LAG Hamburg stärkt Betriebsratsrechte

Die Arbeitgeberin betreibt bundesweit durch verschiedene Tochtergesellschaften Lichtspieltheater. Der Gesamtbetriebsrat ist allein für die Kinobetriebe der Tochtergesellschaften der Arbeitgeberin gebildet. Die Arbeitgeberin unterhält einen Twitter-Account. Der Account ist keinem Lichtspieltheater zugeordnet und wird unternehmensübergreifend für die Kinobetrieb genutzt. Die Verwaltung des Accounts erfolgt durch eigene Mitarbeiter der Arbeitgeberin in der Zentralverwaltung durch ein Social Media Team.
Nach Veröffentlichung der BAG-Entscheidung vom 13.12.2016, 1 ABR 7/15 zur betrieblichen Mitbestimmung bei Facebook fasste der Gesamtbetriebsrat in seiner Sitzung am 6./7.1.2017 den Beschluss, das Beschlussverfahren wegen der Deaktivierung des Twitter-Accounts der Arbeitgeberin einzuleiten. Er ist der Auffassung, es läge ein Mitbestimmungsrecht zum Betreiben des Twitter-Accounts vor. Die Arbeitgeberin lehnte die Deaktivierung ab. Der Antrag des Gesamtbetriebsrats auf Unterlassung des Betreibens des Twitter-Accounts, solange nicht seine Zustimmung oder eine die Zustimmung ersetzende Entscheidung der Einigungsstelle vorliegt, hatte vor dem Arbeitsgericht keinen Erfolg. Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte vor dem LAG Erfolg. Die Rechtsbeschwerde wurde zugelassen.
Die Gründe:
Der Unterlassungsanspruch des Betriebsrats folgt aus § 87 Abs. 1 BetrVG, denn die Arbeitgeberin hat das Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG verletzt, indem sie für ihre Kinobetriebe einen Twitter-Account eingerichtet und genutzt hat. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat u.a. mitzubestimmen bei der Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Das Mitbestimmungsrecht ist darauf gerichtet, Arbeitnehmer vor Beeinträchtigungen ihres Persönlichkeitsrechts durch den Einsatz technischer Überwachungseinrichtungen zu bewahren, die nicht durch schutzwerte Belange des Arbeitgebers gerechtfertigt und unverhältnismäßig sind.
Twitter ist „technische Einrichtung“
Auf Basis dieser Rechtsgrundsätze ist Twitter mit seinen vorgegebenen Funktionen eine technische Einrichtung i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Durch die Eröffnung und Nutzung des Twitter-Accounts hat die Arbeitgeberin die technische Einrichtung eingeführt und wendet sie an. Twitter beinhaltet u.a. die Antwort-Funktion, die, anders als die Besuchereinträge bei Facebook, von den Nutzern nicht deaktiviert werden kann. Die Antwort-Funktion ermöglicht den Twitter-Nutzern, auf die Tweets der Arbeitgeberin Antworten zum Verhalten und zur Leistung der Arbeitnehmer auf Twitter einzustellen. Diese Antworten sind sowohl für die Arbeitgeberin als auch für die Nutzer sichtbar. Je nach dem Inhalt der Antwort kann die Arbeitgeberin diese namentlich und situationsbedingt einem bestimmten Arbeitnehmer zuordnen und zur Verhaltens- und Leistungskontrolle verwenden.
Der Umstand, dass es sich dabei um Antworten auf Tweets der Arbeitgeberin handelt, mithin um reaktive Beträge, rechtfertigt keine andere Bewertung. Das Mitbestimmungsrecht setzt nicht voraus, dass die technische Einrichtung auf die Überwachung der Leistung und des Verhaltens der Arbeitnehmer ausgerichtet ist oder dass der Arbeitgeber eine solche beabsichtigt. Überwachung i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist bereits das Sammeln von Daten, die Aussagen zum Verhalten der Arbeitnehmer beinhalten. Ob die Arbeitgeberin eine Auswertung und weitere Verarbeitung der Daten beabsichtigt, ist unerheblich. Es genügt, dass eine Beurteilung ermöglicht wird. Twitter ist daher zumindest aufgrund der Antwort-Funktion eine technische Einrichtung, die dazu geeignet ist, Daten über das Verhalten und die Leistung der Arbeitnehmer zu sammeln. Mit der Nutzung eines eigenen Twitter-Accounts als Kommunikationsmittel bietet die Arbeitgeberin ihren Kunden gezielt eine Plattform, sich über ihre Unternehmen und ihre Mitarbeiter ihr gegenüber öffentlich zu äußern.
Dass die Antworten auf Tweets der Arbeitgeberin auf den Accounts der Antwortenden verbleiben und von der Arbeitgeberin nicht gelöscht werden können, rechtfertigt ebenso keine andere Bewertung. Der Speicherort ist für die Frage des Schutzzwecks unerheblich. Es ist vielmehr die Frage, für wen die Nachrichten einsehbar sind. Dass die Antworten nicht gelöscht werden können erhöht zudem eher noch den Überwachungsdruck. (LAG Hamburg 13.9.2018, 2 TaBV 5/18)