Arbeitgeber muss sich Geschlechterdiskriminierung durch 

Kundin zurechnen lassen

In dem Rechtsstreit ging es um die Frage, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, an seine (ehemalige) Mitarbeiterin eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG aufgrund einer Benachteiligung wegen des Geschlechts zu zahlen.

Die Klägerin arbeitete als Architektin in einem Unternehmen, das Bauleistungen anbot, zuletzt dort als Vertriebsmitarbeiterin. Eine Kundin, die das Unternehmen als Bauinteressentin zur Verwirklichung eines Bauvorhabens kontaktiert hatte, sprach sich gegen die Architektin aus – sie bevorzuge einen Mann als Berater.  

Daraufhin wurde der Vorgesetzte der Architektin, der Regionalleiter, als Kundenbetreuer der Bauinteressentin eingesetzt. Die Architektin sah darin eine schadensersatzpflichtige Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), insbesondere eine Benachteiligung gemäß § 12 Abs. 4 AGG. Der Arbeitgeber habe es versäumt, nach der Äußerung der Bauinteressentin alle geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zu ergreifen, um der Benachteiligung entgegenzuwirken. 

Das sagt das Gericht

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg stellt klar, dass zwar die Ablehnung der Architektin als Beraterin durch die Bauinteressentin zunächst nicht im Wirkungsbereich des Arbeitgebers liege. Die Zuweisung des Regionalleiters als neuer Berater sei dem Arbeitgeber jedoch als eigene Benachteiligung zurechenbar. Denn dieser hätte mehrere Reaktionsmöglichkeiten auf das diskriminierende Verhalten seiner Kundin – der Bauinteressentin – gehabt, um seine Arbeitnehmerin – die Architektin und Kundenbetreuerin – zu schützen und so den Schutzpflichten gemäß § 12 Abs. 4 AGG nachzukommen.

Maßnahmen des Arbeitgebers erforderlich

Nur wenn die geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zum Schutz gegen eine Benachteiligung durch Dritte nach § 7 Abs. 1 AGG nicht fruchteten, hätte eine eigene benachteiligende Handlung des Arbeitgebers ausgeschlossen werden können. Solche Maßnahmen sind jedoch ausgeblieben.

Arbeitgeber hätte einschreiten müssen

Das Gericht stellt klar, dass seitens des Arbeitgebers der Versuch einer gütlichen Lösung erforderlich gewesen wäre, um der Kundin die Kompetenz der Beraterin näherzubringen. Die Einsetzung eines anderen Mitarbeiters sei gerade keine Maßnahme i.S.d. § 12 Abs. 4 AGG. Der Architektin wurde die Möglichkeit genommen, durch Betreuung der Bauinteressentin zum einen ihr berufliches Können unter Beweis zu stellen und zum anderen daraus eine nicht unerhebliche Provisionschance zu verwirklichen, so das LAG. Jedenfalls sei im Vorfeld jeder Versuch unterblieben, die Kundin umzustimmen und deutlich zu machen, dass das diskriminierende Verhalten missbilligt werde.  Die Klägerin hat die unmittelbare Benachteiligung i.S.v. § 3 Abs. 1 AGG auch wegen ihres Geschlechts erfahren, da die Kundin ausdrücklich nach einem Mann für die Betreuung ihres Projekts gefragt hatte. Das Verhalten der Beklagten ist laut LAG nicht gerechtfertigt. Eine Rechtfertigung nach § 8 AGG scheide aus. 

Entschädigung?

Als Entschädigung erachtete das LAG 1.500 Euro als angemessen. Gefordert waren 84.300 Euro – nach Auffassung des Berufungsgerichts war diese Forderung überzogen und nicht mit den besonderen Umständen des Einzelfalls begründet. LAG Baden-Württemberg v. 20.11.2024 – Aktenzeichen 10 Sa 13/24