… auch ohne konkrete Gesundheitsgefahr

Ein Betriebsrat von H&M hat sich im Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) durchgesetzt. Auch für Belastungen, die erst langfristig zu Gesundheitsgefahren führen können, ist der BR zuständig.
Mit einem Grundsatzurteil, das nun im Volltext vorliegt, hat das BAG die Rechte des Betriebsrats im Arbeitsschutz gestärkt. Auch ohne Vorliegen einer konkreten Gesundheitsgefahr greife die Mitbestimmung. Es reiche ab sofort eine Gefährdung – so die Richter.
Das neue Urteil, das die bisherige Rechtsprechung verwirft, ist ein Paukenschlag für die Betriebsräte, die im Arbeits- und Gesundheitsschutz tätig sind. Ab sofort brauchen sie nicht mehr eine konkrete Gesundheitsgefahr im Betrieb nachzuweisen, um tätig zu werden. Vielmehr reichen bloße Gefährdungen aus. Damit sind vor allem die Rechte der Betriebsräte im Präventionsbereich deutlich gestärkt.
Da viele Belastungen im Arbeitsleben erst langfristig zu echten Gesundheitsproblemen führen, es für die Prävention aber gerade wichtig ist, schon den ersten Signalen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung entgegen zu wirken, ist das Urteil sehr zu begrüßen.
In dem Fall einigten sich Betriebsrat und Arbeitgeber von H & M darauf, die im Betrieb notwendigen Gesundheitsmaßnahmen durch einen Spruch einer Einigungsstelle erledigen zu lassen. Dieser legte »Akute Maßnahmen des Gesundheitsschutzes« für den Betrieb fest, darunter zahlreiche (Stehzeit maximal 4 Stunden, Abwechseln zwischen sitzender und stehender Tätigkeit etc.) Einzelmaßnahmen, die gute Arbeitsbedingungen im Einzelhandel garantieren sollten.
Mit Gefährdungsbeurteilung ermitteln
Das BAG stellt nun explicit klar, dass es – anders als in früher lautenden BAG-Entscheidungen – für die Mitbestimmung des Betriebsrats im Gesundheitsschutz nicht mehr einer konkreten, im Betrieb feststellbaren Gesundheitsgefahr bedarf. Vielmehr reiche eine Gefährdung der Gesundheit aus, die entweder feststehe oder durch eine Gefährdungsbeurteilung ermittelt werde.
Die Voraussetzung ist also im Falle einer Gefährdung deutlich niedriger als bei einer echten Gefahr. Eine Gesundheitsgefahr liegt nach der Definition des BAG vor, wenn es hinreichend wahrscheinlich ist, dass die Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder das Leben der Beschäftigten einen Schaden nimmt. Umso größer der Schaden, desto geringer muss die Eintrittswahrscheinlichkeit sein. Eine Gefährdung liege – so das Gericht – dagegen bereits vor, wenn ein Gesundheitsschaden als möglich erscheint.
Praxistipp:
Auf der Basis der BAG-Entscheidung vom 11.10.2012 weigerten sich Arbeitgeber oftmals, die Betriebsräte bei den Maßnahmen des Gesundheitsschutzes zu beteiligen mit der Begründung, es fehle eine konkrete Gesundheitsgefahr im Betrieb. Dies selbst dann, wenn eine Gefährdungsbeurteilung vorlag. Betriebsräte konnten oftmals nicht ausreichend begründen, worin die objektive Gesundheitsgefahr für die Beschäftigten lag. Dies wird nun Vergangenheit sein. Mit der neuen Entscheidung reicht für die Mitbestimmung eine Gefährdungslage aus. Eine solche liegt dann vor, wenn die Gefährdung feststeht oder eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt worden ist. (Bundesarbeitsgericht vom 28.03.2017; Az.: 1 ABR 25/15))

Fazit: Sobald eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt worden ist, kann der Betriebsrat in jedem Fall über die genaue Ausgestaltung und die konkreten dort festgestellten Abhilfemaßnahmen mitbestimmen.