Facharzttermin geht vor
In dem Fall ging es um die Auslegung einer Tarifregelung (MTV Groß- und Außenhandel Niedersachsen), nach der bei „unverschuldeter Arbeitsversäumnis das Entgelt nur für die unumgänglich notwendige Abwesenheit, höchstens jedoch bis zur Dauer von 4 Stunden, fortgezahlt wird“. Der Kläger hatte für 1,5 Stunden einen Facharzttermin bei einem Orthopäden wahrgenommen. Unstreitig ist, dass er keinen Arzttermin außerhalb der betrieblichen Arbeitszeit erhalten konnte. Für die Zeit vor und nach dem Termin stellte er einen Antrag auf Freizeitausgleich. Die Firma stellte ihm die gesamte Tagesarbeitszeit als Minus in sein Arbeitszeitkonto. Mit seiner Klage wollte der Kläger die 1,5 Stunden gutgeschrieben bekommen.
Der Arbeitgeber verwies auf den MTV wonach „die in Anwendung des § 616 BGB möglichen Fälle“ im Tarifvertrag abschließend festgelegt seien. Das Gericht meinte allerdings: “Hätten die Tarifparteien eine Regelung zum Ausschluss für Arztbesuche treffen wollen, hätten sie eine solche aufnehmen müssen.“ Ansonsten bleibt es bei der „unverschuldeten Arbeitsversäumnis“, die für mind. 4 Stunden auszugleichen ist. (LAG Niedersachsen 08.02.2018, 7 Sa 256/17)
Anmerkung: Es entsteht häufig Streit, ob die Zeit für Arztbesuche unter den § 616 BGB fällt, also zu vergüten ist. Bestehende Regelung sollten also genau geprüft werden, ob solche Zeiten explizit ausgeschlossen sind. Wenn nicht, geht das Gesetz vor („vorübergehende Verhinderung“).