BAG Urteil liegt vor
In dem Fall ging es um einen Bauinspektor, der von seinem Arbeitgeber nach China geschickt wurde und nun für die gesamte Reisezeit (insgesamt 37 Stunden) eine Vergütung von 1.661,30 Euro brutto verlangte. Er hatte allerdings auf eigenen Wunsch für die Hin- und Rückreise statt eines Direktflugs in der Economy-Class einen Flug in der Business-Class mit Zwischenstopp in Dubai gebucht. Die Arbeitgeberin zahlte für die Tage, an denen die Reisen nach China stattfanden, lediglich eine Vergütung für die reguläre Arbeitszeit von acht Stunden.
Umwege sind nicht zu vergüten
Die Reisezeit ist Arbeitszeit, entschieden die Richter des BAG. Das Gericht entschied aber auch, dass Umwege nicht vergütet werden. Das heißt, der Vergütungsanspruch besteht nur für die eigentliche (kürzere) Reisezeit, nicht aber für einen Zwischenstopp. „Erforderlich ist dabei grundsätzlich die Reisezeit, die bei einem Flug in der Economy-Class anfällt“, so das Gericht. In der Begründung heißt es: „Reisen, die wegen einer vorübergehenden Entsendung zur Arbeit ins Ausland erforderlich sind, sind fremdnützig und damit jedenfalls dann Arbeit im vergütungsrechtlichen Sinn, wenn sie – wie im Streitfall – ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers erfolgen und in untrennbarem Zusammenhang mit der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung stehen.“ Gemeint ist also: Muss auf Anordnung des Arbeitgebers im Ausland eine Tätigkeit geleistet werden (ausschließlich dienstliche Reise), müssen die Reisestunden bezahlt bzw. gutgeschrieben werden.
Auswirkungen auf Arbeitszeitgesetz
Ausdrücklich behandelt das BAG auch die Frage zur Auswirkung auf das Arbeitszeitgesetz: Es ist „unerheblich für die Vergütungspflicht von Reisezeiten“, wie diese nach Arbeitszeitrecht einzuordnen sind. „Die Herausnahme bestimmter Zeiten aus der Arbeitszeit muss nicht die Vergütungspflicht ausschließen.“ Einfach ausgedrückt: Wie die Zeiten nach Arbeitszeitgesetz gewertet werden (aktives Fahrzeuglenken oder passiver Fluggast) spielt für den Anspruch auf Bezahlung keine Rolle.
Auch der Weg zum Flughafen?
Auch mit den Zeiten, wie dem Weg zum Flughafen oder zurück nach Haus setzt sich das Urteil auseinander. „Neben den eigentlichen Beförderungszeiten gehört zur erforderlichen Reisezeit auch der mit der Beförderung zwingend einhergehende weitere Zeitaufwand. Bei Flugreisen sind das etwa die Wegezeiten zum und vom Flughafen sowie die Zeiten für Einchecken und Gepäckausgabe.“ Ob dabei Wegezeiten anzurechnen sind, die der Kläger erspart hat, weil er ohne die Reise Wege von der Wohnung zum Arbeitsplatz und zurück hätte zurücklegen müssen, konnte das BAG nicht entscheiden, weil hierzu kein Vortrag vorlag. Ausdrücklich nicht dazu gehört allerdings das Kofferpacken und Duschen, die der Kläger auch geltend gemacht hatte.
Auch Überstundenzuschläge?
Zu eventuellen Überstundenzuschlägen musste sich das Gericht nicht äußern. Der Kläger hatte solche zwar noch in der ersten Instanz gefordert, sich aber im weiteren Verlauf nur auf die Reisestunden konzentriert.
Kann eine BV dagegenstehen?
Das BAG stellte im konkreten Fall fest, dass abweichende Regelung im Arbeits- oder Entsendevertrag nicht vorlagen. Eine Betriebsvereinbarung gab es für diesen Fall nicht.
Wie ist nun mit bestehenden BVen umzugehen, die z.B. die Anrechnung/Vergütung von Reisezeiten regeln (z.B. max. 4 Stunden über die übliche Tagesarbeitszeit hinaus)? Zu empfehlen ist, solche Betriebsvereinbarungen vorsorglich fristgerecht zu kündigen und die neuen Grundsätze der Rechtsprechung aufzunehmen. Es handelt sich hier um individualrechtliche Ansprüche der Beschäftigten (aus § 611 BGB), die nicht durch eine entgegen stehende Betriebsvereinbarung verkürzt werden dürfen