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2015 Ausgabe 5 / Monat Oktober

KEIN SICHERER HAFEN – Safe Harbour-Abkommen mit den USA unwirksam – Entscheidung Europäischer Gerichtshof vom 06.10.2015 und Aufgabe von Betriebsräten –

 

Die Kommission hatte zunächst erklärt, dass sie dafür zuständig ist, festzustellen, ob ein Drittland ein angemessenes Datenschutzniveau gewährleistet. In diesem Fall kön­nen personenbezogene Daten aus den Mitgliedstaaten übermittelt werden, ohne dass zusätzliche Ga­rantien erforderlich sind. Das an­gemessene Schutzniveau für die Übermittlung von Daten aus der Gemeinschaft in die Vereinigten Staaten sollte des Weiteren er­reicht sein, wenn die Grundsätze des „sicheren Hafens“ (Safe Har­bour) sowie die dazu gehörenden „Häufig gestellten Fragen“ („Frequently Asked Questions“ – „FAQ“) beachtet werden.
Unter Bezug auf die bindende Wirkung der Safe Harbour Grund­sätze lehnte der zuständige irische Datenschützer eine weitergehende Detailprüfung im Falle Facebook ab (Endnutzer haben einen Vertrag mit Facebook Ireland, die Daten gehen dann an die Facebook Inc. in den USA).
Der irische High Court hat für sich festgestellt, dass das irisches Datenschutzniveau nicht eingehalten würde, dann aber die Frage, ob man gleichwohl absolut an die in der Entscheidung der Union 2000/520 gebunden sei, an den EuGH weitergegeben.
Dies war der Anlass, nun die Safe Harbour Grundsätze als nicht wirksame Grundlage der Datenübermittlung einzuordnen und nach vielen Seiten Begründung schlicht festzustellen:

„Die Entscheidung 2000/520 der EU-Kommission ist ungültig.“

Der EuGH hat u. a. ausgeführt:

  • dass bereits die Übermittlung personenbezogener Daten aus einem Mitgliedstaat in ein Drittland als solche eine Verarbeitung personenbezogener Daten im unions-rechtlichen Sinne darstellt (Rz. 45).
  • dass eine solche Übermittlung nur zulässig ist, wenn die Drittländer ein angemessenes Schutzniveau gewährleisten (Rz. 48).
  • dass die Feststellung, ob ein Drittland ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet, sowohl von den Mitgliedstaaten als auch von der Kommission getroffen werden kann (Rz. 50).
  • dass in Übereinstimmung mit den Schlussanträgen des Generalanwalts (dort Nr. 141) ein „angemessenes Schutzniveau“ so zu verstehen sei, dass das Drittland aufgrund seiner innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder internationaler Verpflichtungen tatsächlich ein Schutzniveau der Freiheiten und Grundrechte gewährleisten muss, das dem in der Union aufgrund der Richtlinie 95/46 im Licht der Charta garantierten Niveau der Sache nach gleichwertig ist (Rz. 73).

MUSTERSCHREIBEN AN ARBEITGEBER siehe unten

Bei der inhaltlichen Bewertung bemängelt der EuGH, dass die Grundsätze des Safe Harbour ein selbstzertifizierendes Verfahren ohne hinreichende Missbrauchskontrolle darstellten. Die USA selbst haben sich dem auch nicht unterworfen (!) und zusätzlich stehen sie unter dem Vorbehalt der „Erfordernissen der nationalen Sicherheit, des öffentlichen Interesses oder der Durchführung von Gesetzen“. Eine Regelung, die es den Behörden gestatte, generell auf den Inhalt elektronischer Kommunikation zuzugreifen, verletze den Wesensgehalt des durch Art. 7 der Charta garantierten Grundrechts auf Achtung des Privatlebens, so der EuGH (Rz. 94).

 

BETRIEBSRAT IST GEFORDERT

Nach § 80 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG hat der Betriebsrat darüber zu wachen, dass u. a. die zu Gunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze eingehalten werden. Hierzu gehören auch die Anforderungen des Datenschutzes. Die Aufgabe der Ziff. 1 hat auch ein entsprechendes Informationsrecht zur Folge (siehe hierzu den Mustertext unten).
§ 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG eröffnet ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung von technischen Überwachungseinrichtungen. Hierunter fallen alle Maßnahmen zur Vorbereitung, Zweckbestimmung und Wirkungsweise, also u.a. die Festlegung der Art und Weise der Verwendung, mithin die inhaltliche Gestaltung des Speicherungs- und Verarbeitungs-programms einschließlich Verwendungszweck (statt vieler: Fitting § 87 Rn. 248, 249). Insofern ist die Frage zu stellen, wo die erfassten Daten hingehen, insbesondere bei sog. Auftragsdatenverarbeitung. Hier wird man die eigenen Betriebsvereinbarungen zu technischen Einrichtungen zu prüfen haben bzw. bei zukünftigen Vereinbarungen die Frage ausgelagerter Datenhaltung bzw. -verarbeitung genauer zu betrachten haben, wenn hier die USA betroffen ist.

Information nach § 80 Abs. 2 zur Aufgabenerfüllung nach § 80 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG
Es gibt Handlungsbedarf für den Betriebsrat, nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) die „Safe Harbour“-Entscheidung der Europäischen Kommission mit Urteil vom 06.10.2015 (C-362/14) für ungültig erklärt hat. Der Betriebsrat sollte prüfen, ob personenbezogene Daten von Arbeitnehmern des Betriebs durch Dritte in den USA verarbeitet werden und insofern geeignete, den Datenschutz berücksichtigende Regelungen, zu vereinbaren oder beste-hende Betriebsvereinbarungen angesichts der Entscheidung des EuGH gar anzupassen sind.

Sofern dem Betriebsrat die nähere Prüfung mangels eigener Erkenntnisse nicht möglich ist, besteht auch die Option, mit einem entsprechenden Auskunftsverlangen an den Arbeitgeber heranzutreten. Hierfür könnte der nachfolgende Textentwurf Verwendung finden.

Ferner verbleibt die Möglichkeit, dass der Betriebsrat sich im Rahmen der Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 BetrVG der Unterstützung externer Sachverständige zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben bedient, bestehen.

 

MUSTERANSCHREIBEN AN ARBEITGEBER:

Auskunft des Betriebsrats zur „Safe Harbour“-Entscheidung

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Europäische Gerichtshof hat die „Safe Harbour“-Entscheidung der Europäischen Kommission mit Urteil vom 06.10.2015 (C-362/14) für ungültig erklärt.

Nach § 80 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG hat der Betriebsrat darüber zu wachen, dass die zu Gunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze durchgeführt werden. Ein solches Schutzgesetz stellen §§ 4 Abs. 1, 11 Abs. 1 BDSG dar. Danach sind Sie als Auftraggeber dort, wo personenbezogene Daten von Arbeitnehmern des Betriebs durch Dritte erhoben, verarbeitet oder genutzt werden (Auftragsdatenverarbeitung) für die Einhaltung der Vorschriften des BDSG und anderer Vorschriften über den Datenschutz verantwortlich.
Soweit diese Auftragsdatenverarbeitung aber durch Stellen in den Vereinigten Staaten von Amerika erfolgen sollte, stellt der Beitritt des Auftragsdatenverarbeiters in den USA zur „Safe Harbour“-Erklärung nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 06.10.2015 (C-362/14) nicht mehr sicher, dass ein angemessenes Schutzniveau für personenbezogene Dateneingehalten wird.

Vor diesem Hintergrund bitten wir um Beantwortung folgender Fragen:

1. Werden personenbezogene Daten von Arbeitnehmern des Betriebs im Rahmen der Auftragsdatenverarbeitung durch Dritte in den Vereinigten Staaten von Amerika verarbeitet?
2. Wenn Frage 1 mit ja beantwortet wurde: Welche Daten werden durch welches Unternehmen verarbeitet? Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, um zu gewährleisten, dass die Einhaltung der Vorschriften des BDSG und anderer Vorschriften über den Datenschutz gewährleistet ist?

Bitte beantworten Sie die vorstehenden Fragen bis zum Ablauf des XX.XX.2015 in Textform. Für den Fall des erfolglosen Fristablaufs behält sich der Betriebsrat ausdrücklich rechtliche Schritte vor.


Personalabbau kein ‚Geschäftsgeheimnis‘ – LAG gibt Betriebsrat recht

Es seien ‚Unruhe und Befürchtungen‘ im Unternehmen bereits präsent, meinte der Arbeitgeber. Tage später veröffentlichte der SPIEGEL einen Artikel: „Astra Zeneca verpasst Betriebsrat Maulkorb“. Der Betriebsrat beantragte schließlich beim Arbeitsgericht Elmshorn die Feststellung, dass ein Personalabbau kein Geschäftsgeheimnis ist. Sowohl Arbeitsgericht, als auch Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (Beschluss v. 20.05.2015) gaben dem BR Recht. In der Begründung führt das LAG aus: „Verhandlungen über einen Interessenausgleich und diesen zugrundeliegenden Planungen zur Personalreduzierung können nicht per se wirksam zu einem Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis nach § 79 BetrVG erklärt werden.“ Das Gericht weiter: „Es muss ein sachliches und objektiv berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung vorliegen. Fehlt es an objektiven Merkmalen, greift die besondere Schweigepflicht nicht ein.“ Zusammenfassend stellt das LAG fest: „Ein Betriebsrat muss nicht vom Beginn der Unterrichtung im Sinne des § 111 BetrVG bis zum Ende der Interessenausgleichsverhandlungen schweigen. Zu den Aufgaben des Betriebsrates gehört es, im Rahmen seiner Zuständigkeit die Belegschaft umfassend und grundlegend zu informieren.“ (LAG Schleswig-Holstein v. 20.05.2015 – 3 TaBV 35/14)


Befragung zur Mitarbeiterzufriedenheit mitbestimmungspflichtig – ArbG Hamburg erlässt Einstweilige Verfügung

Das Arbeitsgericht stellte auf das „unauflösbare Gesamtwerkt“ zwischen Gesundheitsschutz und Mitarbeiterzufriedenheit ab, die eine solche Befragung darstellt. Der Arbeitgeber, das Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg, wollte die Mitarbeiter nach ihrer Arbeitsumgebung und den Arbeitsbedingungen, nach Vorgesetzten, Leitung, Mitarbeitervertretung und Kollegen befragen, nach der Organisation, zum Zeitmanagement und der EDV, zu Einarbeitung, Aus-, Fort- und Weiterbildung. Ferner wurde in dem vorgesehenen Fragebogen nach der Behandlung und Pflege der Patienten und nach der allgemeinen Arbeitszufriedenheit gefragt. Die Mitarbeiter konnten zudem Angaben zu ihrer Person und Änderungsvorschläge machen. Die Mitarbeiter wurden auch danach befragt, was ihnen im Universitätsklinikum und an ihrem Arbeitsplatz besonders gut gefalle. Das Klinikum hatte als Ziele der Befragung mitgeteilt: Es wolle einerseits klären, ob frühere Maßnahmen zu Veränderungen bei der Arbeitszufriedenheit geführt haben. Darüber hinaus solle Handlungsbedarf unter anderem für das betriebliche Gesundheitsmanagement identifiziert werden.
Der Betriebsrat lehnte die Durchführung dieser Befragung ab und beantragte – erfolgreich – ein Einstweiliges Verfügungsverfahren wegen Missachtung verschiedener Mitbestimmungsrechte: Personalfragebogen i.S.v. § 94 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, Befragung als Gefährdungsbeurteilung i.S.v. § 5 ArbSchG, für die nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht besteht. Das Arbeitsgericht folgte dem Betriebsrat: „Die Mitarbeiterbefragung ist als ‚eigenständige Maßnahme zum Gesundheitsschutz mit kollektivem Bezug‘ zu sehen, die nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitbestimmungspflichtig ist.“  Diese Mitbestimmung setzt nicht erst dann ein, wenn der Arbeitgeber eine Gefährdungsbeurteilung durchführt, so das Gericht.. Die Mitbestimmung greift stattdessen auch schon bei sonstigen Maßnahmen des Gesundheitsschutzes. Das Mitbestimmungsrecht ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber einen Dritten mit der Mitarbeiterbefragung beauftragt.


Leiharbeitnehmer bei Anzahl von Freistellungen mitzählen – Die Rechtsprechung schreitet voran

Noch in seiner Entscheidung vom 22.10.2003 (7 ABR 3/2003) hatte es das BAG abgelehnt, die im Betrieb beschäftigten Leiharbeitnehmer bei der Berücksichtigung der für die Zahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder maßgeblichen Belegschaftsstärke überhaupt mitzuzählen. Das galt auch für die Feststellung der maßgeblichen Betriebsgröße (§ 9 Satz 1 BetrVG). Leiharbeitnehmer wählten, aber sie zählten nicht.
Nachdem der 7. Senat des BAG die zum betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff entwickelte sog. „Zwei-Komponenten-Lehre“ für die Fälle des drittbezogenen Personaleinsatzes aufgegeben hat, hatte er in seinem Beschluss vom 13.3.2011 (7 ABR 69/11) Leiharbeitnehmer im Rahmen von § 9 Satz 1 BetrVG, also bei der Ermittlung der für die Betriebsratsgröße maßgeblichen Arbeitnehmerzahl berücksichtigt und mitgezählt.
Mit der Entscheidung des LAG BaWü  ist ein weiterer Schritt der kollektivrechtlichen Gleichstellung von Leiharbeitnehmern erfolgt.


Nachzahlung und Entschädigung bei offensichtlicher Lohn-Diskriminierung – Entschädigung von € 6.000

In dem Betrieb der Schuhherstellung war bis Ende 2012 den beschäftigten Frauen bei gleicher Arbeit ein niedrigerer Stundenlohn als den Männern und weniger Anwesenheitsprämie, Weihnachts- und Urlaubsgeld gezahlt worden. Der Arbeitgeber berief sich (ernsthaft) darauf, diese Unterschiede seien hinlänglich bekannt gewesen und offen kommuniziert worden. Von der Ungleichbehandlung wusste die Klägerin spätestens seit einer Betriebsversammlung im September 2012. Mit Schreiben vom 9.11.2012 machte sie Ansprüche wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung geltend. Die Beklagte wies die Forderungen zusätzlich mit der Begründung zurück, dass die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG nicht gewahrt sei. Das Gericht stellte auf die geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung ab und verurteilte die Firma zur Nachzahlung. Der Erfüllungsanspruch war auch nicht ‚untergegangen‘, weil dieser – anders als Schadenersatzansprüche – nicht der Frist des § 15 Abs. 4 AGG unterliegt. Daneben besteht ein Entschädigungsanspruch (hier: i.H.v. 6.000 Euro für jede betroffene Frau). „Es vermag die Beklagte auch nicht zu entlasten, dass die Entgeltdiskriminierung angeblich offen kommuniziert worden ist. Die geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung war eklatant rechtswidrig. Dass diese Ungleichbehandlung offen zu Tage getreten sein soll, schmälert den Unwertgehalt der Diskriminierung nicht“, so das Gericht. (LAG Rheinland-Pfalz 13.5.2015, 5 Sa 436/13)


Kann der Arbeitgeber Wahl des Verkehrsmittels anordnen?

„Das allgemeine Direktionsrecht des Arbeitgebers ermächtigt diesen regelmäßig nicht dazu, dem Arbeitnehmer Vorschriften darüber zu machen, mit welchem Verkehrsmittel (Privatfahrzeug, Bahn oder Bus) dieser die ihm zugewiesene Arbeitsstätte von seinem häuslichen Lebensmittelpunkt (hier: von Berlin nach Dresden) aus zu erreichen habe. Die Weigerung des Arbeitnehmers, anstelle seines Privatfahrzeugs das vom Arbeitgeber bevorzugte Verkehrsmittel (Bahn, Bus) zur Anreise zu benutzen, stellt daher keine Vertragsverletzung des Arbeitnehmers dar, so das Gericht. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer bei Anreise zur Arbeitsstätte einen rund 35 kg wiegenden Werkzeugkoffer mit sich führen muss und er in der Vergangenheit bereits monatelang wegen Rückenleidens arbeitsunfähig erkrankt gewesen war. „Die Grundsätze vorbeugenden betrieblichen Gesundheitsschutzes erfordern es vielmehr, auf die besondere gesundheitliche Gefährdungslage des Arbeitnehmers entsprechende Rücksicht zu nehmen und ihm die insofern schonendere Anreise per Privatfahrzeug deshalb zuzubilligen.“ (ArbG Berlin vom 31.10.2014 – 28 Ca 12594/14)



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