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NewsLetter BETRIEBSRAT

Einzelnes BR-Mitglied kann eigene Mail-Adresse verlangen

2025 / Monat September

LAG Niedersachsen dafür

Das Verfahren spielte in einem Einzelhandelsunternehmens mit mehreren hundert Supermärkten in Deutschland. Das BR-Mitglied verlangte vom Arbeitgeber eine personalisierte E-Mail-Adresse. Diese E-Mail-Adresse sei so einzurichten, dass an Adressen, die zu fremden Domains gehören, E-Mails verschickt und von solchen Adressen E-Mails empfangen werden können.

Der Arbeitgeber war der Auffassung, dass es für diesen Antrag seitens eines einzelnen Betriebsratsmitglieds eines Betriebsratsbeschluss bedurft hätte. Der Antragsteller sei zudem nicht legitimiert, Ansprüche auf die Ausstattung mit Sachmitteln geltend zu machen. Diese Ansprüche stünden nur dem Betriebsrat als Gremium zu.

Das sagt das Gericht
Das LAG Niedersachsen musste sich im Kern mit zwei Fragestellungen auseinandersetzen: Zum einen, ob ein einzelnes Betriebsratsmitglied Ansprüche auf § 40 Abs. 2 BetrVG stützen kann. Zum anderen, ob hierfür ein Beschluss des Betriebsrats notwendig ist.

2 Fragen sind entscheidend
Frage 1 beantwortete das Gericht ganz klar mit »ja«: Auch ein einzelnes Betriebsratsmitglied kann Ansprüche auf § 40 Abs. 2 BetrVG stützen, sofern Sachmittel für seine Tätigkeit in eigener Verantwortung erforderlich sind. Der Norm kann nicht entnommen werden, dass die Ansprüche auf Sachmittel nur dem Betriebsrat als Gremium zustehen sollen.

Der Antragsteller durfte auch die Einrichtung einer personalisierten E-Mail-Adresse, über die auch mit solchen außerhalb der seitens des Arbeitgebers genutzten Domain kommuniziert werden kann, für erforderlich halten. Sogar die Kommunikation mit nicht zum Betrieb oder Unternehmen gehörenden Dritten ist grundsätzlich Teil der Betriebsratstätigkeit. Die Nutzung einer eigenen Adresse anstatt einer für alle Betriebsratsmitglieder zugänglichen E-Mail-Adresse sei auch aus Gründen der Vertraulichkeit erforderlich für die Betriebsratsarbeit.

Zu Frage 2 stellte das Gericht klar, dass der Wortlaut von § 40 Abs. 2 BetrVG Ansprüche eines einzelnen Betriebsratsmitglieds nicht von einem Beschluss des Gremiums abhängig sind. Nichts anders ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Norm. Auch in § 40 Abs. 1 BetrVG findet sich eine solche Einschränkung nicht. Für eine dahingehende teleologische Reduktion des § 40 Abs. 2 BetrVG ist kein Raum. Es kommt vielmehr darauf an, ob einem Betriebsratsmitglied ein eigener Anspruch zusteht, den er dann auch für sich geltend machen kann, während Ansprüche des Gremiums als Ganzes einen Betriebsratsbeschluss erfordern würden. Entnommen bund-Verlag (LAG Niedersachsen v. 25.04.2025 – 17 TaBV 63/24)


Vorsicht bei Weiterleitung dienstlicher E‑Mails an privaten E‑Mail-Account

2025 / Monat September

Ausschluss aus Betriebsrat möglich

Der Sachverhalt:

Der Arbeitgeber betreibt eine Klinik und beschäftigt etwa 390 Mitarbeiter. Bei ihm ist ein aus 9 Mitgliedern bestehender Betriebsrat gebildet. Im September 2023 hatte der Arbeitgeber festgestellt, dass im dienstlichen E-Mail Account des Betriebsratsvorsitzenden eine Regel eingerichtet war, wonach alle eingehenden E-Mails automatisiert an dessen (private) GMX-Adresse weitergeleitet wurden. Der Arbeitgeber sah darin einen Datenschutzverstoß und erteilte dem Betriebsratsvorsitzenden eine Abmahnung.

Vollständige Personallisten

Der Betriebsratsvorsitzende richtete daraufhin eine neue private E‑Mail-Adresse ein und leitete an diese eine Excel-Datei mit vollständiger Personalliste mit Klarnamen sämtlicher Mitarbeiter und allen relevanten Vergütungsangaben weiter. Die Datei bearbeitete er vollständig auf seinen privaten Speichermedien und sandte sie dann wieder an sein E‑Mail-Account als Betriebsrat.

Der Arbeitgeber sah darin eine grobe Verletzung der datenschutzrechtlichen Pflichten eines Betriebsrats und beantragte beim Arbeitsgericht den Ausschluss des Vorsitzenden aus dem Gremium. Der Betriebsratsvorsitzende und der Betriebsrat haben behauptet, der Betriebsratsvorsitzende habe die E-Mail nur deshalb an seinen privaten E-Mail Account geschickt, um eine zeitnahe Bearbeitung der Excel-Tabelle zu Hause auf seinem größeren Bildschirm zu ermöglichen. Danach habe er die Daten auf seinen privaten Speichermedien vollständig gelöscht.

Beide Instanzen haben dem Arbeitgeber recht gegeben. Allerdings wurde die Rechtsbeschwerde zum BAG wird zugelassen.

Das Gericht:

Nach § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG kann u.a. der Arbeitgeber den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten verlangen. Gem. § 79a S. 1 BetrVG hat der Betriebsrat bei der Verarbeitung personenbezogener Daten die Vorschriften über den Datenschutz einzuhalten. Dies bedeutet, dass er innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs eigenverantwortlich die Umsetzung technischer und organisatorischer Maßnahmen zur Gewährleistung der Datensicherheit i.S.d. Art. 24, 32 DSGVO vorzunehmen hat. Der Betriebsrat hat bei jeder Datenverarbeitung -und damit auch bei der Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten- die Datenschutzbestimmungen einzuhalten und ihre Vorgaben zu beachten (BAG 9.5.2023 -1 ABR 14/22). Je nach Schwere kann ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Pflichten einen Ausschlussgrund gem. § 23 Abs. 1 BetrVG begründen.

Grobe Pflichtverletzung

Der Betriebsratsvorsitzende hatte im vorliegenden Fall durch die Weiterleitung der Liste und Bearbeitung auf seinem häuslichen Computer personenbezogene Daten i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO verarbeitet, Art. 4 Nr. 2 DSGVO. Das Verhalten stellte eine grobe Verletzung datenschutzrechtlicher Pflichten (§ 79a BetrVG) dar, denn die Datenverarbeitung auf dem privaten Rechner war – auch unter Berücksichtigung der vorgebrachten Rechtfertigungsgründe (Eilbedürftigkeit der Bearbeitung) nicht erforderlich gewesen. Der Betriebsratsvorsitzende hätte sich vielmehr an den Arbeitgeber wenden und eine bessere technische Ausstattung beantragen müssen.

Gefährdung persönlicher Daten

Der Betriebsratsvorsitzende hatte durch die Verarbeitung auf den privaten Speichermedien eine erhebliche Gefährdung der persönlichen Daten in Kauf genommen. Wegen der detaillierten Vergütungsdaten in der Datei war der Verstoß auch als grob i.S.d. § 23 BetrVG zu werten, denn er hätte erkennen können, dass der Umgang hier allergrößte Sensibilität erforderte. Aufgrund des erkennbaren Verhaltens im Einzelfall – Einrichtung und Nutzung einer neuen privaten E‑Mail-Adresse trotz vorheriger Abmahnung – war der Betriebsratsvorsitzende zudem als unbelehrbar zu bezeichnen. Dies vertiefte zudem die Schwere des Verstoßes. (Hessisches LAG 10.3.2025 – 16 TaBV 109/24)


Kündigung und Detektivkosten

2025 / Monat September

Gericht brummt 21.000€ Kosten auf

Das Landesarbeitsgericht Köln bestätigte die fristlose Kündigung. Das Verhalten, während der Arbeitszeit private Termine wahrzunehmen, stellt einen schweren Vertrauensbruch dar und rechtfertigt die außerordentliche Kündigung (§ 626 BGB). Der Arbeitszeitbetrug sei bewiesen, die Überwachung datenschutzrechtlich zulässig und der Betriebsrat korrekt beteiligt worden.

Detektivkosten müssen übernommen werden

Die Beauftragung der Detektei war gemäß § 26 BDSG laut LAG zulässig. Die heimliche Überwachung durch die Detektei hält das Gericht für notwendig. Selbst wenn es rechtliche Bedenken gegeben hätte – so das LAG -, hätte das die Verwertung der Beweise nicht verhindert.

Kein Beweisverwertungsverbot

Ein Gericht darf Beweise aus Überwachungen nur dann nicht berücksichtigen (= Beweisverwertungsverbot), wenn dadurch wichtige Rechte des Arbeitnehmers – wie seine Grundrechte – massiv verletzt würden.  Dies sah das Gericht hier nicht als gegeben an.

Die Überwachung fand nur während der Arbeitszeit statt.

Es passierte im öffentlichen Raum, wo jeder andere ihn auch hätte sehen können.

Die Überwachung dauerte nur wenige Tage.

Ein Beweisverwertungsverbot sah das Gericht nicht. Der Beschäftigte muss hier die Kosten für die Detektei von 21.000 Euro dem Arbeitgeber erstatten. (LAG Köln v. 11.02. 2025)
Hinweis: Hier liegt eine Einzelfallentscheidung vor. In anderen Fällen sind Gerichte zurückhaltend mit der Übernahme von Detektivkosten. Es kommt vielmehr darauf an, ob nicht auch Vertreter des Arbeitsgebers eine solche Überwachung hätten vornehmen können.


Schadenersatz bei unzulässiger Überwachung während Arbeitsunfähigkeit

2025 / Monat September

„Entschädigung“ von 1.500 Euro

Der Arbeitgeber beauftragte eine Detektei, den Kläger während seiner Krankheit zu beobachten. Festgehalten wurde, dass der Kläger eine Autobatterie ausbaute und auf der Terrasse mit Sägen und Schleifen beschäftigt war. Der Kläger klagte Schadenersatz von 25.000 EUR ein. Er sah einen schwerwiegenden Eingriff in seine Privatsphäre, weil die Detektive ihn nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch im Eingangsbereich seines Hauses und auf seiner Terrasse beobachtet hätte. Dies wecke bei ihm die Sorge vor weiteren Beeinträchtigungen seiner Privatsphäre. Das Gericht verurteilte den Arbeitgeber nur zu einer Entschädigung von 1.500 Euro.

Bei Zweifeln über Arbeitsunfähigkeit
Das Bundesarbeitsgericht stellt grundsätzlich klar: „Hegt der Arbeitgeber Zweifel am Vorliegen einer ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit und möchte er den Arbeitnehmer deshalb durch Detektive oder andere Personen beobachten lassen, kann die daraus folgende Verarbeitung von Gesundheitsdaten nur zulässig sein, wenn

  • der Beweiswert einer vorgelegten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert ist und
  • eine Untersuchung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse nicht möglich ist oder
  • objektiv keine Klärung erwarten lässt.“

Das war hier nicht der Fall, wie das Gericht feststellte (BAG v. 25. Juli 2024 – 8 AZR 225/23).


„Oh, ich bin schwanger“

2025 / Monat September

Ab wann greift der Kündigungsschutz?

Ein typischer Fall: Die Klägerin, seit Dezember 2012 bei der Beklagten beschäftigt, erhielt mit Schreiben vom 13. Mai 2022 die ordentliche Kündigung zum 30.06.2022. Die Kündigung ging ihr 14. Mai 2022 zu. Am 29. Mai 2022 (Sonntag) führte die Klägerin einen Schwangerschaftstest mit einem positiven Ergebnis durch. Hierüber informierte sie die Beklagte am selben Tag per E-Mail und bemühte sich umgehend um eine Vorstellung bei ihrer Frauenärztin. Einen Termin erhielt sie erst für den 17. Juni 2022.

Am 13. Juni 2022 machte die Klägerin die vorliegende Klage anhängig gemacht und diese mit einem Antrag auf nachträgliche Zulassung verbunden.

Das Gericht hat die nachträgliche Klage zugelassen.

Zwar konnte sie aufgrund des durchgeführten Tests keine positive Kenntnis darüber erlangen, ob die – mögliche – Schwangerschaft bereits im mehr als zwei Wochen zurückliegenden Kündigungszeitpunkt (14. Mai 2022) bestanden hat. Dazu bedurfte es einer ärztlichen Untersuchung. Darum hat sich die Klägerin sofort gekümmert, erhielt aber erst für den 17. Juni 2022 einen Termin bei der Frauenärztin. Dort konnte festgestellt werden, dass die Schwangerschaft bereits zum Zeitpunkt der Kündigung bestand. Sie hat daraufhin den Klagantrag nicht später als zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses beim Arbeitsgericht eingereicht, also rechtzeitig (Bundesarbeitsgericht v. 03.04.2025 – 2 AZR 156/24).


Sind deutsche Arbeitnehmer tatsächlich häufiger krank?

2025 / Monat Juni

„Blaumachen“ oder andere Gründe?
Heute gibt es eine Erfassung sämtlicher Krankschreibungen zu 100% „Die hatten wir bis zur Einführung der eAU nicht, weil der Versicherte den Zettel, der an die Krankenkasse ging, häufig gar nicht weggeschickt hat, sondern nur den, der an seinen Arbeitgeber ging.“

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland 2023 durchschnittlich 15,1 Arbeitstage krankgemeldet. In Lettland (20,4) und Tschechien (19,2) waren die Werte höher, in Luxemburg (11,8 Fehltage) geringer.


Kleinst-Reparaturen durch die Belegschaft?

2025 / Monat Juni

Betriebsrat schaltet sich ein
Dem Fall ist zwar nicht zu entnehmen, um welche „einfachen und Kleinst-Reparaturen“ es ging, aber diese werden sicher (externe) Kosten verursacht haben.
Richtigerweise wandte sich der GBR gegen die notwendigen Schul
ungsmaßnahmen hierfür. Das Arbeitsgericht Köln erkannte den Anspruch auf Unterlassung, solange keine Vereinbarung nach § 98 Abs. 1 BetrVG zustande gekommen ist.
Hinweis des Gerichts auf Mitbestimmung
Zutreffend erkannte das Arbeitsgericht, dass mit § 98 alle Schulungsmaßnahmen angesprochen sind, der Begriff „betriebliche Berufsbildung“ also weit auszulegen ist. „Hierzu gehören alle Maßnahmen, die über die – mitbestimmungsfreie – Unterrichtung des Arbeitnehmers über seine Aufgaben und Verantwortung, die Art seiner Tätigkeit und ihrer Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs hinausgehen, indem sie dem Arbeitnehmer gezielt Kenntnisse und Erfahrungen vermitteln, die ihn zur Ausübung einer bestimmten Tätigkeit erst befähigen“, so das Gericht. (ArbG Köln v. 4.3.2025 – 13 BVGa 5/25).

Die Schulungen wurden also durch Einstweilige Verfügung erst einmal gestoppt.


Vergütung freigestellter BR-Mitglieder

2025 / Monat Juni

Wenn Schichtarbeit nicht geleistet werden kann

Der Fall, der dem Bundesarbeitsgericht (BAG) vorlag, ist typisch. Ein Rettungssanitäter, gleichzeitig Mitglied im BR, war vor seiner Freistellung ausschließlich in zuschlagspflichtiger Wechselschicht tätig. Weil er jetzt Büroarbeit machte, konnte er die Voraussetzungen für Zulagen und Zuschläge nicht erfüllen – sprich: er leistete keine Wechselschicht und Nacht- und Sonntagsarbeit mehr. Der Arbeitgeber gab dem Sanitäter die Schuld und meinte, er hätte sich nicht aus dem Wechseldienst herausnehmen müssen.

Fiktiver Anspruch auf Zahlung
Der Sanitäter klagte die Wechselschichtzulage sowie die Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit und die Rufbereitschaft ein. Das BAG stellte fest, hätte der Sanitäter in dem Zeitraum gearbeitet, hätte er die Zuschläge in entsprechender Höhe verdient. Nach § 37 Abs. 2 BetrVG ist das Arbeitsentgelt fortzuzahlen, das er sonst erzielt hätte.  „Zuschläge für die Erschwernis der Arbeit zu ungünstigen Zeiten stehen einem vollständig oder teilweise freigestellten Betriebsratsmitglied auch dann zu, wenn es aufgrund seiner Amtstätigkeit tatsächlich überhaupt keine Arbeitstätigkeiten und auch keine Tätigkeiten zu den zuschlagspflichtigen ungünstigen Zeiten geleistet hat.

Keine unzulässige Begünstigung

Das BR-Mitglied werde auch nicht unzulässig begünstigt, weil es ohne Freistellung diese Arbeiten hätte erledigen können. (Bundesarbeitsgericht v. 28.08.2004 – 7 AZR 197/23)


VORSICHT: Neue Arbeitgeber-Strategien gegen Teilzeit-Zuschläge

2025 / Monat Juni

… weil Überstunden zuschlagspflichtig werden

Die Gerichte haben sich festgelegt: Weil deutlich mehr Frauen als Männer in Teilzeit arbeiten, besteht eine Ungleichbehandlung, wenn Mehrarbeitszuschläge verweigert werden. Im Jahr 2023 gingen 67 % aller Mütter mit mindestens einem Kind unter 18 Jahren einer Teilzeitbeschäftigung nach, aber nur 9 % aller Väter. In der Literatur wird bereits über Umgehungsmöglichkeiten nachgedacht.

Vereinbarung einer ‚Arbeit auf Abruf‘

Ein besonderer Trick ist, eine Mindestarbeitszeit zu vereinbaren und bis zu 25% der wöchentlichen Arbeitszeit ‚auf Abruf‘ zu verlangen (§ 12 Abs. 2 TzBfG). In diesen Fällen entsteht keine ‚Mehrarbeit‘, weil ein Arbeitszeit-Rahmen bereits vereinbart ist.Der Betriebsrat hat im Rahmen der Personalplanung die Möglichkeit zu prüfen, ob tatsächlich ein Bedarf für Abruf-Arbeit vorliegt.

Flexibilisierung durch Arbeitszeitkonto

Mit den Arbeitnehmenden wird ein Arbeitszeitkonto vereinbart, mit dem die vergütungspflichtigen Arbeitszeiten dokumentiert werden. Dabei werden bestimmte Soll-Stunden vereinbart neben einer festen Vergütung. In diesem Fall schwankt die tägliche/wöchentliche Arbeitszeit, die durch den Arbeitgeber einseitig festgelegt wird.
Ob derartige Flexibilisierungen tarifvertraglich zulässig sind,
muss im Einzelnen geprüft werden. Manche Tarifverträge sehen Ausgleichszeiten für Zeitguthaben vor, dann jeweils zuzüglich Mehrarbeitszuschlägen.

Verzicht auf Teilzeitangebote

Natürlich besteht die allgemeine Gefahr, wegen der Zuschlagspflicht durch den Arbeitgeber auf Teilzeitangebote ganz zu verzichten. Dagegen steht, eine Teilzeitanspruch (von Vollzeit in Teilzeit) nach dem Teilzeitgesetz notfalls auch gerichtlich durchsetzen zu können.


Neuer Einsatzort 500 km entfernt – Unwirksamkeit der Versetzung

2025 / Monat März

Der Sachverhalt:

Der 55-jährige alleinstehende Kläger arbeitet seit 2017 bei der Beklagten im Planungs- und Projektmanagement, insbesondere im Automotive-Bereich am Standort L. Den Job erledigte er während der vergangenen drei Jahre zu 80 % aus dem Homeoffice. Laut Arbeitsvertrag bezog sich sein Einsatzort auf die gesamte Unternehmensgruppe und richtete sich nach den laufenden Projekten der Unternehmensgruppe. Nach Schließung des Standortes L. versetzte die Beklagte den Kläger

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Kundin kann keinen „Mann“ verlangen

2025 / Monat März

Arbeitgeber muss sich Geschlechterdiskriminierung durch 

Kundin zurechnen lassen

In dem Rechtsstreit ging es um die Frage, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, an seine (ehemalige) Mitarbeiterin eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG aufgrund einer Benachteiligung wegen des Geschlechts zu zahlen.

Die Klägerin arbeitete als Architektin in einem Unternehmen, das Bauleistungen anbot, zuletzt dort als Vertriebsmitarbeiterin. Eine Kundin, die das Unternehmen als Bauinteressentin zur Verwirklichung eines Bauvorhabens kontaktiert hatte, sprach sich gegen die Architektin aus – sie bevorzuge einen Mann als Berater.  

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Wer will einen 10-Stunden-Arbeitstag?

2025 / Monat März

Politische Diskussion nicht nur im Wahlkampf
Arbeitswissenschaftliche und arbeitsmedizinische Erkenntnisse belegen, der Juristin Sutterer-Kipping zufolge, dass Arbeitszeiten von mehr als zehn Stunden täglich oder mehr als 40 bis 48 Stunden pro Woche mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen einhergehen. Hierzu gehören psychosomatische Beschwerden,

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EINIGT EUCH – möglichst schnell

2025 / Monat März

Erwartungen im Arbeitsrecht

Die CDU will durch eine Reform des Arbeitszeitgesetzes flexibleres Arbeiten ermöglichen. Es soll für alle Unternehmen anstelle der täglichen eine wöchentliche Höchstarbeitszeit im Sinne der EU-Arbeitszeitrichtlinie festgelegt werden. Mobiles Arbeiten an frei gewählten Orten soll nicht in den Anwendungsbereich der Arbeitsstättenverordnung fallen. Das freiwillig gewählte Homeoffice soll unabhängig

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Keine „Erheblichkeitsschwelle“ bei Mitbestimmung über Software

2024 / Monat Dezember

bestehende Unsicherheiten überwinden

Bereits in einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 2018 stellte das Bundesarbeitsgericht fest, dass das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG keiner „Erheblichkeitsschwelle“ unterliegt. Auch der Einsatz gängiger Standardsoftware, wie beispielsweise Microsoft Excel, fällt unter die Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, wenn dadurch die Möglichkeit zur Überwachung des Verhaltens oder der Leistung der Beschäftigten geschaffen wird.
Schon „geeignete“ Daten ausreichend
Es gibt für den Mitbestimmungstatbestand keine „Erheblichkeitsschwelle“. Dabei ist bereits ausreichend, wenn zur Überwachung geeignete Daten technisch gespeichert und verarbeitet werden, wobei allein die Speicherung ausreichend ist. Dies ergibt sich aus dem Zweck des § 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG, das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten vor Gefährdungen zu schützen.
In diesem Fall
Im konkreten Fall wurden Anwesenheitszeiten von Beschäftigten durch Microsoft Excel in Form von Anwesenheitslisten verarbeitet. Die Arbeitgeberseite führte die Excel-gestützten Anwesenheitslisten ohne Zustimmung des Betriebsrates durch – zu Unrecht, so das BAG.
(Beschluss des BAG vom 23. Oktober 2018 – 1 ABN 36/18)
Übrigens: In dem Verfahren gegen den Meta-Konzern hat jüngst der Europäische Gerichtshof noch einmal den Grundsatz der Datenminimierung hervorgehoben, der umfassenden Datenerhebungen entgegensteht (EuGH v. 04.10.2024)


Welches Abstandsgebot bei AT-Vergütung?

2024 / Monat Dezember

Abstand zur höchsten Tarifgruppe

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellt klar, dass zwar grundsätzlich ein Abstand zur höchsten Tarifgruppe gewahrt werden muss, jedoch, wenn die Tarifvertragsparteien keinen bestimmten prozentualen Abstand festgelegt haben, ein „geringfügig höheres Gehalt“ für die Status- und Vergütungsregelung eines außertariflichen Angestellten ausreicht.

Im vorliegenden Fall klagte ein Mitglied der IG Metall, das seit 2013 als Entwicklungsingenieur in einem Unternehmen tätig war und seit Juni 2022 ein monatliches Bruttogehalt von 8.212 Euro auf Basis eines „außertariflichen“ Arbeitsvertrags erhielt. Das Entgelt in der höchsten tariflichen Entgeltgruppe betrug 8.210,64 Euro brutto, basierend auf 40 Wochenstunden.

In diesem Unternehmen gelten die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens. Die Tarifregelungen sehen vor, dass Beschäftigte, deren „geldwerte materielle Arbeitsbedingungen unter Berücksichtigung einer individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 40 Stunden in einer Gesamtschau die höchste tarifliche Entgeltgruppe regelmäßig überschreiten“, von der Tarifbindung ausgenommen sind.

Argumente

Der Ingenieur argumentierte, dass ein solches „Überschreiten“ nur dann angenommen werden könne, wenn sein Gehalt 23,45% über dem der höchsten Tarifgruppe liege, was in seinem Fall einem Bruttogehalt von 10.136,03 Euro entsprechen würde. Da sein Gehalt jedoch lediglich 8.212,- Euro betrug, verlangte er, dass ihm das Unternehmen die Differenz nachzahlen müsse.
Das BAG wies die Klage jedoch in allen Instanzen ab. Die tariflichen Bestimmungen im Streitfall verlangten, dass die „geldwerten materiellen Arbeitsbedingungen“ die höchste Tarifentgeltgruppe „regelmäßig überschreiten“, was bei dem Ingenieur der Fall war. Da die Tarifparteien keinen spezifischen prozentualen Abstand definiert hatten, genügt laut BAG jedes Überschreiten des höchsten Tarifentgelts, auch ein geringfügiges.

Das BAG betonte, dass eine ergänzende Auslegung des Tarifvertrags, wie sie der Ingenieur anstrebte, nicht zulässig sei. Wenn die Tarifparteien einen bestimmten Abstand zwischen dem höchsten Tarifentgelt und dem Entgelt außertariflicher Angestellter wünschen, müssten sie eine entsprechende Abstandsklausel klar und deutlich im Tarifvertrag verankern. Die Tarifautonomie, garantiert durch Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes, verbietet es den Gerichten, tarifliche Bestimmungen zu „verbessern“ oder anzupassen. (BAG, Urteil vom 23.10.2024 – 5 AZR 82/24)

Anmerkung

Diese Entscheidung sorgt unter Juristen und Praktikern für Erstaunen. Was allgemein als selbstverständlich angesehen wird – nämlich ein erheblicher Abstand im außertariflichen Bereich – wird von den Richtern formell anders bewertet. Die Tarifparteien müssen sich dieser Klarstellung bewusst sein.

Fachanwalt für Arbeitsrecht Wolfgang Steen
Rechtsanwälte Gaidies Heggemann & Partner, Hamburg

 


Körperreinigungszeiten gehören zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit

2024 / Monat Dezember

In dem vorliegenden Fall ging es um einen Containermechaniker, der im Betrieb die vom Unternehmen gestellte Arbeitskleidung trägt. Nach der Arbeit kehrt er in den Umkleideraum zurück, um sich zu waschen und zu duschen. Die verschmutzte Kleidung lässt er auf Anweisung der Firma im Betrieb reinigen. Nach jedem Umziehen erfasst er am Zeiterfassungsterminal die Zeiten für Schichtbeginn und -ende. Mit seiner Klage fordert er die Vergütung der Umkleidezeiten, der Körperreinigungszeiten und der innerbetrieblichen Wegezeiten, die nicht in der regulären Arbeitszeit enthalten sind.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) gab dem Kläger Recht. Es stellte fest: „Zur Arbeitsleistung gehört nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern auch jede andere vom Arbeitgeber geforderte Maßnahme, die unmittelbar mit der Arbeit verbunden ist.“
Auch die innerbetrieblichen Wegezeiten, wie der Weg vom Umkleideraum zum Arbeitsplatz und zurück, zählen zur Arbeitszeit, insbesondere wenn der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz keine Möglichkeit hat, sich umzuziehen.
Das BAG betonte jedoch, dass die Frage, welche Art der Körperreinigung notwendig ist, nicht subjektiv, sondern objektiv beurteilt werden muss. Daher sind Einzelfallentscheidungen in diesem Zusammenhang zu erwarten.
(BAG v. 23.04.2024 – 7 Sa 275/22)


Drohung durch Arbeitgeber verboten

2024 / Monat Dezember

wenn Streit um Sitzung
Im vorliegenden Fall wollte der Betriebsrat einer landwirtschaftlichen Firma einen Gewerkschaftsvertreter und eine Anwältin zu einer Sitzung einladen, doch beide waren für den regulären Termin verhindert. Der Betriebsratsvorsitzende setzte daraufhin eine außerordentliche Sitzung an. Dies missfiel dem Personalleiter, der den Betriebsratsmitgliedern keine Freistellungen gewährte und mit Abmahnungen sowie Gehaltskürzungen drohte, falls sie an der Sitzung teilnähmen. Zudem verweigerte er der Anwältin und dem Gewerkschaftssekretär den Zugang zum Betrieb.

Der Betriebsrat beantragte daraufhin vor Gericht, dass der Arbeitgeber jegliche Behinderung der Betriebsratsarbeit unterlassen solle. Das Gericht gab dem Antrag statt und entschied, dass der Arbeitgeber oder seine Vertreter die Arbeit des Betriebsrats nicht durch Drohungen mit Abmahnungen oder Gehaltskürzungen im Vorfeld einer Sitzung beeinträchtigen dürfen.

Das Gericht betonte, dass das Recht der Betriebsratsmitglieder, an Betriebsratssitzungen teilzunehmen, unangreifbar ist. Es spielt dabei keine Rolle, ob die Sitzung rechtlich bedenklich oder nicht „erforderlich“ ist. Der Arbeitgeber muss vielmehr den Rechtsweg beschreiten, wenn er eine Sitzung für unzulässig hält. Sollte der Arbeitgeber der Meinung sein, dass eine Sitzung gegen geltendes Recht verstößt, kann er eine gerichtliche Prüfung, möglicherweise sogar eine einstweilige Verfügung, anstreben, um die Sitzung zu verschieben oder aufzuheben.

(LAG Düsseldorf v. 30.08.2023 – 12 TaBV 18/23)


Dürfen Arbeitgeber politisch sein?

2024 / Monat September

In jüngerer Zeit haben Unternehmer rechte Strömungen in Deutschland kritisch beobachtet, kommentiert und dabei deutlich anklingen lassen, wo sie politisch stehen.

Der Unternehmer Reinhold Würth ist sogar noch einen Schritt weitergegangen und hat sich in einem Schreiben an alle Mitarbeiter der Würth-Gruppe offen gegen die AfD positioniert und gleichzeitig davor gewarnt, bei den kommenden Wahlen aus Unmut über die Ampelregierung die AfD zu wählen.





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