Mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 17.10.2018 (5 AZR 553/17) erfolgte ein grundlegender Umschwung in der Rechtsprechung. ALLE Reisezeiten, die ein Arbeitnehmer für seine Firma unternimmt, sind vergütungspflichtige Arbeitszeit. Meist stellen sich folgende Fragen:
1. Aber was ist mit der 10-Stunden-Begrenzung?
Dazu hat sich das BAG nur am Rande geäußert und ausgeführt, die arbeitszeitrechtliche Einordnung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG ist für die Vergütungspflicht unerheblich. Im Klartext: Natürlich werden Reisezeiten (evtl. plus Arbeitszeiten) auch die 10-Std.-Grenze überschreiten können.
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BAG: Arbeitgeber muss vor Verfall von Urlaub warnen
Praktische Umsetzung weiterhin unklar
In dem Ausgangsfall ging es bekanntlich um insg. 51 Urlaubstage, die wegen Ablauf der Befristung nicht mehr genommen werden konnten und ausgezahlt werden mussten. Der Arbeitgeber hatte argumentiert, der Arbeitnehmer hätte ausreichend Zeit gehabt, den Urlaub noch zu nehmen. Was hätte also der Arbeitgeber tun müssen?
Der EuGH dazu: Der Arbeitgeber ist gehalten, „konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun.“
Verlängerung der Elternzeit um das dritte Lebensjahr des Kindes ohne Zu-stimmung des Arbeitgebers möglich
Der Sachverhalt: Der Kläger beantragte für den Zeitraum der ersten zwei Lebensjahre seines Kindes Elternzeit. Die Elternzeit wollte er einige Monate später um ein weiteres Jahr verlängern. Dies lehnte die Arbeitgeberin ab. Das LAG gab der Klage statt, ließ allerdings die Revision zum Bundesarbeitsgericht zu.
Die Gründe: Der Kläger befindet sich kraft seiner Erklärung auch während des dritten Lebensjahres seines Kindes in Elternzeit. Aus dem Wortlaut und der Systematik des §16 BEEG ergibt sich nicht, dass innerhalb der ersten drei Lebensjahre eines Kindes nur die erstmalige Inanspruchnahme von Elternzeit zustimmungsfrei sein soll.
Das Gesetz verfolgt den Zweck, den Eltern mehr Entscheidungsflexibilität einzuräumen. Sie sollen im Anschluss an die Bindungsfrist wieder frei entscheiden können, ob sie eine Verlängerung der Elternzeit für nötig halten, und müssen sich dabei lediglich an die Anzeigepflichten in §16 Abs. 1 Satz 1 BEEG halten.
Kündigung und Kündigungsfristen
Eine Kündigung im September erfolgt, weil Arbeitgeber die Kündigungsfristen zum Quartal oder zum nächsten oder übernächsten Monatsende nutzen wollen. Immer wieder bekommen wir die Frage gestellt, ob auch die richtige Kündigungsfrist angewandt wurde. Alte Verträge enthalten oft noch die Regelung einer Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Quartal. Diese Frist gilt auch, sofern nicht durch längere Zugehörigkeit inzwischen die gesetzliche Kündigungsfrist länger ist.
Die Beschäftigungszeit ist bei der Kündigung ein entscheidender Faktor
Ein Beispiel: Wer bereits mehr als 5 Jahre beschäftigt ist, dem kann durch den Arbeitgeber nur mit einer Frist von 2 Monaten zum Monatsende gekündigt werden. Die “6 Wochen zum Quartal” würden also, wenn sie noch im Vertrag vereinbart sind, dazu führen, dass bei einer Kündigung z.B. im September nur zum 31.12. des Jahres und nicht etwa zu Ende November gekündigt werden kann.
Kündigungsschutz
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Änderungskündigung muss „dringend“ sein

Spricht der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aus, prüft das Gericht sowohl, ob die Änderung „dringend“ erforderlich war, als auch die Richtigkeit der Sozialauswahl.
Bestätigt wurde dies in der jüngsten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 18. Mai 2017. In dem Fall war ein Spezialist DataWareHouse zusammen mit drei anderen Kollegen an einen anderen Standort versetzt worden. Schon der Betriebsrat hatte in seinem Widerspruch zur Änderungskündigung auf Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten am bisherigen Standort verwiesen. Der Mitarbeiter klagte gegen die anschließende Änderungskündigung, bekam nun vor dem Bundesarbeitsgericht Recht. Das BAG stellte klar:
Überwachung Tastendruck unzulässig

„Der Einsatz eines Software-Keyloggers, mit dem alle Tastatureingaben an einem dienstlichen Computer für eine verdeckte Überwachung und Kontrolle des Arbeitnehmers aufgezeichnet werden, ist unzulässig, wenn kein auf den Arbeitnehmer bezogener, durch konkrete Tatsachen begründeter Verdacht einer Straftat oder einer anderen schwerwiegenden Pflichtverletzung besteht.“ Das hat jetzt das Bundesarbeitsgericht im Fall eines „Web-Entwicklers“ entschieden, der während der Arbeitszeit seinen PC privat genutzt hatte (Abwicklung des E-Mail-Verkehrs für seinen Vater).
Mehr-Arbeitszeit „verschenkt“?
BAG zieht Grenze bei 48 Std./Woche
Eine Arbeitnehmerin (Wiegemeisterin) hatte einen unklaren Arbeitsvertrag geschlossen. Eigentlich sollte sie 40 Std./Woche arbeiten, tatsächlich war aber die Zeit von 06:00 bis 17:00 Uhr abzügl. ½ Std. Pause festgelegt. Sie klagte jetzt Überstunden von € 24.000 brutto ein. Das BAG pochte auf Einhaltung der 48 Std.-Grenze.
Mitbestimmung beim Facebook-Auftritt des Arbeitgebers
„Facebook“ als technische Kontrolleinrichtung
Wenn der Arbeitgeber auf seinen Besucherseiten die Veröffentlichung von Besucher-Beiträgen (Postings) ermöglicht, die sich auf das Verhalten und die Leistung der Beschäftigten beziehen, ist diese Funktion mitbestimmungspflichtig. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in der Sitzung v. 13.12.2016 ausdrücklich festgestellt.
Betriebsratsarbeit ist Arbeitszeit
Anspruch auf 11stündige Ruhezeit
Ein immer wieder kehrender Streit dreht sich um die Frage, ob Betriebsratsarbeit als Arbeitszeit zu werten ist und hierfür die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes greifen.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat jetzt zur Anwendung der 11stündigen Ruhezeit klargestellt: „Ein Betriebsratsmitglied, das zwischen zwei Nachtschichten außerhalb seiner Arbeitszeit tagsüber an einer Betriebsratssitzung teilzunehmen hat, ist berechtigt, die Arbeit in der vorherigen Nachtschicht vor dem Ende der Schicht einzustellen, wenn nur dadurch eine ununterbrochene Erholungszeit von elf Stunden am Tag gewährleistet ist, in der weder Arbeitsleistung noch Betriebsratstätigkeit zu erbringen ist.“
Arbeitsunfähig – und die Aufforderung zum Personalgespräch
BAG gibt Kläger recht
Der Arbeitgeber hatte zu einem Gespräch aufgefordert, „zur Klärung der weiteren Beschäftigungsmöglichkeit“. Der Arbeitnehmer lehnte dies unter Hinweis auf seine ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit ab, genauso auch eine weitere Einladung. Nun wollte der Arbeitgeber sogar einen Nachweis über die „gesundheitliche Hinderungsgründe durch Vorlage eines speziellen ärztlichen Attests“. Als auch das nicht kam folgte die Abmahnung, gegen die der Arbeitnehmer klagte.
Die unvollendete Zielvereinbarung
Eine Zielvereinbarung muss bekanntlich – so der Name – „vereinbart“ werden. Was aber, wenn sich Verhandlungen darüber hinausziehen oder schlicht keine Einigung erzielt wird? Mit einem solchen Fall hatte sich das Landesarbeitsgericht Nürnberg zu beschäftigen und stellte fest:
Handy-Verbot am Arbeitsplatz mitbestimmungspflichtig
Arbeitgeber dürfen die Nutzung von Handys während der Arbeitszeit nicht ohne Zustimmung des Betriebsrats generell untersagen. Dem Betriebsrat steht ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr.1 BetrVG zu. Ein solches generelles Handyverbot betrifft nicht das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten. Denn Arbeitnehmer können ihre Arbeitspflicht grundsätzlich auch dann uneingeschränkt erfüllen, wenn sie gelegentlich einen Blick auf ihr Handy werfen.
Mitarbeiterfotos im Netz – BAG verlangt schriftliche Einwilligung
Nachdem des BAG aber insoweit die Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses betont, dürften die Auswirkungen auf das Arbeitrecht beschränkt bleiben. Das BAG führt in seinem Urteil dazu folgendes aus: „Wegen der Bedeutung des Rechts der Arbeitnehmer, auch im Arbeitsverhältnis ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ausüben zu dürfen, führt eine solche Abwägung im Ergebnis dazu, dass auch und gerade im Arbeitsverhältnis die Einwilligung der Arbeitnehmer der Schriftform bedarf. Nur dadurch kann verdeutlicht werden, dass die Einwilligung der Arbeitnehmer zur Veröffentlichung ihrer Bildnisse unabhängig von den jeweiligen Verpflichtungen aus dem eingegangenen Arbeitsverhältnis erfolgt und dass die Erteilung oder Verweigerung der Einwilligung für das Arbeitsverhältnis keine Folgen haben dürfen. Auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses können Arbeitnehmer sich grundsätzlich „frei entscheiden“, wie sie ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ausüben wollen.“ (Urteil vom 11.12.2014, Az.: 8 AZR 1010/13).
Spielsüchtiger Arbeitnehmer kündbar? … nach insg. 33 Kündigungen
Die insgesamt veruntreute Summe beläuft sich auf mehr als 100.000 Euro. Deshalb die Kündigungen.
Der Arbeitnehmer hat die ihm zur Last gelegten Taten ein-geräumt, aber die Ansicht vertreten, die Gemeinde habe ihm gleichwohl nicht kündigen dürfen. Aufgrund seiner Spielsucht fehle ihm die Impuls- und Steuerungsfähigkeit, so dass ihm die Handlungen nicht vorwerfbar seien. Entsprechend einer bei ihr geltenden „Dienstvereinbarung Sucht“ sei die Gemeinde verpflichtet gewesen, vor dem Ausspruch einer Kündigung zunächst ein abgestuftes Verfahren, bestehend aus Erstgespräch, Zweitgespräch, Ermahnung, 1. Abmahnung und weiterer Abmahnung, zu durchlaufen. Die Gemeinde, für die seine Spielsucht offensichtlich gewesen sei, habe ihre Kontroll- und Überwachungspflichten verletzt.
Das ArbG Düsseldorf (2 Ca 3420/14) hat die gegen die Kündigungen gerichtete Klage abgewiesen und bereits die erste Kündigung als wirksam erachtet.
Nach Auffassung des ArbG ist die „Dienstvereinbarung Sucht“ nicht einschlägig. Die Auslegung der Vereinbarung ergebe, dass das darin geregelte abgestufte Sanktionsverfahren Pflichtverletzungen wie z.B. Verspätungen oder qualitative Fehlleistungen betreffe, die auf typischen, suchtbedingten Ausfallerscheinungen beruhten, nicht aber strafbare Handlungen.
Fußballprofis sind „normale“ Arbeitnehmer – DFL-Musterverträge regeln auch Ablösesummen
Fußballprofis schließen mit ihrem Arbeitgeber lediglich einen zeitlich befristeten Vertrag. Dementsprechend sieht § 11 Nr. 1. des Mustervertrags der Deutschen Fußballliga (veröffentlicht unter dfb.de) vor, dass das Vertragsver-hältnis mit dem 30. Juni bzw. mit dem Ende eines bestimmten Spieljahres sein Ende finden wird. Zwar kann nach § 15 Abs. 3 TzBfG eine ordentliche Kündigung vereinbart werden, eine derartige Vereinbarung wird in den Spielerverträgen aber gerade nicht vorgenommen. Der Mustervertrag der Deutschen Fußballliga macht dies noch einmal besonders deutlich, indem in § 11 Nr. 2 lediglich ein von den Parteien vereinbarter Aufhebungsvertrag oder eine wirksame fristlose Kündigung als Grund für eine vorzeitige Beendigung des Vertrags genannt werden. Auf diesem Weg kann der Verein sicher sein, dass der Spieler ihm bis zu dem vereinbarten Befristungsende zur Verfügung steht, mag sich dessen Marktwert aufgrund guter Leistung, z.B. während der Weltmeisterschaft, zwischenzeitlich auch erheblich erhöht haben.
Loslösung nur mit Ablösesumme
Sofern ein anderer Verein – und der Spieler – dennoch vor Ablauf der Befristung ein Vertragsverhältnis eingehen wollen, wird der bisherige Verein zu einer vorzeitigen Vertragsauflösung im Wege eines Aufhebungsvertrags mit dem Spieler regelmäßig nur dann bereit sein, wenn der neue Arbeitgeber des Spielers ihm hierfür eine Entschädigung zahlt. Dies ist die Ablösesumme (vgl. BAG v. 25.4.2013 – 8 AZR 453/12).
Unabhängig von der Höhe einer solchen Entschädigung ist der Arbeitgeber regelmäßig nicht gezwungen, sich auf eine solche vorzeitige Vertragsauflösung einzulassen. Er kann auch gegenüber dem Spieler auf Vertragsdurchführung bestehen. Ein Beispiel hierfür ist das Vertragsver-hältnis zwischen dem Verein Borussia Dortmund und dem Spieler Robert Lewandowski, der mit Beginn der Saison 2014/2015 zu Bayern München wechselt. Trotz angeblicher Angebote auf Zahlung einer erheblichen Ablösesumme durch den Verein Bayern München spielt der Spieler Lewandowski bis zum Ablauf der Befristung bei Borussia Dortmund. Er konnte dann „ablösefrei“ wechseln, es kommt zu keiner vorzeitigen Vertragsauflösung und auch zu keiner Zahlung einer Entschädigung.
Der Verein kann sich allerdings in dem Vertrag mit dem Spieler bereits verpflichten, einer vorzeitigen Vertragsbe-endigung mit dem Spieler zuzustimmen, wenn eine Ablösesumme in einer bestimmten Höhe durch einen anderen Verein gezahlt wird. Man spricht in der Praxis hier von einer „festgeschriebenen Ablösesumme“. So soll nach Medienangaben zB. der Spieler Messi in seinem Vertrag mit dem FC Barcelona eine solche festgeschriebene Ablösesumme in Höhe von € 250 Millionen vereinbart haben. Ist nun ein anderer Verein bereit, eine solche Ablösesumme zu zahlen, ist der bisherige Arbeitgeber des Spielers verpflichtet, einen entsprechenden Aufhebungsvertrag zu schließen. (gekürzter Beitrag von Professor Dr. Wolfgang Kleinebrink, Vereinigung Bergischer Unternehmerverbände (VBU®) e.V. Wuppertal)
unser Kommentar: Wird der bekannte Fachkräftemangel demnächst dazu führen, auch in „normalen“ Arbeitsverträgen Ablösesummen festzuschreiben? Oder wird es bald lange Kündigungsfristen geben mit festen Entschädigungssummen? Wohl kaum, aber freuen wir uns trotzdem auf eine gute WM.