BAG verbietet Sitzungsteilnahme von Freigestellten bei Krankheit

In dem Fall hatte sich ein freigestelltes BR-Mitglied von einem Arzt bestätigen lassen, trotz Arbeitsunfähigkeit jedenfalls für 45 Minuten an einer Sitzung teilnehmen zu können.
Das Gericht dazu ausdrücklich für Freigestellte klar: Eine Arbeitsunfähigkeit ist nach der „ausgeübten“ Tätigkeit zu bewerten.
„Eine Verhinderung im Sinne (hier: im Sinne des § 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG) liegt vor, wenn der Betriebsratsvorsitzende aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht in der Lage ist, sein Amt auszuüben Für den Begriff der „Arbeitsunfähigkeit“ ist eine vom Arzt nach objektiven Maßstäben vorzunehmende Bewertung des Gesundheitszustands maßgebend. Die Arbeitsfähigkeit beurteilt sich grundsätzlich nach der vom Arbeitnehmer arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung, wie sie der Arbeitgeber ohne die Arbeitsunfähigkeit als vertragsgemäß annehmen muss. Arbeitsunfähigkeit liegt danach vor, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr ausüben kann oder nicht mehr ausüben sollte, weil die Heilung der Krankheit nach ärztlicher Prognose verhindert oder verzögert würde. Nach § 38 Abs. 1 BetrVG vollständig freigestellte Betriebsratsmitglieder sind allerdings von ihrer Pflicht zur vertraglichen Arbeitsleistung befreit und werden durch die BR-Arbeit voll in Anspruch genommen. Infolgedessen beurteilt sich bei einem vollständig freigestellten Betriebsratsmitglied die Arbeitsunfähigkeit nach der von ihm auszuübenden Betriebsratstätigkeit.

Es kommt darauf an, ob das Betriebsratsmitglied die zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit „ausgeübte Tätigkeit“ nicht mehr oder nur unter Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen kann. Attestiert ein Arzt einem vollständig freigestellten Betriebsratsmitglied arbeitsunfähig erkrankt zu sein, steht damit fest, dass diesem eine Erfüllung der ihm während seiner Freistellung nach § 38 Abs. 1 BetrVG obliegenden Pflichten krankheitsbedingt nicht möglich und es an der Wahrnehmung seiner Betriebsratstätigkeit gehindert ist. Dass es sich bei der Erfüllung von Betriebsratsaufgaben um die Wahrnehmung eines Ehrenamts handelt (§ 37 Abs. 1 BetrVG), ist insoweit unerheblich.

„Erlaubnis“ des Arztes zählt nicht

Auf die Behauptung des Betriebsrats, wonach der Arzt ihm erlaubt habe, bis zu 45 Minuten an Erörterungen des Betriebsrats teilzunehmen, kommt es nicht an. Eine „Teilarbeitsunfähigkeit“ im Sinne einer nur partiellen Unmöglichkeit zur Ausübung von Betriebsratsaufgaben gibt es bei einem vollständig freigestellten Betriebsratsmitglied nicht. Hiergegen sprechen vor allem Gründe der Praktikabilität und der Rechtssicherheit. Hinge der Verhinderungsfall eines arbeitsunfähig erkrankten (freigestellten) Betriebsratsmitglieds von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, würde dies die Feststellung einer Verhinderung erheblich erschweren und damit die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats beeinträchtigen. Es bestünde die Gefahr, dass Betriebsratsbeschlüsse, die während der Zeit der partiellen „Amtsunfähigkeit“ des Betriebsratsmitglieds gefasst werden, mit dem Makel der Unwirksamkeit behaftet sind.“ (BAG v. 28. Juli 2020 – 1 ABR 5/19)