sächsische Niederlassung versetzt worden. Er war der Versetzung zunächst gefolgt. Das Landesarbeitsgericht stellt hierzu die Rechtswidrigkeit der Versetzung fest.

In der sächsischen Niederlassung mietete der Arbeitnehmer eine Zweitwohnung für ca. 315,00 Euro monatlich. Regelmäßige Fahrten sonntags und freitags zwischen Hauptwohnsitz und Zweitwohnung fanden ebenfalls statt. Mit seiner Klage hat der Metallbaumeister von seiner Arbeitgeberin Schadensersatz gefordert. Er verlangt die Erstattung der Kosten der Zweitwohnung, der wöchentlichen Heimfahrten, die Vergütung der Fahrzeit und ein Tagegeld.

Weil eine unbillige Weisung, also hier die Versetzung, unbeachtlich ist, sprach ihm das Hessische Landesarbeitsgericht den Schadenersatz zu. Er erhielt EUR 1.887,36 Euro (Mietkosten), die Hälfte der Pendelfahrten und zusätzlich noch EUR 776 Tagegeld zugesprochen. (Hess. Landesarbeitsgericht, Urteil vom 10. November 2017 – 10 Sa 964/17)


Kein Abrunden von Urlaubstagen

eine unendliche Geschichte

Ein Abrunden von Urlaubsansprüchen kommt ohne Rechtsgrundlage nicht in Frage. Hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub, der weniger als einen halben Tag beträgt, dann bleibt ihm der bruchteilige Anspruch bis zur letzten Sekunde erhalten – so das BAG.

Das war der Fall:
Eine Fluggastkontrolleurin arbeitete an einem Flughafen im Schichtdienst. Ihr stand aus dem Jahr 2016 ein Anspruch von 28,15 Urlaubstagen zu. Der Arbeitgeber gewährte ihr nur 28 volle Tage und meinte, den Rest abrunden zu können. In der Folge weigerte er sich standhaft diesen Bruchteil zu gestatten, weswegen die Beschäftigte nun Schadenersatz für die nicht gewährten 0,15 Tage verlangt. Für die Beschäftigte gilt ein Manteltarifvertrag (MTV), der aber keine Rundungsvorschriften für Urlaubstage enthält.
Zuletzt hatte das LAG Köln zu ihren Gunsten entschieden und ihr Schadenersatz in Form von Ersatzurlaub für das Jahr 2016 zugesprochen (LAG Köln 24.5.2017 – 3 Sa 826/16). Dagegen hatte der Arbeitgeber Revision eingelegt.

Das sagt das Gericht:
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) macht definitiv Schluss mit dem Abrunden von Urlaubsansprüchen. Das eigenmächtige Abrunden des Urlaubsanspruchs durch den Arbeitgeber war unzulässig. Der Arbeitnehmerin stand ein Gesamtanspruch von 28,15 Urlaubstagen zu. Das zugrunde liegende Urteil des LAG Köln war demnach richtig.
Das BAG verweist auf seine bisherige Rechtsprechung zur Frage der Rundung von Urlaubsansprüchen. Hiernach kommt eine Rundung von Bruchteilen von Urlaubstagen ohne Rechtsgrundlage nicht in Betracht. Eine auf die Situation anwendbare Rundungsvorschrift ist weder im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) noch in dem hier geltenden MTV enthalten. Aus diesem Grund darf der bruchteilige Urlaubsanspruch der Klägerin nicht abgerundet werden, so das BAG.

Das ist zu beachten:
Damit gilt nun: Sowohl für das Auf- als auch für das Abrunden muss es eine Rechtsgrundlage geben, entweder aus dem Gesetz oder einem Tarifvertrag. Das BUrlG hält ein Abrunden in wenigen Fällen für zulässig, wenn der Arbeitnehmer nur einen Teilurlaubsanspruch erworben hat (§ 5 Abs. 1 BUrlG). Ein Aufrunden sieht das BUrlG nur von halben auf volle Urlaubstage vor (§ 5 Abs. 2 BUrlG). Diese Vorschrift gilt nur für den gesetzlichen Mindesturlaub. Allerdings kann der jeweils für das Arbeitsverhältnis geltende Tarifvertrag eine weitergehende Regelung für den tariflichen Mehrurlaub und bruchteilige Urlaubstage enthalten. (BAG, Urteil vom 23.1.2018 – 9 AZR 200/17)


Bezahlung von Umkleidezeiten – auch wenn der TV dagegen spricht

Bundesarbeitsgericht stellt für „auffällige Dienstkleidung“ klar

Der Fall spielt im Bereich der Geld- und Werttransporte. Laut Manteltarifvertrag sind die Arbeitgeber zur kostenlosen Gestellung von Dienstkleidung und die Arbeitnehmer zur Nutzung derselben verpflichtet. Das Tragen der Dienstkleidung außerhalb der Arbeitszeit ist nur nach vorheriger Genehmigung des Arbeitgebers erlaubt. Explizite Regelungen zur Vergütungspflicht für Umkleidezeiten sind weder im Arbeitsvertrag noch in den Tarifverträgen enthalten. Dort finden sich lediglich generelle Bestimmungen zu Arbeitsort und Dienstbeginn. Die Klägerin trägt während der Arbeit Sicherheitsschuhe und ein schwarzes Poloshirt, das vorne und hinten mit einem großen gelben Firmenlogo bedruckt ist. Sie kleidet sich im Betrieb um. Sie ist der Ansicht, das Umkleiden am Arbeitsort sei als Arbeitszeit zu vergüten. Sie erhob Klage auf Vergütung ihrer bisherigen Umkleidezeiten.

Das Bundesarbeitsgericht gab ihr Recht. Das An- und Ablegen einer besonders auffälligen Dienstkleidung ist eine nach § 611 I BGB vergütungspflichtige Arbeit, sofern der Arbeitnehmer dabei ausschließlich fremdnützig handelt. Das war bei der Klägerin der Fall. Ihre Dienstkleidung war besonders auffällig, da der Schriftzug des Unternehmens auf der Kleidung deutlich erkennbar sei. Zudem sei sie zum Tragen der Dienstkleidung verpflichtet gewesen und tue dies ausschließlich auf Weisung und im Interesse des Arbeitgebers und damit fremdnützig. Weder der Arbeitsvertrag noch die einschlägigen tariflichen Regelungen enthielten Klauseln, die eine Vergütung für das Umkleiden ausdrücklich ausschließen. Sie enthielten auch keine klaren Vorgaben zu Beginn und Ende der Arbeitszeit. Vielmehr sah der Tarifvertrag vor, dass der Dienst „mit der Aufnahme der Tätigkeit gemäß Dienstanweisung“ beginne und ende. Das ließ nach Ansicht des BAG die Auslegung zu, die Umkleidezeit sei vergütungspflichtige Dienstzeit (BAG, Urteil vom 25.04.2018 – 5 AZR 245/17).


BR-Widerspruch per E-Mail ausreichend

Textform ist laut BAG gewahrt

„Die E-Mails genügen dem in § 99 BetrVG vorgesehenen Schriftlichkeitsgebot. Zu dessen Wahrung bedarf es nicht der Schriftform des § 126 BGB. Es genügt die Einhaltung der Textform des § 126b BGB. Deren Anforderungen werden die E-Mails gerecht. Sie enthalten den Namen des handelnden Betriebsratsvorsitzenden; der Abschluss der Erklärung ist durch eine Grußformel und die Angabe des Namens eindeutig kenntlich gemacht“, so das BAG zur generellen Frage der Formvorschrift.

Fehlende Information kann nachgeholt werden


Auf den Umstand, dass die Unterrichtung zunächst unzureichend war, geht das BAG auch ein. Der Betriebsrat konnte in dem Fall ohne Angabe der Berufsjahresstufe nicht beurteilen, ob die Zuordnung des Arbeitnehmers gegen den Tarifvertrag verstößt. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats umfasst auch die Einreihung in die zutreffende, auch Beschäftigungszeiten oder Lebensaltersstufen berücksichtigende Vergütungs- und Fallgruppe. Allerdings hat die Arbeitgeberin die zunächst unzureichende Unterrichtung jedenfalls mit der im vorliegenden Beschlussverfahren im Schriftsatz nachgeholt. In Fällen, in denen der Betriebsrat auf eine unvollständige Unterrichtung hin seine Zustimmung verweigert hat, kann der Arbeitgeber auch noch im Zustimmungsersetzungsverfahren die fehlenden Informationen nachholen, sofern für den Betriebsrat erkennbar ist, dass der Arbeitgeber die Informationen auch deswegen vervollständigt, weil er seiner ggf. noch nicht vollständig erfüllten Unterrichtungspflicht aus § 99 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BetrVG nachkommen möchte. (Bundesarbeitsgericht vom 21.3.2018, 7 ABR 38/16)



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