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Schlagwort-Archiv: Arbeitsunfall

Herzinfarkt nach Streit mit Chef – ein Arbeitsunfall?

Das Bundessozialgericht sagt ja

Das Bundessozialgericht entschied kürzlich (Az.: B 2 U 15/19 R), dass nicht nur ungewöhnliche Extremsituationen einen Arbeitsunfall darstellen können. Auch alltägliche Vorgänge wie eine intensive Auseinandersetzung mit dem Vorgesetzten im Büro, die unschön, unharmonisch und frostig endete, können bei dadurch verursachten Gesundheitsschäden ein „von außen auf den Körper wirkendes Ereignisse“ sein, die die Haftung des Unfallversicherers auslösen können.

Ein „alltäglicher“ Vorgang

Eine Bankmitarbeiterin gibt an, einen anstrengenden Tag gehabt zu haben. Sie hatte dann eine Auseinandersetzung mit dem stellvertretenden Filialleiter. Es ging um das weitere Vorgehen, nachdem eine Kassendifferenz nach Geschäftsschluss festgestellt worden war. Sie trat unter anderem für einen Kollegen ein. In der Folge kehrte sie zu ihrem Schreibtisch zurück und kollabierte dort auf dem Stuhl sitzend mit einem Herzstillstand (so ihr Vortrag). Sie wurde reanimiert und ihr wurde später ein Defibrillator implantiert.

Der Unfallversicherer weigerte sich, das Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen. Er begründete dies damit, dass ein Herzinfarkt bei der üblichen Arbeit kein „Unfall“ sei. Die Mitarbeiterin klagte auf Anerkennung als Arbeitsunfall und verlor in den ersten beiden Instanzen vor den Sozialgerichten. Der stellvertretende Filialleiter sagte als Zeuge bei Gericht aus und bestätigte den Austausch inhaltlich unterschiedlicher Standpunkte und auch, dass das Gespräch „unschön, unharmonisch und frostig“ geendet habe. Dies sei aber Alltagsgeschäft gewesen. Neben diesem Argument stellten die Richter der zweiten Instanz darauf ab, dass ein „Unfall“ eine Extremsituation erfordere, die hier nicht vorgelegen habe: Verbale Differenzen und das Verhalten von Menschen, über das man sich in hohem Grade aufregen könne, seien überall anzutreffen. Wie stark die Reaktion auf Herausforderungen sei, hänge von dem jeweiligen Temperament des Betroffenen ab. Der plötzliche Herztod werde außerdem als kardialer Tod „aus vollem Wohlbefinden“ definiert und nur in 1,7 Prozent seien psychische Belastungen Todesursache. Die Mitarbeiterin ging in Revision.

Definition Unfall

Das Bundessozialgericht entschied, die Vorinstanz sei von einem falschen Unfallbegriff ausgegangen. Arbeitsunfälle seien bei betrieblichem Bezug zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Hierfür sei gerade nicht erforderlich, dass es sich um ein besonderes, ungewöhnliches oder gar „extremes“ Geschehen handele. Auch alltägliche Vorgänge können ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis sein. Für diese Einwirkung genügen bei Änderung des physiologischen Körperzustands bloße Sinneswahrnehmungen (Sehen, Hören, Schmecken, Ertasten, Riechen).

Bei dieser Definition könne auch das intensive Gespräch zwischen der Bankmitarbeiterin und ihrem Vorgesetzten mit unterschiedlichen Auffassungen und einem unschönen, unharmonischen und frostigen Ende ein solches Unfallereignis durch optische und akustisches Einwirken auf die Mitarbeiterin sein, selbst wenn es zuvor sachlich und in angemessenem Ton geführt wurde. Die Wahrnehmungen der Äußerungen wirkten auf den Körper der Klägerin ein, es sei unstreitig, dass die Mitarbeiterin psychisch erregt gewesen sei.


„Arbeitsunfall“ im Home Office

Welche Fälle sind versichert?

Nach alter Rechtslage gab es immer wieder Probleme wie diese: Eine Arbeitnehmerin stürzt auf dem Weg zu ihrem Home-Office auf der häuslichen Treppe. Der Unfallversicherungsträger lehnt die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, weil auf Treppen zwischen privat und geschäftlich genutzten Räumen kein Versicherungsschutz besteht. Der Gesetzgeber hat nun reagiert. Nach dem neuen § 8 Abs. 1 Satz 3 SGB VII besteht im Home office im selben Umfang unfallversicherungsrechtlicher Schutz wie in der Betriebsstätte.

Zudem gilt gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2a SGB VII als versicherte Tätigkeit auch ein Unfall auf dem Weg zur Betreuungsstätte des Kindes, sofern von Zuhause aus gearbeitet wird.

 


Arbeitsunfälle von Fremdpersonal

Betriebsrat muss unterrichtet werden

In dem vom BAG entschiedenen Fall erbringt die Arbeitgeberin Zustelldienste. Auf ihrem Betriebsgelände sind im Rahmen von Werkverträgen auch Arbeitnehmer anderer Unternehmen tätig. Nachdem sich zwei dieser Arbeitnehmer bei der Beladung von Paletten infolge wegrutschender Überladebleche verletzten, hat der Betriebsrat von der Arbeitgeberin die Vorlage von Kopien der Unfallanzeigen erbeten. Zudem will er künftig über entsprechende Arbeitsunfälle des Fremdpersonals informiert werden. Außerdem verlangt er, ihm jeweils die Unfallanzeigen zur Gegenzeichnung vorzulegen und in Kopie auszuhändigen.

Wie zuvor schon das ArbG, hat auch das LAG Baden-Württemberg die darauf gerichteten Anträge des Betriebsrats abgewiesen. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hatte vor dem BAG teilweise Erfolg:

Nach § 89 Abs. 2 BetrVG muss der Betriebsrat von der Arbeitgeberin bei allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz und der Unfallverhütung stehenden Fragen hinzugezogen werden. Hiermit korrespondiert ein entsprechender Auskunftsanspruch des Betriebsrats. Dieser umfasst im Streitfall auch Unfälle, die Arbeitnehmer erleiden, die weder bei der Arbeitgeberin angestellt, noch deren Leiharbeitnehmer sind. Aus den Arbeitsunfällen des Fremdpersonals können arbeitsschutzrelevante Erkenntnisse für die betriebszugehörigen Arbeitnehmer, für die der Betriebsrat zuständig ist, gewonnen werden. Die auf die Unfallanzeigen bezogenen Begehren des Betriebsrats waren dagegen nicht erfolgreich (BAG, Beschluss v. 12.03.2019 – 1 ABR 48/17)


Einsteigen in eigene Wohnung ist kein Arbeitsunfall

Autoschlüssel vergessen

Unfälle auf dem Weg zur und von der Arbeit beschäftigen oft die Gerichte. Ist der dienstliche Zusammenhang gegeben, liegt ein Arbeitsunfall vor. Stürzt allerdings ein Arbeitnehmer beim Versuch, in seine Wohnung einzusteigen, um den für dienstliche Fahrten nötigen Autoschlüssel zu holen, so ist es kein Arbeitsunfall. Hier überwiege das private Interesse – so das LSG Baden-Württemberg.

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