Wieder einmal muss es der EuGH „richten“

In dem Fall, der dem Europäischen Gerichtshof vorlag, ging es um einen ungarischen Lokführer. Für ihn galt laut Tarifvertrag eine wöchentliche Mindestruhezeit von 42 Stunden – also weit mehr als die EU-rechtlich vorgegebenen 24 Stunden. Das nahm die Arbeitgeberin zum Anlass, um dem Lokführer in bestimmten Fällen seine tägliche elfstündige Ruhezeit zu versagen. Diese gewährte sie ihm nämlich dann nicht, wenn sie der wöchentlichen Ruhezeit (oder auch Urlaubstagen) unmittelbar vorausging oder nachfolgte. Das Argument der Arbeitgeberin: Weil die wöchentliche Ruhezeit weit über den EU-rechtlich vorgegebenen 24 Stunden liegt, sei mit ihr in einem solchen Fall dann auch die tägliche Ruhezeit von elf Stunden gleich mit abgegolten – die tägliche Ruhezeit sei dann also Teil der wöchentlichen Ruhezeit.

Dagegen klagte der Lokführer vor einem ungarischen Gericht. Dieses wandte sich mit dem Fall an den EuGH. Der EuGH stellte klar: Die tägliche Ruhezeit ist nicht Teil der wöchentlichen Ruhezeit. Sie ist vielmehr zusätzlich zu gewähren, auch wenn sie der wöchentlichen Ruhezeit unmittelbar vorausgeht oder nachfolgt. Das gilt auch dann, wenn die wöchentliche Ruhezeit länger ist als von der Arbeitszeitrichtlinie vorgegeben. Eine günstigere Regelung zur wöchentlichen Ruhezeit schmälert nicht das Recht auf die tägliche Mindestruhezeit. 

Beide Ruhezeiten verfolgen laut EuGH teils unterschiedliche Ziele. Die tägliche Ruhezeit ermöglicht es Beschäftigten, sich für eine bestimmte Anzahl von Stunden aus ihrer Arbeitsumgebung zurückziehen. Die wöchentliche Ruhezeit ermöglicht es, sich pro Siebentageszeitraum auszuruhen. Folglich ist den Beschäftigten die tatsächliche Inanspruchnahme beider Rechte zu gewährleisten. Dies bedeutet, dass sich beide Ruhezeiten nicht überschneiden dürfen. Sie folgen vielmehr nacheinander. (EuGH v. 02.03.2023 Az. C-477/21)

 

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