Vertretung Arbeitnehmer +++ Fachanwälte für den Betriebsrat +++ sechzehn Fachanwälte für Arbeitsrecht +++ jahrzehntelange Erfahrung +++

Frische BRise - Podcasts zum Thema Arbeitsrecht

Whistleblowing einmal andersherum – Strafanzeigen gegen Arbeitnehmer setzen innerbetrieblichen Klärungsversuch voraus

In dem Fall ging es um einen Fahrer, der in einem Werttransportunternehmen beschäftigt war. Er hatte einen Geldschein eines Kunden zur Überprüfung seiner Echtheit der Polizei übergeben. Nach Rückerhalt des Geldscheins gab er diesen in einer Filiale der Arbeitgeberin ab, was allerdings nicht quittiert wurde.
Als der Kunde später nach dem Verbleib des Geldscheins fragte und der Vorgang nicht nachvollzogen werden konnte, erstattete die Beklagte Strafanzeige gegen den zwischenzeitlich aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Kläger, ohne diesen hierzu zu befragen.

Nach Aufklärung des Sachverhalts stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren ein. Der Kläger hatte einen Rechtsanwalt mit der Vertretung seiner Interessen beauftragt und verlangte von der Beklagten die Erstattung der Kosten. Das Arbeitsgericht gab seiner hierauf gerichteten Klage statt.
Das Gericht: Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung seiner Anwaltskosten.

Zwar darf jemand, der gutgläubig eine Strafanzeige erstattet, nicht mit dem Risiko eines Schadensersatzanspruchs belegt werden, wenn sich der Verdacht später nicht bestätigt. Dieser Grundsatz gilt im Arbeitsverhältnis allerdings nicht uneingeschränkt.
Im Arbeitsverhältnis bestehen nämlich besondere Fürsorgepflichten, nach denen die eine Partei der anderen nicht grundlos Nachteile zufügen darf. Danach müssen Arbeitgeber leicht vermeidbare Strafanzeigen gegen ihre Arbeitnehmer unterlassen. Die Beklagte hätte daher den Kläger vor Erstattung der Anzeige befragen und den Sachverhalt auf diese Weise ggf. aufklären müssen.
ArbG Köln 6.11.2014, 11 Ca 3817/14


Mobbing: Anspruch auf Schmerzensgeld verwirkt nicht

Der Kläger macht gegen seinen früheren Vorgesetzten einen Schmerzensgeldanspruch wegen Verletzung der Gesundheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Höhe von mindestens 10.000 Euro geltend. Er stützt sich dabei auf Vorfälle in den Jahren 2006 bis 2008, die er als Isolierung, Herabwürdigung und Schikane wertet. Der letzte Vorgang soll am 8. Februar 2008 stattgefunden haben. Der Kläger war 2007 an 52 Tagen, 2008 an 216 Tagen und 2009 durchgängig bis August arbeitsunfähig, unter anderem wegen Depression. Die Klage ging Ende Dezember 2010 bei Gericht ein. Das LAG hat einen möglichen Schmerzensgeldanspruch allein wegen Verwirkung abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte vor dem Achten Senat des BAG Erfolg. Sie führte zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LAG. Eine Verwirkung, die nur unter ganz besonderen Umständen zu bejahen ist, scheidet hier aus. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist ein bloßes Zuwarten nicht als „treuwidrig“ anzusehen. Ein Unterlassen begründet nur dann ein Umstandsmoment, wenn aufgrund zusätzlicher besonderer Umstände eine Pflicht zur zeitnahen Geltendmachung besteht. In der vorzunehmenden Gesamtabwägung darf nicht auf eventuelle Beweisschwierigkeiten auf Seiten des Anspruchsgegners abgestellt werden. Das durch Richterrecht geschaffene Institut der Verwirkung darf in seiner Anwendung nicht dazu führen, dass die gesetzliche Verjährung unterlaufen wird. Das LAG wird nunmehr zu prüfen haben, ob tatsächlich ein Mobbinggeschehen festzustellen ist. (BAG, Urteil vom 11. Dezember 2014 – 8 AZR 838/13)


Abstimmung im Betriebsrat – Wer schweigt stimmt zu

Diese „Zählweise“ wurde von der Minderheit im Gremium angefochten und das Gericht musste entscheiden. Das Gericht stellte klar: „Will ein Betriebsratsmitglied nicht teilnehmen, auch nicht in Form einer Stimmenthaltung, muss er seine Nichtteilnahme ausdrücklich in der Sitzung erklären. Im Zweifelsfall ist der Sitzungsleiter gehalten durch Nachfrage zu klären, ob Stimmenthaltung oder Nichtteilnahme eines Betriebsratsmitglieds vorliegt. Lässt sich keine Klärung herbeiführen, ist von einer Stimmenthaltung auszugehen. Danach kommt auch ein beredtes Schweigen bzw. schlüssiges Verhalten als Form der Zustimmung oder der Ablehnung eines Antrags in Betracht, so etwa dann, wenn der Sitzungsleiter zuerst die Nein-Stimmen und die Enthaltungen abfragt und zählt und dann die Differenz zwischen Nein-Stimmen und Enthaltungen einerseits und der Zahl der anwesenden Betriebsmitglieder andererseits ermittelt und dies auch verlautbart.“

Wie viele (rechnerische) Ja-Stimmen dies ergeben würde, sei übrigens aus der Zahl der Anwesenden – laut Protokoll – zu ermitteln. Im Sitzungsprotokoll war vermerkt worden, wie viel Betriebsratsmitglieder zu Beginn der Betriebsratssitzung im Sitzungssaal anwesend waren und welche konkreten – namentlich benannten – Betriebsratsmitglieder danach vor und nach welchen Beschlussfassungen den Sitzungssaal verlassen oder ihn (wieder) betreten hatten. Deshalb war klar, wie viel Ja-Stimmen für die Feststellung der Mehrheit erforderlich waren. (LAG Baden -Württemberg, Beschluss vom 12. März 2014 – 21 TaBV 6/13)


Mindestentgelt auch für Bereitschaftsdienst – Entscheidung wirkt sich auf Mindestlohn aus

Die Klägerin des Verfahrens war bei einem privaten Pflegedienst als Pflegehelferin gegen ein Bruttomonatsentgelt von 1.685,85 Euro beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehörte unter anderem die Pflege und Betreuung von zwei Schwestern einer Katholischen Schwesternschaft, die beide an Demenz leiden und an den Rollstuhl gebunden sind. Neben den eigentlichen Pflegeleistungen oblagen der Klägerin auch Tätigkeiten im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung (Zubereiten von Frühstück und Abendessen, Wäschewechseln und -waschen). Die Klägerin arbeitete in zweiwöchigen Rund-um-die-Uhr-Diensten, während derer sie verpflichtet war, an der Pflegestelle anwesend zu sein. Sie bewohnte in den Arbeitsphasen im Haus der Schwesternschaft ein Zimmer in unmittelbarer Nähe zu den zu betreuenden Schwestern. Diese nahmen täglich von 11:45 bis 12:45 Uhr am gemeinsamen Mittagessen der Schwesternschaft und von 17:50 bis 18:50 Uhr am Gottesdienst teil.

Mindestentgelt für jede Form von Arbeit
Mit ihrer Klage forderte sie für die Monate August bis Oktober 2010 die Nachzahlung von insgesamt 2.198,59 Euro brutto und machte geltend, das Mindestentgelt von damals 8,50 Euro je Stunde nach § 2 Abs. 1 PflegeArbbV vom 15. Juli 2010 sei für jede Form der Arbeit zu zahlen. Der Pflegedienst wendete ein, die Klägerin habe nicht 24 Stunden am Tag gearbeitet. Das Mindestentgelt nach der PflegeArbbV sei nicht für Bereitschaftsdienst zu zahlen. Für diesen könne arbeitsvertraglich eine geringere Vergütung vereinbart werden. Das ArbG hatte die Klage überwiegend abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das LAG der Klage auf der Basis von 22 mit dem Mindestentgelt zu vergütenden Stunden je Arbeitstag im Rund-um-die-Uhr-Dienst stattgegeben. Die Zeiten des Mittagessens und der Teilnahme am Gottesdienst hat das Landesarbeitsgericht als nicht zu vergütende Pausen gewertet. 

Die Revision des Pflegedienstes blieb vor dem BAG erfolglos. Das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV sei nämlich „je Stunde“ festgelegt und knüpft damit an die vergütungspflichtige Arbeitszeit an. Dazu gehören nicht nur die Vollarbeit, sondern auch Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst. Während beider muss sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort bereithalten, um im Bedarfsfall zu arbeiten.
Zwar kann dafür ein geringeres Entgelt als für Vollarbeit bestimmt werden. Von dieser Möglichkeit hat der Verordnungsgeber im Bereich der Pflege aber keinen Gebrauch gemacht. Deshalb sind arbeitsvertragliche Vereinbarungen, die für Bereitschaftsdienst in der Pflege ein geringeres als das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV vorsehen, unwirksam. (BAG, Urteil vom 19. November 2014)


Lohnersatz im akuten Pflegefall

Arbeitnehmer, die in einer akut aufgetretenen Pflegesituation die Versorgung eines Angehörigen organisieren oder sicherstellen müssen, können unabhängig von der Arbeitnehmerzahl ihres Arbeitgebers bis zu zehn Tagen der Arbeit fernbleiben. Das sieht die Neuregelung in § 2 Abs. 1 Pflegezeitgesetz vor. Voraussetzung ist, dass sich die Pflegebedürftigkeit plötzlich und unerwartet ergibt bzw. gravierend verändert hat und keine andere Person die erforderliche Pflege bzw. die Organisation die Pflege erbringen kann oder erbringen will. Eine Zustimmung seitens des Arbeitgebers ist nicht erforderlich. Dem Arbeitgeber muss die Verhinderung sowie deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitgeteilt werden (§ 2 Abs. 2 S. 1 PflegeZG). Eine Wartezeit gibt es für den Arbeitnehmer nicht. Das heißt, dass ein Arbeitnehmer bereits vom ersten Arbeitstag an von diesen Rechten Gebrauch machen kann. Der Arbeitgeber kann eine ärztliche Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen und die Erforderlichkeit der notwendigen Maßnahmen verlangen (§ 2 Abs. 2 S. 2 PflegeZG).

In der Zeit der kurzfristigen Arbeitsverhinderung im akuten Pflegefall besteht Anspruch auf Lohnersatzleistung, das sogenannte Pflegeunterstützungsgeld. Dieses ist in Anlehnung an das Kinderkrankengeld geregelt und beträgt 70 % des Bruttoentgelts, maximal 90 % des Nettoverdienstes.
Eine vollständige oder teilweise Freistellung zur Pflege ist bis zu sechs Monaten möglich (bei Arbeitgebern mit mehr als 15 Arbeitnehmern), wenn Angehörige in häuslicher Umgebung zu pflegen sind. Den Anspruch haben Voll- und Teilzeitbeschäftigte, Minijobber und befristet Beschäftigte und Auszubildende. Eine Wartezeit gibt es nicht, es ist aber auch keine Entgeltfortzahlung vorgesehen.

Anspruch auf zinsloses Darlehen
Neu eingeführt wurde ein Anspruch der Arbeitnehmer auf ein zinsloses Darlehen des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, welches den Einkommensausfall teilweise abfedern soll.

Neu: Familienpflegezeitgesetz
Mit dem sogenannten Familienpflegezeitgesetz ist eine Teilfreistellung zur Pflege bis zu 24 Monaten möglich (bei Arbeitgebern mit mehr als 25 Arbeitnehmern). Es muss während der Teilzeit zwingend mindestens 15 Stunden wöchentlich gearbeitet werden (Pflegezeit und Familienpflegezeit werden jedoch zusammengerechnet). Die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen ist – ähnlich wie bei der Pflegezeit – durch eine entsprechende Bescheinigung nachzuweisen. Auch hierfür ist ein Darlehen vorgesehen. Das Darlehen gewährt das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben. Das Darlehen muss im Anschluss an die Freistellung innerhalb von 48 Monaten zurückgezahlt werden.

 


Betriebsrente – Bezug der gesetzlichen Rente erforderlich

Wann Betriebsrente gezahlt wird, bestimmt sich danach, dass auch die gesetzliche Rentenzahlung einsetzt. Diesen Grundsatz hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) erneut in einem Fall festgestellt, bei dem sich die Klägerin darauf berufen hatte, dass nach der Versorgungsregelung (AVH) bei weiblichen Mitarbeitern Versorgungsbezüge nach Vollendung des 60. Lebensjahres bezogen werden konnten. Aufgrund der geänderten Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung konnte sie jedoch gesetzliche Rente frühestens mit Vollendung des 63 Lebensjahres beziehen. Dies sei, so das BAG, auch wesentliche Voraussetzung für den möglichen Bezug einer Betriebsrente. Auch sei die Regelung in der Versorgungsordnung nicht als “feste”, sondern als “flexible” Altersgrenze zu verstehen.

BAG vom 13.01.2015 – 3 AZR 894/12

 


Telearbeit – Widerruf ist „Versetzung“

Der Kläger war bei einer überregional tätigen Bank, zuletzt als Firmenkundenbetreuer tätig. Die Parteien vereinbarten im Jahr 2005 alternierende Telearbeit. Ausweislich dieser Vereinbarung war der Kläger zu mindestens 40% an der häuslichen Arbeitsstätte tätig. Die betriebliche Arbeitsstätte war die Niederlassung der Bank, die je nach Verkehrsweg 70 bis 90 km vom Wohnort des Klägers entfernt lag. In der Vereinbarung zur Telearbeit hieß es, dass ein Rechtsanspruch auf einen alternierenden Telearbeitsplatz nicht begründet wird. Weiter war vereinbart, dass die häusliche Arbeitsstätte von beiden Parteien mit einer Ankündigungsfrist von vier Wochen aufgegeben werden kann. Nachdem die Parteien im Herbst 2013 erfolglos über die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses verhandelt hatten, kündigte die Beklagte die Vereinbarung der Telearbeit. Dabei beteiligte sie den Betriebsrat nicht.
Das LAG stellte hauptsächlich darauf ab, ein Widerruf müsse auch die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen. Außerdem sei der Betriebsrat zu hören gewesen, weil die Einbindung des Arbeitnehmers in den Betriebsablauf und die Aufgabenerfüllung bei teilweiser Telearbeit eine völlig andere ist, als ohne Telearbeit. Die Entscheidung ist nicht endgültig, Revision zum BAG wurde zugelassen. (LAG Düsseldorf, 10.09.2014, 12 Sa 505/14)


Spielsüchtiger Arbeitnehmer kündbar? … nach insg. 33 Kündigungen

Die insgesamt veruntreute Summe beläuft sich auf mehr als 100.000 Euro. Deshalb die Kündigungen.
Der Arbeitnehmer hat die ihm zur Last gelegten Taten ein-geräumt, aber die Ansicht vertreten, die Gemeinde habe ihm gleichwohl nicht kündigen dürfen. Aufgrund seiner Spielsucht fehle ihm die Impuls- und Steuerungsfähigkeit, so dass ihm die Handlungen nicht vorwerfbar seien. Entsprechend einer bei ihr geltenden „Dienstvereinbarung Sucht“ sei die Gemeinde verpflichtet gewesen, vor dem Ausspruch einer Kündigung zunächst ein abgestuftes Verfahren, bestehend aus Erstgespräch, Zweitgespräch, Ermahnung, 1. Abmahnung und weiterer Abmahnung, zu durchlaufen. Die Gemeinde, für die seine Spielsucht offensichtlich gewesen sei, habe ihre Kontroll- und Überwachungspflichten verletzt.
Das ArbG Düsseldorf (2 Ca 3420/14) hat die gegen die Kündigungen gerichtete Klage abgewiesen und bereits die erste Kündigung als wirksam erachtet.
Nach Auffassung des ArbG ist die „Dienstvereinbarung Sucht“ nicht einschlägig. Die Auslegung der Vereinbarung ergebe, dass das darin geregelte abgestufte Sanktionsverfahren Pflichtverletzungen wie z.B. Verspätungen oder qualitative Fehlleistungen betreffe, die auf typischen, suchtbedingten Ausfallerscheinungen beruhten, nicht aber strafbare Handlungen.


Winterreifenwechsel – keine Arbeitszeit über 10 Std. – Ausnahmen nicht möglich

„Ausgangspunkt ist die Zielsetzung des § 1 ArbZG, der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer. Relevant für die Auslegung sind auch die unionsrechtlichen Vorgaben nach Art. 17, 18 der RL 2003/88/EG. Danach müssen Abweichungen von den allgemeinen Arbeitszeitregelungen auf das unbedingt Erforderliche begrenzt werden. Ausnahmsweise kann die zuständige Arbeitsschutzbehörde in außergewöhnlichen Fällen, insbesondere Notfällen die Arbeitszeitgrenzen verlängern, § 14 Abs. 1 ArbZG. Ein solcher Notfall lag im konkreten Fall aber nicht vor.
Die Leistungsgrenze für körperlich anstrengende Montagearbeiten mit Blick auf die Hand- und Arm-Vibrationsbedingungen durch die Schlagschrauber ist – nach Erkenntnissen der Berufsgenossenschaft – nach sieben Stunden erreicht.“ Es könnten – so das Gericht – auch andere organisatorische Maßnahmen, wie etwa Samstagsarbeit oder die Einstellung von Hilfskräften genutzt werden. Außerdem müsse erst eine Gefährdungsbeurteilung vorgenommen werden, die insbesondere auch die Auswirkungen von verlängerten Arbeitszeiten berücksichtigt. (VGH Mün-chen, 13.03.2014, 22 ZB 14.344)


Der lange Weg des Betriebsrats zur Toilette

So das Hessische LAG in dem hier vorliegenden Eilverfahren, mit dem der Betriebsrat eines Frachtunternehmens am Flughafen Frankfurt mit etwa 95 Arbeitnehmern das versetzen der Tür zu seinem Büro verhindern wollte. Die Baumaßnahme, so der Betriebsrat, habe Auswirkungen auf die Toilettenbenutzung. Sie verlängere den Weg zur Damentoilette auf 200 m. Das sei dem weiblichen Ersatzmitglied des Betriebsrats nicht zumutbar. Nachdem das ArbG Frankfurt a.M. den Eilantrag zurückgewiesen hat, verfolgt der Betriebsrat sein Ziel weiter vor dem Hessischen LAG.
Nach Auffassung des Hessischen LAG stehe dem Betriebsrat für die Umbaumaßnahme kein Mitbestimmungsrecht zu. Auch eine Behinderung der Betriebsratsarbeit sei nicht erkennbar, insbesondere nicht durch einen verlängerten Weg zur Damentoilette. Der Betriebsrat habe zwar Anspruch auf angemessene Unterbringung. Diese sei aber auch bei versetzter Tür gewährleistet. Die Entscheidung ist rechtskräftig. (Hessisches LAG, 03.03.2014, 16 TABVGa 214/13)


Geldabheben ist kein Arbeitsunfall

Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung des Unfalles als Arbeitsunfall ab, da sich der Kläger zum Unfallzeitpunkt nicht auf dem versicherten Weg befunden habe. Der Arbeitsweg sei vielmehr durch die eigenwirtschaftliche Handlung des Geldabhebens unterbrochen worden. Dagegen wandte sich der Kläger mit seiner Klage und machte geltend, er habe das Bargeld für die von ihm als Kraftfahrer zu verauslagenden Spesen benötigt. In der Firma bestehe die Anweisung, Bargeld auf den Touren mitzuführen, sonst würden die Fahrer gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen. Die Fahrer müssten Gelder für Eintritt, Toilettennutzung, Essensversorgung sowie für die Durchführung von Kleinreparaturen zunächst verauslagen und sie nachträglich mit der Firma abrechnen. Diese Anweisung hat der Speditionsleiter des Arbeitgebers allerdings nicht bestätigt.
Das Geldabheben ist – ebenso wie beispielsweise die Nahrungsaufnahme – grundsätzlich als eigenwirtschaftliche Tätigkeit anzusehen, die nicht dem Versicherungsschutz der Gesetzlichen Unfallversicherung unterfällt. In der Reichsversicherungsordnung war dies übrigens noch anders geregelt.



Kein Smiley in der Zeugnis-Unterschrift

Der Kläger war bei dem Beklagten als Ergotherapeut beschäftigt. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erteilte der Beklagte erst nach mehrfacher Aufforderung ein Zeugnis. Mit seiner Klage wandte sich der Kläger insbesondere dagegen, dass der Chef in den Anfangsbuchstaben „G.“ in seiner Unterschrift ein Smiley mit heruntergezogenem Mundwinkel gesetzt hatte. Das ArbG Kiel gab dem Kläger recht. Das Zeugnis bzw. die Unterschrift muss geändert werden. (ArbG Kiel, 18.04.2013, 5 Ca 80 b/13)


Amateurfußballer – Arbeitnehmer?

Das LSG entschied: Amateurfußballer, die vom Verein monatliche Zahlungen erhalten, sind nicht ohne weiteres als sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer anzusehen. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis folgt insbesondere nicht schon daraus, dass dem Fußballspieler die Spielorte vorgegeben werden und er den Anordnungen des Trainers folgt. Im Übrigen muss bei den Zahlungen differenziert werden, ob es sich hierbei um beitragspflichtiges Arbeits-entgelt oder um eine beitragsfreie Aufwandsentschädigung handelt. (LSG Niedersachsen-Bremen 12.11.2013, L 4 KR 383/13 B ER)


Vibrator als Kündigungsgrund

Dennoch waren die lebhaften Schilderungen der Vorzüge des neuen Sexspielzeuges auch für Kunden zu hören. Diese ließen sich von der Vorführung interessiert unterhalten. Der Arbeitgeber sah die Geschehnisse als inakzeptabel an und sprach der Arbeitnehmerin die fristlose Kündigung aus. Das Zurschaustellen des Vibrators vor Vorgesetzten und Kunden sei eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.
Dieser Ansicht schloss sich das ArbG Frankfurt an: „Allein das Mitbringen und Vorzeigen sexuell motivierter Gerätschaften an der Arbeitsstelle kann bereits eine sexuelle Belästigung und daher Grund für eine fristlose Kündigung sein. Dabei muss auch nicht grundsätzlich vorher eine Abmahnung ausgesprochen werden.“
Die fristlose Kündigung der freizügigen Arbeitnehmerin war damit gerechtfertigt. (ArbG Frankfurt a.M., 19 Ca 2539/05)


Der Jobcenter-Angestellte als Koks-Dealer

Der Arbeitnehmer bestritt gegenüber dem Arbeitgeber diesen Vorwurf. Ende Januar 2012 wurde er – aufgrund eines weitreichenden Geständnisses – in dieser Sache zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt, die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Davon setzte der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber, die Bundesagentur für Arbeit, am selben Tag in Kenntnis, die daraufhin nach Anhörung des Personalrats das Arbeitsverhältnis fristlos kündigte.
Das BAG erkannte die fristlose Kündigung nicht an. Die Begründung: „Der offenbar gewordene Mangel in der charakterlichen Eignung des Arbeitnehmers war „an sich“ als wichtiger Grund zur Kündigung geeignet. Er schloss einen weiteren Einsatz des Arbeitnehmers im hoheitlichen Bereich der Leistungsgewährung grundsätzlich ohne weiteren Aufschub aus. Im Streitfall war der Bundesagentur für Arbeit jedoch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zuzumuten. Zwar ist zu Lasten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, dass dieser seinen Eignungs-mangel – anders als etwa in Fällen einer Erkrankung – selbst zu vertreten hat, in der Vergangenheit hat sich dieser jedoch im Arbeitsverhältnis nicht tatsächlich ausgewirkt. Der Arbeitnehmer hat seine dienstlichen Aufgaben als solche ordnungsgemäß verrichtet.“ (BAG, 10.04.2014, 2 AZR 684/13)


Zu dick – Bewerbung abgelehnt

In einem erläuternden Schreiben des Vereins an den Anwalt der Bewerberin heißt es u.a.:
„1. Wir haben die Bewerbung von Frau … nicht abgelehnt. Im Gegenteil: Sie war unsere Favoritin und wir haben sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.
Wir fühlten uns nur in einem Punkt getäuscht, dass aus dem Bewerbungsbild von Frau … nicht hervorging, welches enorme Übergewicht sie mit sich trägt …
2. Im internen Gespräch diskutierten wir, was der Grund sein könne, dass eine gutaussehende junge Frau mit tollen Fähigkeiten und Ideen und dazu in diesem Alter dermaßen figurmäßig entgleist. Das irritierte uns.“

Das ArbG entschied: Eine Behinderung im Sinne des § 1 AGG liegt nicht vor. Das Übergewicht der Klägerin ist keine Behinderung im Sinne des AGG. Also kein Schadenersatz.


Mitarbeiter-Fotos zu Werbezwecken – Wo sind rechtliche Grenzen

Im Streit dabei ist die Frage, ob eine solche Einwilligung (erforderlich nach § 22 KunstUrheberGesetz) in Schriftform (gemäß § 4a BDSG) oder auch „stillschweigend“, also konkludent erfolgen kann. Die Arbeitsgericht machen es sich hier (meist) einfach. Wer sich als Mitarbeiter fotografieren lässt und einer Veröffentlichung nicht widerspricht, hat eben stillschweigend zugestimmt.
Problematisch werden allerdings Fälle nach dem Ausscheiden aus dem Unternehmen. Dann kann eine einmal erteilte Zustimmung auch widerrufen werden und die Fotos sind zu löschen (so das LAG Köln, Az.: 7 Ta 126/09). Oder eine einmal erteilte Einwilligung gilt auch über das Vertragsende hinaus (so das LAG Schleswig-Holstein, Az.: 3 Sa 72/10), „sofern sich der Arbeitnehmer nicht ausdrücklich anders erklärt“. Ein Verpflichtung zur Bereitschaft für Mitarbeiter-Fotos gibt es übrigens nicht. Arbeitsrechtlich kann dies nicht verlangt werden. Schließlich hat Jede/r das „Recht am eigenen Bild“.


Verpflichtung zur innerbetrieblichen Stellenausschreibung – auch wenn „auf Anhieb“ keine Bewerbungen

In dem Berliner Fall war im Streit, ob der Betriebsrat der Einstellung einer befristeten Kraft mit dem Hinweis widersprechen konnte, dass keine innerbetriebliche Ausschreibung vorgenommen war. Der Arbeitgeber war der Meinung, eine Ausschreibung sei nicht erforderlich gewesen, da es innerhalb der Belegschaft keine geeigneten Bewerberinnen oder Bewerber gegeben habe. Der Arbeitgeber hielt sogar die Zustimmungsverweigerung für „rechtsmissbräuchlich“. Das Gericht sah es anders. Wenn der Betriebsrat eine interne Ausschreibung verlangt hatte, sei ein Verstoß dagegen ein absoluter Grund für die Zustimmungsverweigerung (§ 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG). Sinn und Zweck der innerbetrieblichen Ausschreibung sei schließlich, den innerbetrieblichen Arbeitsmarkt zu erschließen und im Betrieb selbst vorhandene Möglichkeiten des Personaleinsatzes zu aktivieren. Außerdem, so das Gericht, „sollen Verärgerung und Beunruhigungen der Belegschaft über die Hereinnahme Außenstehender trotz eines möglicherweise im Betrieb vorhandenen qualifizierten Angebots vermieden werden“. Ein Widerspruch des Betriebsrats sei auch nur in Fällen rechtsmissbräuchlich, in denen mit Sicherheit feststeht, dass kein Belegschaftsmitglied über die erforderliche Qualifikation verfügt oder niemand Interesse an der Stelle haben würde, und dies dem Betriebsrat auch bekannt ist (LAG Berlin-Brandenburg v. 05.09.2013 – Az.: 21 TaBV 843/13).


Erste Facebook-Entscheidung des BAG – Kritik an betrieblichen Verhältnissen erlaubt

 Der Fall: Ein Wahlbewerber zur Betriebsratswahl hatte in einer von ver.di produzierten Videoaufzeichnung eine Erklärung abgegeben, es gebe im Betrieb „Probleme“. An einzelnen Maschinen fehlten Sicherheitsvorkehrungen. Man könne „fast behaupten“, keine Maschine sei „zu 100 % ausgerüstet“. Das Problem sei, dass „keine Fachkräfte vorhanden“ seien und „das Beherrschen der Maschinen nicht zu 100 % erfüllt“ werde. Das Video wurde ins Internet gestellt und war bei „YouTube“ zu sehen. Der Wahlbewerber/der Kläger verbreitete es zudem über „Facebook“. Mit Blick hierauf kündigte die Firma (Hersteller von Verpackungen) das Arbeitsverhältnis am 15.03.2012 fristlos.

Das Bundesarbeitsgericht verwarf – anders als die Vorinstanzen – die fristlose Kündigung. „Die Erklärungen in dem Video waren“, so das BAG, „erkennbar darauf gerichtet zu verdeutlichen, weshalb der Kläger die Bildung eines Betriebsrats als sinnvoll ansah. Der Kläger wollte dagegen nicht behaupten, die Beklagte beschäftige überwiegend ungelernte Kräfte.“ (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31. Juli 2014 – 2 AZR 505/13)



Bitte beachten Sie unsere Datenschutzbedingungen: Wir setzen u.a. Cookies ein, um Ihnen die Nutzung unserer Webseiten zu erleichtern. Mit der weiteren Nutzung unserer Webseiten sind Sie mit dem Einsatz der Cookies und unseren Datenschutzbestimmungen einverstanden. Weitere Informationen zu Cookies unserem Datenschutz entnehmen Sie bitte aus unserer Datenschutzerklärung.

OK Datenschutzerklärung