Schluss mit der Neiddebatte
Die Vergütung von Betriebsräten führt immer wieder zu Diskussionen. Dabei erfolgt sie keineswegs willkürlich. Für die große Mehrheit der Betriebsräte ist die Sache klar: Sie wenden einen Teil ihrer Arbeitszeit für den – ehrenamtlichen – Job als Arbeitnehmervertreter auf, an ihrer Bezahlung ändert sich durch die Betriebsratsarbeit nichts. Debatten über die korrekte Vergütung der Belegschaftsvertreter entzünden sich regelmäßig am Beispiel der relativ kleinen Gruppe der „Freigestellten“, die mit ihrer kompletten Arbeitszeit im Dienste der Mitbestimmung tätig sind. Ein Juraprofessor klärt auf:
Einige der Freigestellten verdienen recht gut, was zuweilen auf Unverständnis stößt und für Unmut sorgt. Doch auch hohe Vergütungen können „nicht nur gerechtfertigt, sondern zwingend geboten“ sein, erläutert der Regensburger Juraprofessor Georg Annuß in einer Analyse. Um die Diskussion zu versachlichen und „einer Neiddebatte entgegenzuwirken“, müsse man sich im Detail mit den gesetzlichen Vorgaben auseinandersetzen, so der Rechtswissenschaftler.
Weder Benachteiligung, noch Begünstigung
Im Betriebsverfassungsgesetz wird zunächst darauf verwiesen, dass Betriebsrat ein unbezahltes Ehrenamt sei. Dies bedeutet nicht, dass freigestellte Betriebsräte kein Geld bekommen, sondern nur, dass ihre Bezahlung unabhängig von ihrer Tätigkeit als Arbeitnehmervertreter sein soll. Sie müssen denselben Lohn bekommen wie ohne das Ehrenamt. Ausdrücklich ist zudem geregelt, dass Betriebsräte weder benachteiligt noch begünstigt werden dürfen. Arbeitgeber dürfen sie nicht schlechter bezahlen als „vergleichbare Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung“. Der Lohn darf aber eben auch nicht beliebig hoch ausfallen, sonst läge der Verdacht der Begünstigung nahe.
„hypothetische Karriereentwicklung“
Praktisch geht es im Fall freigestellter Betriebsräte daher um die Frage: Welche Vergütung bekämen sie, wenn sie nicht für die Arbeitnehmervertretung kandidiert, sondern ihre Karriere an anderer Stelle im Unternehmen fortgesetzt hätten? Das ist natürlich nicht immer leicht zu beantworten, erklärt Annuß. Vielleicht existiert die Abteilung gar nicht mehr, in der ein Betriebsrat vor seiner Wahl zum Belegschaftsvertreter gearbeitet hat. Dann gibt es auch keine Kollegen, die man zum direkten Vergleich heranziehen kann. Ohne exakt vergleichbare Personen muss eine „hypothetische Karriereentwicklung“ als Maßstab dienen. Dafür können nicht einfach Durchschnittswerte irgendwelcher Beschäftigtengruppen genutzt werden, so Annuß. Vielmehr sei zu berücksichtigen, dass „es für leistungsstarke und leistungswillige Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist, dass sie auch solche Karrieremöglichkeiten realisieren, die jenseits ausgetretener Pfade liegen“. Sprich: Die Verdienstmöglichkeiten eines qualifizierten und engagierten Betriebsrats sind nicht automatisch an die Standardkarrieren im Unternehmen gekoppelt. Wer es auf die Spitzenplätze in der Arbeitnehmervertretung großer Konzerne schaffe, dem seien auch „außerordentliche Karrieren jenseits der Betriebsratsstrukturen“ zuzutrauen.
Zwei Faktoren begrenzen die möglichen Bezüge dabei jedoch: Erstens können sich Betriebsräte nicht auf hypothetische Karrieren berufen, die vollkommen unmöglich wären. Und zweitens darf nicht die Betriebsratsarbeit selbst zur Begründung der Vergütung herangezogen werden – etwa weil sie faktisch mit einer Managementaufgabe vergleichbar sei. Persönliche Weiterentwicklung und im Betriebsrat erworbene Zusatzqualifikationen sind aber durchaus relevant. (Quelle: Georg Annuß: Das System der Betriebsratsvergütung, NZA 3/2018)
Benachteiligung ist das Problem, nicht Bevorzugung
Der Jurist Thomas Klebe, Leiter des HSI der Hans-Böckler-Stiftung, plädiert für eine Neuregelung der Betriebsratsvergütung.
Was ist an den bestehenden Regeln auszusetzen? Der Hinweis auf vergleichbare Arbeitnehmer sollte ursprünglich vor Benachteiligung schützen, es sollte ein Schutz nach unten sein. Tatsächlich wirkt die Regelung in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts heute aber als eine Begrenzung nach oben.
Inwiefern? Bei jedem anderen Beschäftigten werden die gestiegenen Anforderungen an die Arbeit und die wahrgenommene Verantwortung bei der Eingruppierung und damit der Vergütung berücksichtigt, nur bei Betriebsräten nicht. Dies ist das wahre Problem bei der Bezahlung von Betriebsräten.
Sollten Betriebsräte also direkt für die Betriebsratsarbeit bezahlt werden?
Eine Kommission aus Betriebsräten und Gewerkschaftern hat einen Vorschlag zur Ergänzung der entsprechenden Passage im Betriebsverfassungsgesetz ausgearbeitet. Darin heißt es, bei der Vergütung seien „außerdem die zur Wahrnehmung der Betriebsratstätigkeit erworbenen Qualifikationen und Erfahrungen wie auch die auf Dauer wahrgenommenen Aufgaben zu berücksichtigen“. Das würde eine faire Bezahlung ermöglichen und einen für Beschäftigte wie Arbeitgeber unwürdigen Zustand beenden, in dem es zu Verdächtigungen und teilweise sogar Ermittlungen gegen Betriebsräte kommt – was eine gesellschaftlich wichtige Aufgabe diskreditiert.