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2015 Ausgabe 1 / Monat Februar

Mobbing: Anspruch auf Schmerzensgeld verwirkt nicht

Der Kläger macht gegen seinen früheren Vorgesetzten einen Schmerzensgeldanspruch wegen Verletzung der Gesundheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Höhe von mindestens 10.000 Euro geltend. Er stützt sich dabei auf Vorfälle in den Jahren 2006 bis 2008, die er als Isolierung, Herabwürdigung und Schikane wertet. Der letzte Vorgang soll am 8. Februar 2008 stattgefunden haben. Der Kläger war 2007 an 52 Tagen, 2008 an 216 Tagen und 2009 durchgängig bis August arbeitsunfähig, unter anderem wegen Depression. Die Klage ging Ende Dezember 2010 bei Gericht ein. Das LAG hat einen möglichen Schmerzensgeldanspruch allein wegen Verwirkung abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte vor dem Achten Senat des BAG Erfolg. Sie führte zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LAG. Eine Verwirkung, die nur unter ganz besonderen Umständen zu bejahen ist, scheidet hier aus. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist ein bloßes Zuwarten nicht als „treuwidrig“ anzusehen. Ein Unterlassen begründet nur dann ein Umstandsmoment, wenn aufgrund zusätzlicher besonderer Umstände eine Pflicht zur zeitnahen Geltendmachung besteht. In der vorzunehmenden Gesamtabwägung darf nicht auf eventuelle Beweisschwierigkeiten auf Seiten des Anspruchsgegners abgestellt werden. Das durch Richterrecht geschaffene Institut der Verwirkung darf in seiner Anwendung nicht dazu führen, dass die gesetzliche Verjährung unterlaufen wird. Das LAG wird nunmehr zu prüfen haben, ob tatsächlich ein Mobbinggeschehen festzustellen ist. (BAG, Urteil vom 11. Dezember 2014 – 8 AZR 838/13)


Abstimmung im Betriebsrat – Wer schweigt stimmt zu

Diese „Zählweise“ wurde von der Minderheit im Gremium angefochten und das Gericht musste entscheiden. Das Gericht stellte klar: „Will ein Betriebsratsmitglied nicht teilnehmen, auch nicht in Form einer Stimmenthaltung, muss er seine Nichtteilnahme ausdrücklich in der Sitzung erklären. Im Zweifelsfall ist der Sitzungsleiter gehalten durch Nachfrage zu klären, ob Stimmenthaltung oder Nichtteilnahme eines Betriebsratsmitglieds vorliegt. Lässt sich keine Klärung herbeiführen, ist von einer Stimmenthaltung auszugehen. Danach kommt auch ein beredtes Schweigen bzw. schlüssiges Verhalten als Form der Zustimmung oder der Ablehnung eines Antrags in Betracht, so etwa dann, wenn der Sitzungsleiter zuerst die Nein-Stimmen und die Enthaltungen abfragt und zählt und dann die Differenz zwischen Nein-Stimmen und Enthaltungen einerseits und der Zahl der anwesenden Betriebsmitglieder andererseits ermittelt und dies auch verlautbart.“

Wie viele (rechnerische) Ja-Stimmen dies ergeben würde, sei übrigens aus der Zahl der Anwesenden – laut Protokoll – zu ermitteln. Im Sitzungsprotokoll war vermerkt worden, wie viel Betriebsratsmitglieder zu Beginn der Betriebsratssitzung im Sitzungssaal anwesend waren und welche konkreten – namentlich benannten – Betriebsratsmitglieder danach vor und nach welchen Beschlussfassungen den Sitzungssaal verlassen oder ihn (wieder) betreten hatten. Deshalb war klar, wie viel Ja-Stimmen für die Feststellung der Mehrheit erforderlich waren. (LAG Baden -Württemberg, Beschluss vom 12. März 2014 – 21 TaBV 6/13)


Mindestentgelt auch für Bereitschaftsdienst – Entscheidung wirkt sich auf Mindestlohn aus

Die Klägerin des Verfahrens war bei einem privaten Pflegedienst als Pflegehelferin gegen ein Bruttomonatsentgelt von 1.685,85 Euro beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehörte unter anderem die Pflege und Betreuung von zwei Schwestern einer Katholischen Schwesternschaft, die beide an Demenz leiden und an den Rollstuhl gebunden sind. Neben den eigentlichen Pflegeleistungen oblagen der Klägerin auch Tätigkeiten im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung (Zubereiten von Frühstück und Abendessen, Wäschewechseln und -waschen). Die Klägerin arbeitete in zweiwöchigen Rund-um-die-Uhr-Diensten, während derer sie verpflichtet war, an der Pflegestelle anwesend zu sein. Sie bewohnte in den Arbeitsphasen im Haus der Schwesternschaft ein Zimmer in unmittelbarer Nähe zu den zu betreuenden Schwestern. Diese nahmen täglich von 11:45 bis 12:45 Uhr am gemeinsamen Mittagessen der Schwesternschaft und von 17:50 bis 18:50 Uhr am Gottesdienst teil.

Mindestentgelt für jede Form von Arbeit
Mit ihrer Klage forderte sie für die Monate August bis Oktober 2010 die Nachzahlung von insgesamt 2.198,59 Euro brutto und machte geltend, das Mindestentgelt von damals 8,50 Euro je Stunde nach § 2 Abs. 1 PflegeArbbV vom 15. Juli 2010 sei für jede Form der Arbeit zu zahlen. Der Pflegedienst wendete ein, die Klägerin habe nicht 24 Stunden am Tag gearbeitet. Das Mindestentgelt nach der PflegeArbbV sei nicht für Bereitschaftsdienst zu zahlen. Für diesen könne arbeitsvertraglich eine geringere Vergütung vereinbart werden. Das ArbG hatte die Klage überwiegend abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das LAG der Klage auf der Basis von 22 mit dem Mindestentgelt zu vergütenden Stunden je Arbeitstag im Rund-um-die-Uhr-Dienst stattgegeben. Die Zeiten des Mittagessens und der Teilnahme am Gottesdienst hat das Landesarbeitsgericht als nicht zu vergütende Pausen gewertet. 

Die Revision des Pflegedienstes blieb vor dem BAG erfolglos. Das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV sei nämlich „je Stunde“ festgelegt und knüpft damit an die vergütungspflichtige Arbeitszeit an. Dazu gehören nicht nur die Vollarbeit, sondern auch Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst. Während beider muss sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort bereithalten, um im Bedarfsfall zu arbeiten.
Zwar kann dafür ein geringeres Entgelt als für Vollarbeit bestimmt werden. Von dieser Möglichkeit hat der Verordnungsgeber im Bereich der Pflege aber keinen Gebrauch gemacht. Deshalb sind arbeitsvertragliche Vereinbarungen, die für Bereitschaftsdienst in der Pflege ein geringeres als das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV vorsehen, unwirksam. (BAG, Urteil vom 19. November 2014)


Lohnersatz im akuten Pflegefall

Arbeitnehmer, die in einer akut aufgetretenen Pflegesituation die Versorgung eines Angehörigen organisieren oder sicherstellen müssen, können unabhängig von der Arbeitnehmerzahl ihres Arbeitgebers bis zu zehn Tagen der Arbeit fernbleiben. Das sieht die Neuregelung in § 2 Abs. 1 Pflegezeitgesetz vor. Voraussetzung ist, dass sich die Pflegebedürftigkeit plötzlich und unerwartet ergibt bzw. gravierend verändert hat und keine andere Person die erforderliche Pflege bzw. die Organisation die Pflege erbringen kann oder erbringen will. Eine Zustimmung seitens des Arbeitgebers ist nicht erforderlich. Dem Arbeitgeber muss die Verhinderung sowie deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitgeteilt werden (§ 2 Abs. 2 S. 1 PflegeZG). Eine Wartezeit gibt es für den Arbeitnehmer nicht. Das heißt, dass ein Arbeitnehmer bereits vom ersten Arbeitstag an von diesen Rechten Gebrauch machen kann. Der Arbeitgeber kann eine ärztliche Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen und die Erforderlichkeit der notwendigen Maßnahmen verlangen (§ 2 Abs. 2 S. 2 PflegeZG).

In der Zeit der kurzfristigen Arbeitsverhinderung im akuten Pflegefall besteht Anspruch auf Lohnersatzleistung, das sogenannte Pflegeunterstützungsgeld. Dieses ist in Anlehnung an das Kinderkrankengeld geregelt und beträgt 70 % des Bruttoentgelts, maximal 90 % des Nettoverdienstes.
Eine vollständige oder teilweise Freistellung zur Pflege ist bis zu sechs Monaten möglich (bei Arbeitgebern mit mehr als 15 Arbeitnehmern), wenn Angehörige in häuslicher Umgebung zu pflegen sind. Den Anspruch haben Voll- und Teilzeitbeschäftigte, Minijobber und befristet Beschäftigte und Auszubildende. Eine Wartezeit gibt es nicht, es ist aber auch keine Entgeltfortzahlung vorgesehen.

Anspruch auf zinsloses Darlehen
Neu eingeführt wurde ein Anspruch der Arbeitnehmer auf ein zinsloses Darlehen des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, welches den Einkommensausfall teilweise abfedern soll.

Neu: Familienpflegezeitgesetz
Mit dem sogenannten Familienpflegezeitgesetz ist eine Teilfreistellung zur Pflege bis zu 24 Monaten möglich (bei Arbeitgebern mit mehr als 25 Arbeitnehmern). Es muss während der Teilzeit zwingend mindestens 15 Stunden wöchentlich gearbeitet werden (Pflegezeit und Familienpflegezeit werden jedoch zusammengerechnet). Die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen ist – ähnlich wie bei der Pflegezeit – durch eine entsprechende Bescheinigung nachzuweisen. Auch hierfür ist ein Darlehen vorgesehen. Das Darlehen gewährt das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben. Das Darlehen muss im Anschluss an die Freistellung innerhalb von 48 Monaten zurückgezahlt werden.

 



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