Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellt klar, dass zwar grundsätzlich ein Abstand zur höchsten Tarifgruppe gewahrt werden muss, jedoch, wenn die Tarifvertragsparteien keinen bestimmten prozentualen Abstand festgelegt haben, ein „geringfügig höheres Gehalt“ für die Status- und Vergütungsregelung eines außertariflichen Angestellten ausreicht.
Im vorliegenden Fall klagte ein Mitglied der IG Metall, das seit 2013 als Entwicklungsingenieur in einem Unternehmen tätig war und seit Juni 2022 ein monatliches Bruttogehalt von 8.212 Euro auf Basis eines „außertariflichen“ Arbeitsvertrags erhielt. Das Entgelt in der höchsten tariflichen Entgeltgruppe betrug 8.210,64 Euro brutto, basierend auf 40 Wochenstunden.
In diesem Unternehmen gelten die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens. Die Tarifregelungen sehen vor, dass Beschäftigte, deren „geldwerte materielle Arbeitsbedingungen unter Berücksichtigung einer individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 40 Stunden in einer Gesamtschau die höchste tarifliche Entgeltgruppe regelmäßig überschreiten“, von der Tarifbindung ausgenommen sind.
Der Ingenieur argumentierte, dass ein solches „Überschreiten“ nur dann angenommen werden könne, wenn sein Gehalt 23,45% über dem der höchsten Tarifgruppe liege, was in seinem Fall einem Bruttogehalt von 10.136,03 Euro entsprechen würde. Da sein Gehalt jedoch lediglich 8.212,- Euro betrug, verlangte er, dass ihm das Unternehmen die Differenz nachzahlen müsse.
Das BAG wies die Klage jedoch in allen Instanzen ab. Die tariflichen Bestimmungen im Streitfall verlangten, dass die „geldwerten materiellen Arbeitsbedingungen“ die höchste Tarifentgeltgruppe „regelmäßig überschreiten“, was bei dem Ingenieur der Fall war. Da die Tarifparteien keinen spezifischen prozentualen Abstand definiert hatten, genügt laut BAG jedes Überschreiten des höchsten Tarifentgelts, auch ein geringfügiges.
Das BAG betonte, dass eine ergänzende Auslegung des Tarifvertrags, wie sie der Ingenieur anstrebte, nicht zulässig sei. Wenn die Tarifparteien einen bestimmten Abstand zwischen dem höchsten Tarifentgelt und dem Entgelt außertariflicher Angestellter wünschen, müssten sie eine entsprechende Abstandsklausel klar und deutlich im Tarifvertrag verankern. Die Tarifautonomie, garantiert durch Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes, verbietet es den Gerichten, tarifliche Bestimmungen zu „verbessern“ oder anzupassen. (BAG, Urteil vom 23.10.2024 – 5 AZR 82/24)
Anmerkung: Diese Entscheidung sorgt unter Juristen und Praktikern für Erstaunen. Was allgemein als selbstverständlich angesehen wird – nämlich ein erheblicher Abstand im außertariflichen Bereich – wird von den Richtern formell anders bewertet. Die Tarifparteien müssen sich dieser Klarstellung bewusst sein.
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