BAG Urteil liegt vor
In dem Fall ging es um einen Bauinspektor, der von seinem Arbeitgeber nach China geschickt wurde und nun für die gesamte Reisezeit (insgesamt 37 Stunden) eine Vergütung von 1.661,30 Euro brutto verlangte. Er hatte allerdings auf eigenen Wunsch für die Hin- und Rückreise statt eines Direktflugs in der Economy-Class einen Flug in der Business-Class mit Zwischenstopp in Dubai gebucht. Die Arbeitgeberin zahlte für die Tage, an denen die Reisen nach China stattfanden, lediglich eine Vergütung für die reguläre Arbeitszeit von acht Stunden.
Umwege sind nicht zu vergüten
Die Reisezeit ist Arbeitszeit, entschieden die Richter des BAG. Das Gericht entschied aber auch, dass Umwege nicht vergütet werden. Das heißt, der Vergütungsanspruch besteht nur für die eigentliche (kürzere) Reisezeit, nicht aber für einen Zwischenstopp. „Erforderlich ist dabei grundsätzlich die Reisezeit, die bei einem Flug in der Economy-Class anfällt“, so das Gericht. In der Begründung heißt es: „Reisen, die wegen einer vorübergehenden Entsendung zur Arbeit ins Ausland erforderlich sind, sind fremdnützig und damit jedenfalls dann Arbeit im vergütungsrechtlichen Sinn, wenn sie – wie im Streitfall – ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers erfolgen und in untrennbarem Zusammenhang mit der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung stehen.“ Gemeint ist also: Muss auf Anordnung des Arbeitgebers im Ausland eine Tätigkeit geleistet werden (ausschließlich dienstliche Reise), müssen die Reisestunden bezahlt bzw. gutgeschrieben werden.
Auswirkungen auf Arbeitszeitgesetz
Ausdrücklich behandelt das BAG auch die Frage zur Auswirkung auf das Arbeitszeitgesetz: Es ist „unerheblich für die Vergütungspflicht von Reisezeiten“, wie diese nach Arbeitszeitrecht einzuordnen sind. „Die Herausnahme bestimmter Zeiten aus der Arbeitszeit muss nicht die Vergütungspflicht ausschließen.“ Einfach ausgedrückt: Wie die Zeiten nach Arbeitszeitgesetz gewertet werden (aktives Fahrzeuglenken oder passiver Fluggast) spielt für den Anspruch auf Bezahlung keine Rolle.
Auch der Weg zum Flughafen?
Auch mit den Zeiten, wie dem Weg zum Flughafen oder zurück nach Haus setzt sich das Urteil auseinander. „Neben den eigentlichen Beförderungszeiten gehört zur erforderlichen Reisezeit auch der mit der Beförderung zwingend einhergehende weitere Zeitaufwand. Bei Flugreisen sind das etwa die Wegezeiten zum und vom Flughafen sowie die Zeiten für Einchecken und Gepäckausgabe.“ Ob dabei Wegezeiten anzurechnen sind, die der Kläger erspart hat, weil er ohne die Reise Wege von der Wohnung zum Arbeitsplatz und zurück hätte zurücklegen müssen, konnte das BAG nicht entscheiden, weil hierzu kein Vortrag vorlag. Ausdrücklich nicht dazu gehört allerdings das Kofferpacken und Duschen, die der Kläger auch geltend gemacht hatte.
Auch Überstundenzuschläge?
Zu eventuellen Überstundenzuschlägen musste sich das Gericht nicht äußern. Der Kläger hatte solche zwar noch in der ersten Instanz gefordert, sich aber im weiteren Verlauf nur auf die Reisestunden konzentriert.
Kann eine BV dagegenstehen?
Das BAG stellte im konkreten Fall fest, dass abweichende Regelung im Arbeits- oder Entsendevertrag nicht vorlagen. Eine Betriebsvereinbarung gab es für diesen Fall nicht.
Wie ist nun mit bestehenden BVen umzugehen, die z.B. die Anrechnung/Vergütung von Reisezeiten regeln (z.B. max. 4 Stunden über die übliche Tagesarbeitszeit hinaus)? Zu empfehlen ist, solche Betriebsvereinbarungen vorsorglich fristgerecht zu kündigen und die neuen Grundsätze der Rechtsprechung aufzunehmen. Es handelt sich hier um individualrechtliche Ansprüche der Beschäftigten (aus § 611 BGB), die nicht durch eine entgegen stehende Betriebsvereinbarung verkürzt werden dürfen
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Skurrile Fälle im Arbeitsrecht 2018
Handy-Klingeln im Gerichtstermin
In einer Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Lübeck klingelte das Handy eines Geschäftsführers mitten im Termin. Im Protokoll über die öffentliche Sitzung heißt es u. a.: „Der Geschäftsführer der Beklagten hatte ein Handy klingeln lassen. Das Gericht wies ihn darauf hin, er möge das Handy ausschalten, andernfalls 50,00 EUR Ordnungsgeld verhängt würden. Auf Frage des Gerichts erklärte der Geschäftsführer der Beklagten, dass das Handy ausgeschaltet sei. Das Handy klingelte dann aber erneut.“
In der Beschwerde gegen das Ordnungsgeld vor dem Landesarbeitsgericht redete er sich heraus: „Ich habe das Handy dann auf stumm geschaltet, aber leider nur für den aktuellen Anruf.“ Seine Beschwerde war aber nicht fristgerecht (hätte im Termin erfolgen müssen). Es blieb bei 50,00 EUR Ordnungsgeld.
Freundin des Chefs 10 Jahre älter geschätzt – Fristlose Kündigung?
Eine 19-jährige Auszubildende war bei einem Rechtsanwalt als Rechtsanwalts-fachangestellte in Edingen-Neckarhausen (Baden-Württemberg) tätig. Der Anwalt zeigte der Auszubildenden während der Arbeit ein Foto seiner neuen Freundin und bat sie, zu schätzen, wie alt diese sei. Die Auszubildende schätzte die Dame auf circa 40 Jahre. In Wirklichkeit war sie aber erst 30. Diese fehlerhafte Schätzung sollte noch Folgen haben.
Der Anwalt war darüber so gekränkt, dass er ohne vorheriger Abmahnung seiner Auszubildenden die fristlose Kündigung aussprach. „Sie hat mich regelrecht ausgelacht. Dadurch fühlte ich mich beleidigt“, sagte der Anwalt. Er habe der Auszubildenden dann dreimal leicht auf die Schulter geschlagen, sich dafür aber später wieder entschuldigt. Daraufhin habe sie sich in den folgenden Tagen angeblich grundlos krank gemeldet. Das alleine sei schon ein Grund für eine Kündigung.
Begründet wurde das Kündigungsschreiben dann aber in erster Linie damit, dass die Auszubildende angeblich nicht immer alle aufgetragenen Arbeiten erledigt habe. „Sie konnte keine Zinsen ausrechnen und machte bei Vollstreckungsbescheiden Fehler“. Das wollte die Auszubildende nicht auf sich sitzen lassen und klagte gegen die fristlose Kündigung.
Der beim Arbeitsgericht Mannheim anhängige Rechtsstreit endete dann mit einem Vergleich: Inhaltlich wurde vereinbart, dass das Ausbildungsverhältnis rückwirkend beendet wird und der Rechtsanwalt noch die ausstehende Ausbildungsvergütung in Höhe von 333 Euro nachbezahlt. Die Auszubildende reagierte sehr erleichtert über die Einigung mit ihrem früheren Arbeitgeber und hat danach relativ schnell eine neue Stelle bei einer anderen Kanzlei gefunden.
Nachdem der ganze Fall auch in den sozialen Medien teilweise heftig diskutiert wurde, fühlt sich der Rechtsanwalt regelrecht gemobbt von den Facebook-Kommentaren. „Ich werde dort auf übelste Weise beschimpft und bloßgestellt“, sagte er. Dafür macht er seine frühere Auszubildende verantwortlich. (Arbeitsgericht Mannheim 3 Ca 406/10)
Sturz beim betrieblichen Grillen ist Arbeitsunfall
Stürzt ein Arbeitnehmer bei einem Grillabend auf einer betrieblichen Gemeinschafts-veranstaltung, liegt ein Arbeitsunfall vor. Das entschied das Sozialgericht Dortmund im Falle einer Arbeitnehmerin, die sich auf dem Weg zur Toilette das Sprunggelenk brach. Dass die Beschäftigte bereits Alkohol getrunken hatte, spielte dabei keine Rolle.
Der Fall: Eine Industriekauffrau aus Hagen nahm an einem Workshop ihres Arbeitgebers zur Verbesserung der Zusammenarbeit der Abteilungen teil. Dieser fand in einem Hotel im Sauerland statt. Dort erlitt sie während eines Grillabends einen Unfall: Auf der Veranstaltung, die mit offenem Ende und freiem Essen und Trinken geplant war, knickte die Mitarbeiterin auf dem Weg zur Toilette alkoholisiert gegen Mitternacht um und zog sich einen Bruch des linken Sprunggelenks zu.
Die Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) in Dortmund lehnte die Aner-kennung eines Arbeitsunfalles ab, weil sich die Mitarbeiterin zum Unfallzeitpunkt nicht bei einer versicherten Tätigkeit befunden habe.
Die hiergegen von der Klägerin bei dem Sozialgericht Dortmund erhobene Klage hatte Erfolg. Das Sozialgericht stellte nach Vernehmung mehrerer Zeugen fest, dass das Umknicken der Klägerin mit Bruch des linken Sprunggelenks ein Arbeitsunfall gewesen sei.
Die Arbeitnehmerin habe sich zum Unfallzeitpunkt auf einem versicherten Weg zur Toilette im Rahmen einer Betriebsgemeinschaftsveranstaltung befunden. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Vorgesetzten der Klägerin den Grillabend noch nicht beendet, auch wenn zum Unfallzeitpunkt keine Anwesenheitspflicht mehr gegolten habe.
Alkohol unschädlich für Versicherungsschutz
Die Alkoholisierung der Klägerin habe dem Ziel der Veranstaltung nicht entgegen-gestanden, denn sie sei noch zu einer angemessenen Teilnahme an dem geselligen Beisammensein in der Lage gewesen.
Für Nachtarbeit gibt es mindestens 25 Prozent Zuschlag
Es besteht ein gesetzlicher Mindestanspruch
In dem Fall wurde über die Angemessenheit und Höhe eines Nachtarbeitszuschlags gestritten. Nachtarbeit schädigt die Gesundheit, weil sie den natürlichen Lebensrhythmus stört. Daher bedarf Nachtarbeit besonderer Schutzregelungen. Sofern nicht – wie häufig – Tarifverträge Ausgleichregelungen vorsehen, greift der wichtige § 6 ArbZG.
Dort ist vorgesehen, dass der Arbeitnehmer für die »während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden einen angemessenen Zuschlag auf sein Bruttogehalt« oder entsprechend eine Anzahl freier Tage erhält. Oftmals ist allerdings unklar, welcher Nachtzuschlag angemessen ist, denn darüber sagt das Gesetz nichts.
In dem Fall war eine examinierte Altenpflegerin seit über 20 Jahren im Bereich der Seniorenbetreuung in einem privaten Pflegedienst beschäftigt. Für 35 Stunden pro Woche erhält sie einen Bruttolohn von 2.041 €. Sie arbeitet im Schichtdienst, für die zu leistenden Stunden während des Nachtdienstes erhält die Pflegerin einen Zuschlag von 1,08 pro Stunde, was in etwa 10 % des Bruttolohns beträgt. Sie verlangt die üblichen 25 % Zuschlag. Ihr Arbeitgeber hält diesen Zuschlag nicht für gerechtfertigt, da in der Nachtschicht nur die die notwendigen Tätigkeiten durchzuführen seien. Er ist der Meinung, der Zuschlag von 25 % sei nur zu gewähren, wenn auch Arbeiten auszuführen seien, die nicht zwingend nachts zu erfolgen hätten. Die übliche Gesundheitsbelastung sei mit 10 % angemessen ausgeglichen.
So entschied das Gericht
Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern verweist auf die inzwischen gefestigte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts: dieses sieht einen Zuschlag in Höhe von 25 % auf den jeweiligen Bruttostundenlohn oder – wahlweise – die Gewährung einer entsprechenden Anzahl von zusätzlichen bezahlten freien Tagen als angemessenen Ausgleich für die Belastungen der Nachtarbeit an. Bei Dauernachtarbeit oder besonderen zusätzlichen Belastungen während der Nachtarbeit könne sich der Anspruch sogar auf 30 % erhöhen.
Die Aussage des Arbeitgebers in diesem Fall, dass im Falle einer »unvermeidbaren« Nachtarbeit eine Reduzierung des Zuschlags automatisch zu erfolgen habe, entspricht gerade nicht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.
Da hier im konkreten Fall der Pflegerin nicht erkennbar war, dass ihre Nachtarbeit vor allem durch »Bereitschaftszeiten« mit geringerer Belastung geprägt war, sie als alleinig Verantwortliche eher im Gegenteil stets besonderer Verantwortung und einem besonderen physischen Druck ausgesetzt war, ist eine Absenkung des Zuschlags nicht angemessen. (LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 27.06.2018 – Aktenzeichen 3 Sa 226/17)
Gehaltserhöhung für BR-Mitglieder
Nach dem Durchschnitt der Vergleichs-Arbeitnehmer –
Die Regelung in § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG soll sicherstellen, dass Mitglieder des Betriebsrats weder in wirtschaftlicher noch in beruflicher Hinsicht gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung Nachteile erleiden. § 37 Abs. 4 BetrVG garantiert dem Betriebsratsmitglied allerdings nicht die der Höhe nach absolut gleiche Vergütung, die vergleichbare Arbeitnehmer erhalten. Nach dem Zweck der Vorschrift, das Betriebsratsmitglied vor finanziellen Nachteilen wegen der Ausübung der Betriebsratstätigkeit zu schützen, kommt es vielmehr darauf an, ob die Gehaltsentwicklung des Betriebsratsmitglieds während der Dauer seiner Betriebsratstätigkeit in Relation zu derjenigen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückgeblieben ist.
Vergleichbar sind Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben wie der Amtsträger und dafür in gleicher Weise wie dieser fachlich und persönlich qualifiziert waren. Üblich ist eine Entwicklung, die vergleichbare Arbeitnehmer bei Berücksichtigung der normalen betrieblichen und personellen Entwicklung in beruflicher Hinsicht genommen haben. Das Betriebsratsmitglied hat während der Dauer seiner Amtszeit Anspruch auf Gehaltserhöhungen in dem Umfang, in dem die Gehälter vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung erhöht werden. Werden die Vergütungen innerhalb der Vergleichsgruppe um einen bestimmten Prozentsatz angehoben, hat das Betriebsratsmitglied Anspruch auf dieselbe prozentuale Erhöhung seines Gehalts. Fallen die Gehaltserhöhungen innerhalb der Vergleichsgruppe unterschiedlich aus, kommt es darauf an, in welchem Umfang die Gehälter der Mehrzahl der der Vergleichsgruppe angehörenden Arbeitnehmer angehoben werden. Handelt es sich um eine sehr kleine Vergleichsgruppe und lässt sich deshalb nicht feststellen, dass die Gehälter der Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer in gleichem Umfang erhöht wurden, kann für den Gehaltsanpassungsanspruch des Betriebsratsmitglieds der Durchschnitt der den Angehörigen der Vergleichsgruppe gewährten Gehaltserhöhungen maßgebend sein, wenn nur auf diese Weise eine unzulässige Begünstigung oder Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds vermieden werden kann.
Ist das BR-Mitglied allerdings dem Kreis Außertariflicher Angestellter zuzuordnen, kann es den Anspruch nur dann erwerben, wenn innerhalb des Kreises der bei Amtsübernahme vergleichbaren Arbeitnehmer eine Entwicklung in dem Kreis der außertariflichen Mitarbeiter betriebsüblich ist. (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. Januar 2017 – 7 AZR 205/15)
Mitbestimmung beim Twitter-Account des Arbeitgebers
LAG Hamburg stärkt Betriebsratsrechte
Die Arbeitgeberin betreibt bundesweit durch verschiedene Tochtergesellschaften Lichtspieltheater. Der Gesamtbetriebsrat ist allein für die Kinobetriebe der Tochtergesellschaften der Arbeitgeberin gebildet. Die Arbeitgeberin unterhält einen Twitter-Account. Der Account ist keinem Lichtspieltheater zugeordnet und wird unternehmensübergreifend für die Kinobetrieb genutzt. Die Verwaltung des Accounts erfolgt durch eigene Mitarbeiter der Arbeitgeberin in der Zentralverwaltung durch ein Social Media Team.
Nach Veröffentlichung der BAG-Entscheidung vom 13.12.2016, 1 ABR 7/15 zur betrieblichen Mitbestimmung bei Facebook fasste der Gesamtbetriebsrat in seiner Sitzung am 6./7.1.2017 den Beschluss, das Beschlussverfahren wegen der Deaktivierung des Twitter-Accounts der Arbeitgeberin einzuleiten. Er ist der Auffassung, es läge ein Mitbestimmungsrecht zum Betreiben des Twitter-Accounts vor. Die Arbeitgeberin lehnte die Deaktivierung ab. Der Antrag des Gesamtbetriebsrats auf Unterlassung des Betreibens des Twitter-Accounts, solange nicht seine Zustimmung oder eine die Zustimmung ersetzende Entscheidung der Einigungsstelle vorliegt, hatte vor dem Arbeitsgericht keinen Erfolg. Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte vor dem LAG Erfolg. Die Rechtsbeschwerde wurde zugelassen.
Die Gründe:
Der Unterlassungsanspruch des Betriebsrats folgt aus § 87 Abs. 1 BetrVG, denn die Arbeitgeberin hat das Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG verletzt, indem sie für ihre Kinobetriebe einen Twitter-Account eingerichtet und genutzt hat. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat u.a. mitzubestimmen bei der Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Das Mitbestimmungsrecht ist darauf gerichtet, Arbeitnehmer vor Beeinträchtigungen ihres Persönlichkeitsrechts durch den Einsatz technischer Überwachungseinrichtungen zu bewahren, die nicht durch schutzwerte Belange des Arbeitgebers gerechtfertigt und unverhältnismäßig sind.
Twitter ist „technische Einrichtung“
Auf Basis dieser Rechtsgrundsätze ist Twitter mit seinen vorgegebenen Funktionen eine technische Einrichtung i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Durch die Eröffnung und Nutzung des Twitter-Accounts hat die Arbeitgeberin die technische Einrichtung eingeführt und wendet sie an. Twitter beinhaltet u.a. die Antwort-Funktion, die, anders als die Besuchereinträge bei Facebook, von den Nutzern nicht deaktiviert werden kann. Die Antwort-Funktion ermöglicht den Twitter-Nutzern, auf die Tweets der Arbeitgeberin Antworten zum Verhalten und zur Leistung der Arbeitnehmer auf Twitter einzustellen. Diese Antworten sind sowohl für die Arbeitgeberin als auch für die Nutzer sichtbar. Je nach dem Inhalt der Antwort kann die Arbeitgeberin diese namentlich und situationsbedingt einem bestimmten Arbeitnehmer zuordnen und zur Verhaltens- und Leistungskontrolle verwenden.
Der Umstand, dass es sich dabei um Antworten auf Tweets der Arbeitgeberin handelt, mithin um reaktive Beträge, rechtfertigt keine andere Bewertung. Das Mitbestimmungsrecht setzt nicht voraus, dass die technische Einrichtung auf die Überwachung der Leistung und des Verhaltens der Arbeitnehmer ausgerichtet ist oder dass der Arbeitgeber eine solche beabsichtigt. Überwachung i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist bereits das Sammeln von Daten, die Aussagen zum Verhalten der Arbeitnehmer beinhalten. Ob die Arbeitgeberin eine Auswertung und weitere Verarbeitung der Daten beabsichtigt, ist unerheblich. Es genügt, dass eine Beurteilung ermöglicht wird. Twitter ist daher zumindest aufgrund der Antwort-Funktion eine technische Einrichtung, die dazu geeignet ist, Daten über das Verhalten und die Leistung der Arbeitnehmer zu sammeln. Mit der Nutzung eines eigenen Twitter-Accounts als Kommunikationsmittel bietet die Arbeitgeberin ihren Kunden gezielt eine Plattform, sich über ihre Unternehmen und ihre Mitarbeiter ihr gegenüber öffentlich zu äußern.
Dass die Antworten auf Tweets der Arbeitgeberin auf den Accounts der Antwortenden verbleiben und von der Arbeitgeberin nicht gelöscht werden können, rechtfertigt ebenso keine andere Bewertung. Der Speicherort ist für die Frage des Schutzzwecks unerheblich. Es ist vielmehr die Frage, für wen die Nachrichten einsehbar sind. Dass die Antworten nicht gelöscht werden können erhöht zudem eher noch den Überwachungsdruck. (LAG Hamburg 13.9.2018, 2 TaBV 5/18)
Reisezeit ist Arbeitszeit
BAG leitet Wende der Rechtsprechung ein
In der Pressemitteilung des Gerichts heißt es, Reisen zu einer auswärtigen Arbeitsstelle seien „in der Regel wie Arbeit zu vergüten“. Dabei müsse nur geprüft werden, welche tatsächliche Reisezeit anzusetzen sei. Im konkreten Fall hatte der Mitarbeiter um eine spezielle Flugverbindung mit Zwischenstopp gebeten, obwohl ein Direktflug verfügbar gewesen wäre.
Aus den Gründen: „Entsendet der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer vorübergehend ins Ausland, erfolgen die Reisen zur auswärtigen Arbeitsstelle und von dort zurück ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers und sind deshalb in der Regel wie Arbeit zu vergüten. Erforderlich ist dabei grundsätzlich die Reisezeit, die bei einem Flug in der Economy-Class anfällt.“ (BAG Urteil vom 17.10.2018 – 5 AZR 553/17)
Grundsätzliche Bedeutung
Das BAG setzt hier seine Rechtsprechung fort, die bereits aus den Fällen von Außendienst-Fahrten bekannt ist. Auch dort wurde anerkannt, dass Fahrten zum Kunden Arbeitszeit sind (so auch der Europäische Gerichtshof – Urt.l v.10.9.2015 – C‑266/14). Schon 2002 stelle das BAG heraus: „In jedem Falle ist eine dem Arbeitgeber zugute kommende Arbeitsleistung dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer bei An- und Abreise selbst tätig werden muss und die Fahrt vom Arbeitgeber kraft Direktionsrechts bestimmt wird (vgl. BAG 16. Januar 2002 – 5 AZR 303/00). Welche Auswirkungen die Entscheidung auf die Wertung nach Arbeitszeitgesetz hat, wird das BAG wohl nicht beantworten (die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor). Entscheidend dürfte jedoch sein, hier auf die „Fremdnützigkeit“ der Arbeit abzustellen, die zur Vergütungspflicht führt.
Skandalurteil zur Videoüberwachung
BAG erlaubt lange Kontrollzeiten
In dem Fall wurde der Geschäftsraum einer Lotto-Annahmestelle mit Tabak- und Zeitschriftenhandel permanent mit einer Videokamera überwacht, die Videodateien wurden über mehr als ein halbes Jahr gespeichert, eine regelmäßige Auswertung der Videos unterblieb aus Zeitgründen. Nach der Feststellung von Inventurdifferenzen wurden u.a. auch mehr als sechs Monate alten Aufzeichnungen stichprobenartig durchgeschaut. Ergebnis war die fristlose Kündigung einer 450 €-Kraft, der vom Arbeitgeber unter Hinweis auf die Aufzeichnungen Unterschlagungen von Einnahmen zur Last gelegt wurden. Der 2. Senat hält die Auswertung langfristig vorgehaltener Videoaufzeichnungen, im Gegensatz zu den Vorinstanzen, grundsätzlich für zulässig (BAG v. 23.08.2018 – 2 AZR 133/18)
Anmerkung: Die Entscheidung, die noch zum alten Datenschutzrecht ergangen ist, zeigt die Bedeutung auf, klare Löschungsfristen für solche Überwachungssysteme zu vereinbaren. Hier geht es nicht um einen vermeintliche Schutz von Dieben, sondern um die Beachtung des Persönlichkeitsrechts bei permanenter Kontrolle
Schadenersatz bei ungerechtfertigter Versetzung
Kosten müssen erstattet werden
Ein Metallbaumeister war von seinem Arbeitgeber von Südhessen in die sächsische Niederlassung versetzt worden. Er war der Versetzung zunächst gefolgt. Das Landesarbeitsgericht stellt hierzu die Rechtswidrigkeit der Versetzung fest.
In der sächsischen Niederlassung mietete der Arbeitnehmer eine Zweitwohnung für ca. 315,00 Euro monatlich. Regelmäßige Fahrten sonntags und freitags zwischen Hauptwohnsitz und Zweitwohnung fanden ebenfalls statt. Mit seiner Klage hat der Metallbaumeister von seiner Arbeitgeberin Schadensersatz gefordert. Er verlangt die Erstattung der Kosten der Zweitwohnung, der wöchentlichen Heimfahrten, die Vergütung der Fahrzeit und ein Tagegeld.
Weil eine unbillige Weisung, also hier die Versetzung, unbeachtlich ist, sprach ihm das Hessische Landesarbeitsgericht den Schadenersatz zu. Er erhielt EUR 1.887,36 Euro (Mietkosten), die Hälfte der Pendelfahrten und zusätzlich noch EUR 776 Tagegeld zugesprochen. (Hess. Landesarbeitsgericht, Urteil vom 10. November 2017 – 10 Sa 964/17)
Kein Abrunden von Urlaubstagen
eine unendliche Geschichte
Ein Abrunden von Urlaubsansprüchen kommt ohne Rechtsgrundlage nicht in Frage. Hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub, der weniger als einen halben Tag beträgt, dann bleibt ihm der bruchteilige Anspruch bis zur letzten Sekunde erhalten – so das BAG.
Das war der Fall:
Eine Fluggastkontrolleurin arbeitete an einem Flughafen im Schichtdienst. Ihr stand aus dem Jahr 2016 ein Anspruch von 28,15 Urlaubstagen zu. Der Arbeitgeber gewährte ihr nur 28 volle Tage und meinte, den Rest abrunden zu können. In der Folge weigerte er sich standhaft diesen Bruchteil zu gestatten, weswegen die Beschäftigte nun Schadenersatz für die nicht gewährten 0,15 Tage verlangt. Für die Beschäftigte gilt ein Manteltarifvertrag (MTV), der aber keine Rundungsvorschriften für Urlaubstage enthält.
Zuletzt hatte das LAG Köln zu ihren Gunsten entschieden und ihr Schadenersatz in Form von Ersatzurlaub für das Jahr 2016 zugesprochen (LAG Köln 24.5.2017 – 3 Sa 826/16). Dagegen hatte der Arbeitgeber Revision eingelegt.
Das sagt das Gericht:
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) macht definitiv Schluss mit dem Abrunden von Urlaubsansprüchen. Das eigenmächtige Abrunden des Urlaubsanspruchs durch den Arbeitgeber war unzulässig. Der Arbeitnehmerin stand ein Gesamtanspruch von 28,15 Urlaubstagen zu. Das zugrunde liegende Urteil des LAG Köln war demnach richtig.
Das BAG verweist auf seine bisherige Rechtsprechung zur Frage der Rundung von Urlaubsansprüchen. Hiernach kommt eine Rundung von Bruchteilen von Urlaubstagen ohne Rechtsgrundlage nicht in Betracht. Eine auf die Situation anwendbare Rundungsvorschrift ist weder im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) noch in dem hier geltenden MTV enthalten. Aus diesem Grund darf der bruchteilige Urlaubsanspruch der Klägerin nicht abgerundet werden, so das BAG.
Das ist zu beachten:
Damit gilt nun: Sowohl für das Auf- als auch für das Abrunden muss es eine Rechtsgrundlage geben, entweder aus dem Gesetz oder einem Tarifvertrag. Das BUrlG hält ein Abrunden in wenigen Fällen für zulässig, wenn der Arbeitnehmer nur einen Teilurlaubsanspruch erworben hat (§ 5 Abs. 1 BUrlG). Ein Aufrunden sieht das BUrlG nur von halben auf volle Urlaubstage vor (§ 5 Abs. 2 BUrlG). Diese Vorschrift gilt nur für den gesetzlichen Mindesturlaub. Allerdings kann der jeweils für das Arbeitsverhältnis geltende Tarifvertrag eine weitergehende Regelung für den tariflichen Mehrurlaub und bruchteilige Urlaubstage enthalten. (BAG, Urteil vom 23.1.2018 – 9 AZR 200/17)
Bezahlung von Umkleidezeiten – auch wenn der TV dagegen spricht
Bundesarbeitsgericht stellt für „auffällige Dienstkleidung“ klar
Der Fall spielt im Bereich der Geld- und Werttransporte. Laut Manteltarifvertrag sind die Arbeitgeber zur kostenlosen Gestellung von Dienstkleidung und die Arbeitnehmer zur Nutzung derselben verpflichtet. Das Tragen der Dienstkleidung außerhalb der Arbeitszeit ist nur nach vorheriger Genehmigung des Arbeitgebers erlaubt. Explizite Regelungen zur Vergütungspflicht für Umkleidezeiten sind weder im Arbeitsvertrag noch in den Tarifverträgen enthalten. Dort finden sich lediglich generelle Bestimmungen zu Arbeitsort und Dienstbeginn. Die Klägerin trägt während der Arbeit Sicherheitsschuhe und ein schwarzes Poloshirt, das vorne und hinten mit einem großen gelben Firmenlogo bedruckt ist. Sie kleidet sich im Betrieb um. Sie ist der Ansicht, das Umkleiden am Arbeitsort sei als Arbeitszeit zu vergüten. Sie erhob Klage auf Vergütung ihrer bisherigen Umkleidezeiten.
Das Bundesarbeitsgericht gab ihr Recht. Das An- und Ablegen einer besonders auffälligen Dienstkleidung ist eine nach § 611 I BGB vergütungspflichtige Arbeit, sofern der Arbeitnehmer dabei ausschließlich fremdnützig handelt. Das war bei der Klägerin der Fall. Ihre Dienstkleidung war besonders auffällig, da der Schriftzug des Unternehmens auf der Kleidung deutlich erkennbar sei. Zudem sei sie zum Tragen der Dienstkleidung verpflichtet gewesen und tue dies ausschließlich auf Weisung und im Interesse des Arbeitgebers und damit fremdnützig. Weder der Arbeitsvertrag noch die einschlägigen tariflichen Regelungen enthielten Klauseln, die eine Vergütung für das Umkleiden ausdrücklich ausschließen. Sie enthielten auch keine klaren Vorgaben zu Beginn und Ende der Arbeitszeit. Vielmehr sah der Tarifvertrag vor, dass der Dienst „mit der Aufnahme der Tätigkeit gemäß Dienstanweisung“ beginne und ende. Das ließ nach Ansicht des BAG die Auslegung zu, die Umkleidezeit sei vergütungspflichtige Dienstzeit (BAG, Urteil vom 25.04.2018 – 5 AZR 245/17).
BR-Widerspruch per E-Mail ausreichend
Textform ist laut BAG gewahrt
„Die E-Mails genügen dem in § 99 BetrVG vorgesehenen Schriftlichkeitsgebot. Zu dessen Wahrung bedarf es nicht der Schriftform des § 126 BGB. Es genügt die Einhaltung der Textform des § 126b BGB. Deren Anforderungen werden die E-Mails gerecht. Sie enthalten den Namen des handelnden Betriebsratsvorsitzenden; der Abschluss der Erklärung ist durch eine Grußformel und die Angabe des Namens eindeutig kenntlich gemacht“, so das BAG zur generellen Frage der Formvorschrift.
Fehlende Information kann nachgeholt werden
Auf den Umstand, dass die Unterrichtung zunächst unzureichend war, geht das BAG auch ein. Der Betriebsrat konnte in dem Fall ohne Angabe der Berufsjahresstufe nicht beurteilen, ob die Zuordnung des Arbeitnehmers gegen den Tarifvertrag verstößt. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats umfasst auch die Einreihung in die zutreffende, auch Beschäftigungszeiten oder Lebensaltersstufen berücksichtigende Vergütungs- und Fallgruppe. Allerdings hat die Arbeitgeberin die zunächst unzureichende Unterrichtung jedenfalls mit der im vorliegenden Beschlussverfahren im Schriftsatz nachgeholt. In Fällen, in denen der Betriebsrat auf eine unvollständige Unterrichtung hin seine Zustimmung verweigert hat, kann der Arbeitgeber auch noch im Zustimmungsersetzungsverfahren die fehlenden Informationen nachholen, sofern für den Betriebsrat erkennbar ist, dass der Arbeitgeber die Informationen auch deswegen vervollständigt, weil er seiner ggf. noch nicht vollständig erfüllten Unterrichtungspflicht aus § 99 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BetrVG nachkommen möchte. (Bundesarbeitsgericht vom 21.3.2018, 7 ABR 38/16)
„Office 365“ – wie beherrschen?
Sachverständiger Rat nötig
Natürlich kann man durch geeignete technische Maßnahmen diese totale Kontrolle verhindern, dies bedarf aber sorgfältiger Vereinbarungen. Office 365 wird nicht mehr verkauft, sondern vermietet. Microsoft erhält regelmäßig Zahlungen für die Nutzung und muss seine Kunden nicht mehr mit immer neuen Versionen zum Neukauf bewegen. Deshalb wird es keine Versionen von Office 365 mehr geben. Stattdessen wird das System ständig weiterentwickelt und kontinuierlich erweitert. Verbesserungen und Neuerungen erscheinen im Wochenrhythmus. Was anfangs mit wenigen Anwendungen rund um Word, Powerpoint und Excel begann, umfasst mittlerweile eine Vielzahl von Anwendungen, wie Personaleinsatzplanung, Workflow-Management und Compliance Management. Selbst der Datenschutz nach der EU Datenschutzgrundverordnung soll mit dem System gehandhabt werden.
Ständiger Änderungsprozess
Eine Betriebsvereinbarung muss zu diesem ständigen Änderungsprozess von Office 365 passen. Es reicht nicht mehr, eine feste Regelung zu treffen, die unverändert gilt, bis die nächste Version ins Haus steht. Mit der Nutzung von Office 365 stellen sich ständig neue mitbestimmungsrelevante Fragen, die geregelt werden müssen. Es gilt, genauso präzise wie praxistauglich zu regeln, wie dieser kontinuierliche Beteiligungsprozess durchzuführen ist.
Weil Office 365 zentral von Microsoft verteilt wird, stellen sich sehr viele Probleme in den einzelnen Betrieben sehr ähnlich dar, und die Fragen stellen sich zum gleichen Zeitpunkt. Daher können betriebsübergreifende Kooperationen oder die die Hinzuziehung von externen Experten den nicht unerheblichen Arbeitsaufwand für die Interessenvertretungen deutlich reduzieren. [Beitrag von Peter Ansorge (Universität Bremen) ansorge@akziv.com.] Auf Wunsch beraten wir zusammen mit Peter Ansorge Betriebsräte, wie bei geplanter Einführung von Office 365 vorzugehen ist.
Schon einmal „zuvor“ beschäftigt?
Bundesverfassungsgericht stellt klar
Das sog. „Vorbeschäftigungsverbot“ geregelt in § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ist verfassungsgemäß, so das Bundesverfassungsgericht. Es kann – entgegen der Auffassung des BAG – nicht dahingehend ausgelegt werden, dass eine weitere sachgrundlose Befristung zwischen denselben Vertragsparteien zulässig ist, wenn zwischen den Arbeitsverhältnissen ein Zeitraum von mehr als drei Jahren liegt.
In dem Verfahren lagen zwei Klagen von Arbeitnehmern auf Entfristung ihrer Arbeitsverträge zugrunde. Die Kläger hatten gegenüber ihren jeweiligen Arbeitgebern geltend gemacht, dass die zuletzt vereinbarten sachgrundlosen Befristungen ihrer Arbeitsverhältnisse unwirksam seien, da sie gegen § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG verstießen. Schließlich seien sie zuvor bereits jeweils bei demselben Arbeitgeber beschäftigt gewesen.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sah die Auslegung des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG durch das BAG als mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht vereinbar an.
Berufsfreiheit beeinträchtigt
Das Verbot sachgrundloser Befristung eines Arbeitsvertrags, wenn zuvor bereits einmal ein Beschäftigungsverhältnis vorlag, beeinträchtigt die Berufswahlfreiheit von Arbeitssuchenden (Art. 12 Abs. 1 GG) und die berufliche und wirtschaftliche Betätigungsfreiheit von Arbeitgebern (Art. 12 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG). Das BVerfG wies darauf hin, dass dem Arbeitgeber Alternativen zur sachgrundlosen Befristung zur Verfügung stehen, wozu auch die vom Gesetzgeber in bestimmten Fällen erlaubte, mit Sachgrund befristete Beschäftigung gehört. In der Abwägung mit dem Schutz der Beschäftigten im Arbeitsverhältnis und den im Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG) verankerten sozial- und beschäftigungspolitischen Zielsetzungen ist dies grundsätzlich zumutbar.
Ausnahmen nur bei Nebenbeschäftigung und Werkstudenten
Das Gericht wies allerdings auch auf Fälle hin, in denen die Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist, wie etwa das geringfügige Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studienzeit oder der Familienzeit, die Tätigkeit von Werkstudierenden oder die lang zurückliegende Beschäftigung von Menschen, die sich später beruflich völlig neu orientieren.
Ins Stammbuch geschrieben wurde dem BAG, mit der richterlichen Rechtsfortbildung den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht übergehen zu dürfen und durch ein eigenes Regelungsmodell zu ersetzen. Hier hatte sich der Gesetzgeber nämlich klar erkennbar gegen eine solche Frist entschieden.
(BVerfG 6.6.2018, 1 BvR 1375/14)
Auch Arbeitgeber müssen Ausschlussfristen beachten
Autohaus verliert Prozess auf Schadenersatz
In dem Fall verlangte das Autohaus von einem Verkäufer Schadenersatz, weil er entgegen bestehender Anweisungen ein Auto an einen Käufer herausgegeben hatte, das noch nicht vollständig bezahlt war. Der Kunde hatte zwar bereits eine Anzahlung geleistet, drängte dann aber auf Überlassung des PKW „für das kommende Wochenende“ und sagte zu, das Fahrzeug am Montag zurückzubringen. Das Fahrzeug kam nicht zurück, das Autohaus erstattete Strafanzeige, der Kunde wurde in Italien festgenommen und das Auto beschlagnahmt. Da die italienischen Behörden das Auto aber an den Kunden zurückgaben, musste eine Detektei mit der Suche beauftragt werden.
Der Kunde und das Auto blieben allerdings verschwunden.
Schließlich reichte das Autohaus am 20. August 2015 Klage gegen den Kunden ein, die Klage konnte aber nicht zugestellt werden.
Das Autohaus forderte nun mit Schreiben vom 20.11.2015 den bei ihr beschäftigten Verkäufer auf, seine Verpflichtung zum Schadensersatz dem Grunde nach anzuerkennen und ein Schuldanerkenntnis zu unterschreiben. Im Dezember erhob das Autohaus
Klage auf Zahlung von Schadensersatz iHv. 29.191,61 Euro.
Das Bundesarbeitsgericht schmetterte den Anspruch auf Schadenersatz ab.
Begründung: Ansprüche sind aufgrund der dreimonatigen Ausschlussfrist im Arbeitsvertrag verfallen.
Die Ausschlussfrist begann nämlich spätestens zu dem Zeitpunkt zu laufen, als sich das Autohaus entschlossen hatte, Klage gegen den Kunden zu erheben, mithin jedenfalls vor dem 20. August 2015, so dass das Schreiben vom 20. November 2015, sofern dieses überhaupt die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Geltendmachung erfüllt, die Ausschlussfrist nicht gewahrt hat.
(Bundesarbeitsgericht Urteil vom 7. Juni 2018 – 8 AZR 96/17)
Arbeitnehmer muss Chef seine private Handynummer nicht mitteilen
… nur bei besonderen Ausnahmen
Hintergrund der Entscheidung war ein Streit aufgrund der Neu-Organisation des Bereitschaftsdienstes im Gesundheitsamt des Landkreises Greiz. In Zeiten des Bereitschaftsdienstes an Wochenenden und Feiertagen etc. sollten Mitarbeiter auf dem Diensthandy und zusätzlich über Ihre privaten Festnetz- und Mobilfunknummer erreichbar sein. Sowohl die dienstliche als auch die privaten Rufnummern wurden an die Rettungsleitstelle weitergegeben. Dies ging einigen Beschäftigten zu weit und sie verweigerten die Bekanntgabe der privaten Mobilfunknummer.
Arztbesuch während der Arbeitszeit
Facharzttermin geht vor
In dem Fall ging es um die Auslegung einer Tarifregelung (MTV Groß- und Außenhandel Niedersachsen), nach der bei „unverschuldeter Arbeitsversäumnis das Entgelt nur für die unumgänglich notwendige Abwesenheit, höchstens jedoch bis zur Dauer von 4 Stunden, fortgezahlt wird“. Der Kläger hatte für 1,5 Stunden einen Facharzttermin bei einem Orthopäden wahrgenommen. Unstreitig ist, dass er keinen Arzttermin außerhalb der betrieblichen Arbeitszeit erhalten konnte. Für die Zeit vor und nach dem Termin stellte er einen Antrag auf Freizeitausgleich. Die Firma stellte ihm die gesamte Tagesarbeitszeit als Minus in sein Arbeitszeitkonto. Mit seiner Klage wollte der Kläger die 1,5 Stunden gutgeschrieben bekommen.
RECHTSTIPP: Betriebsvereinbarungen müssen überarbeitet werden!
Neuer Datenschutz ab Mai 2018
„Die Uhr tickt“ und es nicht mehr viel Zeit, bestehende Betriebsvereinbarungen an das neue Datenschutzrecht anzupassen. Ab 25. Mai 2018 gelten das neue BDSG (Bundesdatenschutzgesetz) und die DSGVO (europäische Datenschutz-Grundverordnung).
Neues Arbeitsrecht im Koalitionsvertrag
Wichtige Neuerungen zu erwarten
Befristete Teilzeit, Einschränkung der sachgrundlosen Befristung, Höchstdauer von Kettenbefristungen, Einschränkung der Arbeit auf Abruf, Auskunftsanspruch zur Mobilarbeit. Der Koalitionsvertrag enthält interessante Planungen im Arbeitsrecht.
Verdachtskündigung nur mit ausreichender Anhörungsfrist
Nur 2 Tage reichen nicht aus
Wer einem Arbeitnehmer gegenüber eine Verdachtskündigung aussprechen will, kann dies bei hinreichend schwerem Verdacht rechtlich wirksam tun. Der Arbeitgeber muss aber den betroffenen Mitarbeiter vorher zu den Vorwürfen anhören. Dabei ist ihm eine angemessene Zeit für die Beantwortung einzuräumen. Setzt der Arbeitgeber dagegen eine zu kurze Frist und kündigt dem Arbeitnehmer nach deren Ablauf, ohne dass die Stellungnahme des Betroffenen vorliegt, so ist die Kündigung als Verdachtskündigung rechtsunwirksam.
„Begünstigung“ Betriebsrat-Mitglied durch Aufhebungsvertrag?
Bundesarbeitsgericht (BAG) akzeptiert Abfindung
Scheidet ein BR-Mitglied durch Aufhebungsvertrag mit Abfindung aus, stellt sich die Frage nach einer evtl. unzulässigen Begünstigung. Gerade wenn die Abfindung entsprechend hoch ausfällt. Das BAG akzeptiert diese Praxis ausdrücklich.