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2022 / Monat Dezember

Auch bei Vertrauensarbeitszeit – Kontrolle durch den Betriebsrat

Aktuelles Urteil aus München

Die Kontrolle auf Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes ist eine typische Aufgabe für den Betriebsrat. Einen Anspruch des Betriebsrats auf Auskunft gab es schon immer. Zur Klarstellung hat dies jetzt auch das LAG München auf Arbeitszeiten von Außendienstmitarbeitern bezogen. Ausdrücklich hervorgehoben: Dieser Anspruch besteht auch bei vereinbarter Vertrauensarbeitszeit. (LAG München v. 11.7.2022 – 4 TaBV 9/22)


Arbeitszeiterfassung – Bundesministerium gibt Auskunft

FAQ durch das BMAS

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gibt auf seinen Internetseiten wichtige Antworten zur notwendigen Erfassung von Arbeitszeiten. Ausdrücklich wird hervorgehoben, dass mit der Entscheidung des BAG vom 13. September 2022 verbindlich festgestellt wurde, dass die gesamte Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufzuzeichnen ist. Das ist laut BAG bereits heute geltendes Recht. https://www.bmas.de/DE/Arbeit/Arbeitsrecht/Arbeitnehmerrechte/Arbeitszeitschutz/Fragen-und-Antworten/faq-arbeitszeiterfassung.html


Wann verfällt der Urlaubsanspruch?

Das Bundesarbeitsgericht hatte über die Klage einer Steuerfachangestellten und Buchhalterin zu entscheiden, die von 1996 bis 2017 für ihren Arbeitgeber, eine Kanzlei tätig war. Sie verlangte eine Erstattung von rund 100 Urlaubstagen aus den Jahren 2013 bis 2017, da sie ihren Urlaub über mehrere Jahre nicht ausschöpfen konnte. Der Arbeitgeber meinte, der Anspruch sei verjährt. Die allgemeine Verjährungsfrist beträgt drei Jahre, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB).

Das BAG ist der Ansicht, dass die Ansprüche der Arbeitnehmerin für die Jahre 2013 bis 2016 nicht gemäß dem Bundesurlaubsgesetz erloschen seien, weil ihr ehemaliger Arbeitgeber sie nicht in die Lage versetzt habe, ihren bezahlten Jahresurlaub tatsächlich zur gebotenen Zeit zu nehmen. Dabei stützt sich das BAG auf das Urteil des EuGH vom 6.11.2018, wonach der Arbeitgeber den Arbeitnehmer dazu auffordern müsse, seinen Urlaub zu nehmen, und ihn über das mögliche Erlöschen seines Anspruchs informieren müsse (EuGH 6.11.2018). Diese Vorgabe hat auch das BAG in seine Rechtsprechung übernommen (BAG 19.2.2019).

Aus dem gleichen Grund hat das BAG Zweifel, ob die allgemeine Verjährungsfrist von drei Jahren auch auf den Urlaubsanspruch bzw. die Abgeltung des Urlaubs Anwendung finden kann. Es hat die Frage, wie sich der Schutz des Urlaubs zum Verjährungsrecht verhält, dem EuGH vorgelegt (BAG 29.09.2020 – 9 AZR 266/20 (A)). Der Europäische Gerichtshof (EuGH) benennt zuerst die Rechtsgrundlagen für den Schutz des Arbeitnehmerrechts auf Urlaub:

– Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen (…) erhält.

– Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union bestimmt: „Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub.“ Beide Regelungen sind dahin auszulegen, dass sie „einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, den ein Arbeitnehmer für einen Bezugszeitraum erworben hat, nach Ablauf einer Frist von drei Jahren verjährt, deren Lauf mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem dieser Anspruch entstanden ist, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht tatsächlich in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch wahrzunehmen.“ Der Gerichtshof führt u.a. anderem aus, dass es ist zwar richtig sei, dass der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran habe, nicht mit Anträgen auf Urlaub oder finanzielle Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub konfrontiert werden zu müssen, die auf mehr als drei Jahre vor Antragstellung erworbene Ansprüche gestützt werden.

Dieses Interesse sei indes dann nicht mehr berechtigt, wenn der Arbeitgeber sich dadurch, dass er davon abgesehen habe, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich wahrzunehmen, selbst in eine Situation gebracht habe, in der er mit solchen Anträgen konfrontiert werde und aus der er zulasten des Arbeitnehmers Nutzen ziehen könnte.  In einer Situation wie der vorliegenden sei es Sache des Arbeitgebers, gegen späte Anträge wegen nicht genommenen bezahlten Jahresurlaubs dadurch Vorkehrungen zu treffen, dass er seinen Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachkomme, womit die Rechtssicherheit gewährleistet werde, ohne dass das in der Charta verankerte Grundrecht auf bezahlten Jahresurlaub eingeschränkt würde.

Arbeitgeber muss Hinweispflichten nachkommen

Eine solche Situation sei nämlich nicht mit derjenigen vergleichbar, für die der Gerichtshof, wenn die längere Abwesenheit des Arbeitnehmers auf eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit zurückzuführen sei, ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers daran anerkannt habe, sich nicht der Gefahr einer Ansammlung von zu langen Abwesenheitszeiträumen und den Schwierigkeiten gegenüberzusehen, die sich daraus für die Arbeitsorganisation ergeben können. In einer Situation wie der vorliegenden sei es Sache des Arbeitgebers, gegen späte Anträge wegen nicht genommenen bezahlten Jahresurlaubs dadurch Vorkehrungen zu treffen, dass er seinen Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachkomme, womit die Rechtssicherheit gewährleistet werde, ohne dass das in der Charta verankerte Grundrecht auf bezahlten Jahresurlaub eingeschränkt würde. (EuGH 22.09.2022 – C-120/21 LB). Die Entscheidung bedeutet: Ein Arbeitgeber, der seine Hinweispflichten gegenüber dem Arbeitnehmer auf einen drohenden Verfall des Urlaubs über Jahre nicht erfüllt hat, darf nicht belohnt werden, indem er sich auf Verjährung berufen kann.


Sensible Daten nur mit Schutzkonzept

Betriebsrat hat Anspruch auf Namen von Schwerbehinderten
In dem Fall hatte der Betriebsrat die Anzahl und Namen der schwerbehinderten und gleichgestellten Beschäftigten verlangt. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Stuttgart erkannte den Anspruch an, weil der Betriebsrat die angeforderte Information benötigt, um die in § 176 Satz 1 SGB IX genannte Aufgabe der Förderung schwerbehinderter Menschen durchführen zu können. Diese betriebsverfassungsrechtliche Aufgabe steht nicht zur Disposition der Arbeitnehmer, sodass es nicht etwa darauf ankommt, ob sie einverstanden sind mit der Datenübermittlung an den Betriebsrat. Konkret heißt es in der Entscheidung: Bezüglich der in § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG genannten Aufgabe von Betriebsräten zur Eingliederung schwerbehinderter Menschen folgt nicht die Beschränkung auf eine passive Rolle, sondern der Aufruf zu einem aktiven Handeln.
Allerdings müssen Betriebsräte bei der Verarbeitung besonderer Arten personenbezogener
Daten das Vertraulichkeitsinteresse der betroffenen Beschäftigten strikt beachten und deshalb Vorkehrungen treffen. Hierzu zählt das Gericht den zuverlässigen Verschluss der Daten in Schränken, die Begrenzung von Zugriffsmöglichkeiten und deren Beschränkung auf einzelne Betriebsratsmitglieder sowie die Durchführung der Datenlöschung nach Durchführung von gesetzlich zugewiesenen Überwachungsmaßnahmen. Allgemein führt das Gericht zum technischen und organisatorischen Datenschutz durch Betriebsräte aus, dass hierzu neben der freiwilligen Benennung eines „Datenschutz-Sonderbeauftragten“ aus dem Kreis der Betriebsratsmitglieder beispielsweise eine verpflichtende Grundschulung zum Datenschutz für das gesamte Gremium und die Entwicklung eines Datenschutzkonzepts gehört. Aber generell besteht die Verpflichtung zur Einhaltung des Datenschutz durch Betriebsräte ohnehin gemäß § 79a BetrVG (LAG Stuttgart, Beschluss vom 20.05.2022, 12 TaBV 4/21)


Die betriebliche Weihnachtsfeier: Was ist arbeitsrechtlich zu beachten?

Es gibt tatsächlich eine Menge Rechtsprechung

Was passiert, wenn sich ein Arbeitnehmer nicht ordentlich benimmt und z.B. ausfällig wird? Hat er arbeitsrechtliche Konsequenzen zu befürchten? Wer steht dafür ein, wenn er sich auf dem Heimweg Verletzungen zuzieht und was ist zu beachten, wenn der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern ein teures Essen oder sonstige Geschenke spendiert?

Sind Arbeitnehmer verpflichtet, an einer Weihnachtsfeier außerhalb der Arbeitszeit und des Arbeitsortes teilzunehmen? Die Antwort lautet Nein. Ausgangspunkt ist der Pflichtenkatalog des § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB. Danach wird der Arbeitnehmer zur Leistung weisungsgebundener und fremdbestimmter „Arbeit“ verpflichtet. Das ist die Hauptpflicht. Der Besuch der Weihnachtsfeier steht mit der Arbeitspflicht nicht im Zusammenhang.
Bietet ein Arbeitgeber einen Betriebsausflug oder eine Betriebsfeier betriebsöffentlich zur Teilnahme für die bei ihm beschäftigten Mitarbeiter an, so haben auch freigestellte Arbeitnehmer ein Teilnahmerecht. Dieses folgt aus dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Möchte der Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer oder eine Gruppe von Arbeitnehmern von der Teilnahme ausschließen, so benötigt er hierfür einen sachlichen Grund (ArbG Köln Urt. v. 22.6.2017 – 8 Ca 5233/16)

Kein allgemeiner Anspruch auf ein „Weihnachtsgeschenk“

Arbeitnehmer, die nicht an einer betrieblichen Weihnachtsfeier teilgenommen haben, haben keinen Anspruch auf bei dieser Gelegenheit verschenkte iPads mini, wenn der Arbeitgeber mit dieser „Überraschung“ nur zur freiwilligen Teilnahme an Betriebsfeiern außerhalb der Arbeitszeit motivieren wollte (ArbG Köln Urt. v. 9.10.2013 – 3 Ca 1819/13)

Unfallversicherung besteht

Auch wenn kleinere Untergliederungen/Abteilungen eine Weihnachtsfeier durchführen, besteht Unfallversicherungsschutz (BSG Urt. v. 5.7.2016 – B 2 U 19/14 R). Es kommt also nicht mehr darauf an, dass die Feier für das gesamte Unternehmen organisiert ist.

Kurz gesagt

Beleidigen sie weder Vorgesetzte oder Kollegen! Es könnte die letzte Weihnachtsfeier für Sie im Unternehmen sein (LAG Hamm v. 30.6.2004 – 18 Sa 836/04).

Animieren Sie Azubis nicht zum Drogenkonsum (zu einer privaten Party und nachgeholten Weihnachtsfeier: LAG Rheinland-Pfalz v. 20.2.2014 – 2 Sa 461/13).

Wenn Sie nicht an der Weihnachtsfeier teilnehmen, haben Sie keinen Anspruch auf die Geschenke, die die Kollegen dort erhalten (LAG Köln v. 26.3.2014 – 11 Sa 845/13). Wenn Sie also hoffen, dass es Geschenke gibt, gehen Sie hin!

Wenn Sie privat eine Weihnachtsfeier ihres Teams organisieren: Stürzen Sie nicht! Sie sind nicht versichert; es ist kein Arbeitsunfall! (BSG v. 26.6.2014 – B 2 U 7/13 R)

Und für den Chef: Drohen Sie nicht mit der Absage der Feier, um den Betriebsrat „gefügig zu machen“ (ArbG Regensburg v. 30.05.2000 – 7 BV 5/99 L9).



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