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NewsLetter BETRIEBSRAT

Schul-/Kita-Schließung

Sonder-Newsletter zum Corona-Virus

Ein besonderer Paragraf (§ 616 BGB) sichert den Beschäftigten die Lohn- und Gehaltsfortzahlung, wenn aus persönlichen Gründen für eine „verhältnismäßig kurze Zeit“ die Arbeitsleistung ohne Verschulden nicht erbracht werden kann. Persönliche Gründe sind die Aufsichtspflicht für die Kinder, Verschulden liegt nicht vor, wenn Behörden die Schließungen anordnen.

Der Streit geht also eher darum, für welche Zeiträume dies gelten kann. Kommentare sprechen von dem Verhältnis der gesamten bisherigen Betriebszugehörigkeit zur Anzahl der Ausfall-Tage. Damit ließen sich auch längere Zeiträume, etwa eine bis zwei Wochen begründen. (Hinweis: die Bundesregierung mahnt hier zurecht ‚flexible Lösungen‘ der Arbeitgeber an.)

Ist aber der im gemeinsamen Haushalt lebende Ehepartner oder Lebensgefährte nicht berufstätig, muss er die Betreuung übernehmen und ein Anspruch des Arbeitnehmers nach § 616 BGB scheidet aus. Sind beide Eltern berufstätig, haben sie ein Wahlrecht, wer von ihnen beiden die Betreuung übernimmt. Der Arbeitgeber desjenigen Elternteils, der sich für die Betreuung entscheidet, hat dann „Pech“, der andere „Glück“. Ein Lastenausgleich findet nicht statt (BAG, Urt. v. 20.6.1979).

Es kann Arbeitsverträge geben, in denen dieser Anspruch aus § 616 BGB ausdrücklich ausgeschlossen ist. Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben kann ein solcher Ausschluss in besonderen Fällen (Pandemie, behördlich angeordnete Schließungen) aber nicht gelten.


Kurzarbeit

Sonder-Newsletter zum Corona-Virus

Die Bundesagentur für Arbeit hat die Folgen der Ausbreitung des Corona-Virus als „unabwendbares Ereignis“ (im Sine § 96 SGB II) anerkannt. Es kann Kurzarbeit angemeldet werden, ohne dass weitere wirtschaftliche / strukturelle Gründe vorliegen müssen. Dies sogar rückwirkend ab 01.03.2020. Ein Ausfall von 10 % (bisher: 1/3) der Arbeit ist ausreichend. (www.bmas.de/DE/Presse/Meldungen/2020/mit-kurzarbeit-gemeinsam-beschaeftigung-sichern.html)

Alle Betriebe, die Auftragsschwankungen befürchten müssen, sollten Kurzarbeit anmelden. Kurzarbeit ist – wie im Jahr 2009 – quasi als „konjunkturpolitisches Mittel“ anzusehen, den Unternehmen über die Krise zu helfen („Verschnaufpause dank Kurzarbeit“, IAB-Bericht 14/2009). Betriebsräte haben ein Initiativrecht zur Einführung von Kurzarbeit, u.a. um Entlassungen zu vermeiden.

Müssen Stundenkonten abgebaut und muss erst einmal Urlaub genommen werden?

Meistens nein. Urlaub darf nicht angeordnet werden (siehe oben), was auch die Arbeitsagentur nicht verlangen kann, insbesondere dann nicht, wenn der Jahresurlaub schon geplant ist. (Stichwort: „Sozialrecht verdrängt nicht das Arbeitsrecht“; Bieback in: Gagel, SGB III-Kommentar). Nur alter Urlaub ist zu nehmen. Wenn Stundenkonten regelmäßig einen Plussaldo aufweisen, zeigt dies den dauerhaften Arbeitsbedarf. Es gibt also sog. „privilegierte Arbeitszeitguthaben“ (z.B. Gleitzeitguthaben oder Guthaben, die länger als ein Jahr bestehen oder für eine Frühpensionierung), die nicht eingesetzt werden müssen (§ 96 Abs. 4 SGB III). Es müssen auch keine „Minus-Stunden“ aufgebaut werden.


Betriebsratssitzungen

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Wir werden oft gefragt, wie der Betriebsrat, etwa bei (vorübergehender) Schließung des Betriebs, seine Arbeit durchführen soll. Natürlich muss die Betriebsrats-Arbeit weitergehen. Kann der Betrieb nicht betreten werden oder befinden sich Betriebtsrats-Mitglieder in Quarantäne, kann also tatsächlich keine Sitzung durchgeführt werden, muss ausnahmsweise auf Video- oder Telefonkonferenz zurückgegriffen werden. Es ist aber vorab mit dem Arbeitgeber zu klären, diese Beschlüsse durch ihn nicht anzufechten (notwendig: Regelungsabrede). Solche Beschlüsse sollten dann immer in einer späteren Präsenz-Sitzung bestätigt werden.


Aktuelle Wahlverfahren

Sonder-Newsletter zum Corona-Virus

Teilweise laufen aktuell Wahlverfahren. Ein Beschluss, „Briefwahl für alle“ ist unzulässig. Es muss immer ein Wahllokal zur persönlichen Stimmabgabe geben. Jeder WV kann natürlich z.B. durch tägliche Mails die Belegschaft auffordern, die Briefwahlunterlagen anzufordern. Lässt sich – im Einzelfall – eine ordnungsgemäße Wahl nicht mehr gewährleisten, sollte der Wahlvorstand die Wahl abbrechen (möglichst natürlich nach Abstimmung mit den Listenvertretern).


„Besondere Lage“

Sonder-Newsletter zum Corona-Virus

Da sich die Dauer und die Auswirkungen der aktuellen Krise nicht vorausahnen lassen, empfehlen wir Betriebsräten insbesondere, mit den Geschäftsführungen / Personalabteilungen einen laufenden Austausch über geplante Maßnahmen zu organisieren. Für Vieles wird auch der BR Verständnis aufbringen. Andererseits sollte nicht die Belegschaft zu stark „gebeutelt“ werden oder etwa allein die Krisenfolgen tragen.

Wir wünschen allen eine glückliche Hand und stehen für Fragen und Auskünfte, auch spontan, selbstverständlich weiter zur Verfügung.

Ihr Team von Gaidies Heggemann & Partner

Alte Entscheidungen zum „Betriebsrisiko“ (ein wenig auch zum Schmunzeln…)

  • Eine in einem Tanzlokal engagierte Tanzkapelle durfte 1934 wegen des Verbots öffentlicher „Lustbarkeiten“ (Staatstrauer nach Hindenburgs Tod) nicht auftreten. Sie behielt aber ihren Lohnanspruch. Dem Tanzlokal wohne also das besondere „betriebliche“ Risiko inne, solche Maßnahmen erdulden zu müssen, so das Reichsarbeitsgericht.
  • Das BAG (30.5.1962, AP BGB § 615 Betriebsrisiko) hat ähnliches bei einer Landestrauer wegen eines Brandunglücks in Nürnberg im Jahr 1963 entschieden.
  • Gleiches gilt bei einem Flugverbot aufgrund einer Aschewolke oder einem auf einen einzelnen Betrieb bezogenen Verbots wegen Smogalarms.
  • Wird der Betrieb aufgrund bankaufsichtsrechtlicher Maßnahmen vorüber gehend eingestellt, so trägt der Arbeitgeber das Betriebsrisiko und muss den Lohn weiterzahlen (LSG Hessen v. 20.8.2010).

Welche Schutzmaßnahmen muss/kann der Arbeitgeber gegenüber seinen Mitarbeitern ergreifen?

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Der Arbeitgeber ist aufgrund seiner Fürsorgepflicht gegenüber dem Arbeitnehmer verpflichtet, geeignete Schutzvorkehrungen im Betrieb zu treffen (§§ 618, 241 Abs. 2 BGB, 3 ArbSchG). Dies betrifft z.B. das Zurverfügungstellen von Desinfektion an Toiletten und Eingängen sowie der Aufklärung zu Hand- und Nies/Husthygiene. Weitere mögliche Schutzmaßnahmen sind insbesondere: Atemschutzmasken, das Isolieren von Rückkehrern aus Risikogebieten, kleinere Arbeitsgruppen, weniger Agilität, eine aktive Informationspolitik, die Abstimmung eines Notfallprotokolls/Pandemieplans und der Verzicht auf AU-Bescheinigung bei Grippesymptomen. Die Frage welche Schutzvorkehrungen der Arbeitgeber treffen muss, bemisst sich nach der konkreten Gefährdungslage im jeweiligen Betrieb.

Die mittels des Direktionsrechtes angeordneten Schutzmaßnahmen des Arbeitgebers sollten ohne vorherige rechtliche Prüfung befolgt werden, sofern die Weisung nicht offensichtlich rechtswidrig sind (§ 106 GewO, §15 ArbSchG). Denn das Risiko, dass eine Anweisung doch wirksam gewesen ist und somit gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen wurde, trägt der Arbeitnehmer.


Hat der Betriebsrat bei Schutzmaßnahmen und Arbeitsanweisungen wegen des Corona-Virus mitzubestimmen?

Sonder-Newsletter zum Corona-Virus

Verbindliche Arbeitsanweisungen wegen des Corona-Virus können verschiedene Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates betreffen:

Regeln zum kollektiven sozialen Verhalten der Arbeitnehmer unterliegen der Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Ordnung im Betrieb (§ 87 Abs. 1 Ziffer 1 BetrVG). Dies betrifft z.B.: besondere Hygienevorschriften, Verhaltensregeln, Pandemiepläne, Verfahren zur Feststellung von Risiken.

Sofern der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen im Rahmen des Gesundheitsschutzes trifft, greift bei der Ausgestaltung das Mitbestimmungsrecht des Betriebtsrats aus § 87 Abs. 1 Ziffer 7 BetrVG. Hierunter können neben den eben genannten Maßnahmen auch die Anweisung von Arbeit in kleineren Teams oder die Anweisung, im Home-Office zu arbeiten, gehören. Kurzfristige Regelungen zum Home-Office oder die Absage von Schichten können die Lage und Verteilung der Arbeitszeit betreffen.

Der Betriebsrat kann und sollte im Rahmen dieser Mitbestimmungsmöglichkeiten Absprachen mit dem Arbeitgeber treffen und die Beschäftigten zu einem vorsichtigen Verhalten auffordern.


Darf ich eigenmächtig zuhause bleiben? Was passiert mit meinem Gehalt?

Sonder-Newsletter zum Corona-Virus

Arbeitnehmer sind grundsätzlich nicht berechtigt, aufgrund der subjektiv empfundenen Gefahr ihre Arbeitsleistung zu verweigern. Tun sie es doch, entfällt der Lohnanspruch und es folgt möglicherweise eine Abmahnung durch den Arbeitgeber.

Eine Ausnahme besteht bei einem konkreten Verdacht einer Infektion im Betrieb oder im persönlichen Umfeld, wenn es dem Arbeitnehmer dadurch nicht zumutbar ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen (§ 275 Abs. 3 BGB); dies gilt im verstärkten Maße auch für Arbeitnehmer mit Vorerkrankungen, die ein besonderes gesundheitliches Risiko bei einer Ansteckung mit dem Corona-Virus bedingen können. Dann ist der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) regelmäßig sogar verpflichtet, geeignete Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz seiner Arbeitnehmer vor Ansteckungen im Betrieb vorzunehmen. Ein Verdachtsfall liegt nach Aussage des federführenden Robert-Koch-Instituts allerdings erst vor, wenn Symptome vorliegen und zusätzlich entweder Kontakt mit einer infizierten Person bestand oder eine Reise in ein Risikogebiet unternommen wurde.


Darf ich zu Hause bleiben, wenn die Kita oder Schule meines Kindes geschlossen ist?

Sonder-Newsletter zum Corona-Virus

Arbeitnehmern mit Kindern, die eine notwendige Betreuung der mit ihnen in einem Haushalt lebenden Kinder nicht gewährleisten können, haben die Möglichkeit ihre Arbeitsleistung zu verweigern und für eine nicht unverhältnismäßige Zeit unter Fortzahlung ihres Gehaltes Zuhause zu bleiben; die Rechtsprechung reicht hier von einigen Tagen bis zu einer Woche (§ 616 BGB). Voraussetzung ist aber stets, dass eine Betreuung durch Ehegatten, Lebenspartner oder Verwandte nicht möglich ist.


Kann der Arbeitnehmer eine Dienstreise in gefährdete Gebiete (China/Japan) oder den Besuch von Kunden/Messen verweigern? Was gilt bei Privatreisen?

Sonder-Newsletter zum Corona-Virus

Die Anordnung einer Dienstreise in gefährdete Gebiete ist regelmäßig eine ermessenfehlerhafte Weisung (§ 106 GewO); wenn eine konkrete Ansteckungsgefahr besteht ist der Arbeitgeber aufgrund seiner Schutzpflichten gegenüber dem Arbeitnehmer sogar regelmäßig verpflichtet, eine Reise in solche Gebiete zu unterbinden. Bei dem Besuch von Kunden oder der Teilnahme an Messen gibt es aufgrund der regelmäßig fehlenden konkreten Gefährdungslage grundsätzlich kein Recht des Arbeitnehmers zur Arbeitsverweigerung.

Privatreisen auch in Risikogebiete kann der Arbeitgeber hingegen grundsätzlich nicht untersagen. Auch kann er den Arbeitnehmer nicht dazu verpflichten, sich auf das Corona-Virus testen zu lassen. Sofern allerdings konkrete Anhaltspunkte einer Ansteckung (z. B. Kontakt mit einer infizierten Person und Symptome) bestehen, wird eine Aufklärungs- und Mitwirkungspflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber anzunehmen zu sein.


Darf der Arbeitgeber mobile Arbeit anordnen oder mich ins Home-Office schicken?

Sonder-Newsletter zum Corona-Virus

Der Arbeitgeber kann gegenüber dem Arbeitnehmer grundsätzlich nicht einseitig aufgrund des Weisungsrechtes mobile Arbeit oder Arbeit im Home-Office anordnen. Ebenfalls besteht keine Treuepflicht des Arbeitnehmers zur Arbeit in den eigenen vier Wänden. Das Risiko, den Arbeitnehmer nicht beschäftigen zu können trägt der Arbeitgeber, der insoweit auf eine bezahlte Freistellung oder ein Einverständnis des Arbeitnehmers angewiesen ist. Etwas anderes gilt nur, wenn Arbeit außerhalb des Betriebs vertraglich vereinbart ist.


Was passiert bei einer Quarantäne oder einer Betriebsschließung mit meinem Lohnanspruch?

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Sofern einzelne Arbeitnehmer am Corona-Virus erkranken, besteht bei ihnen für 6 Wochen ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgeltes und anschließend ein Anspruch auf Zahlung von Krankengeld.

Für Arbeitnehmer, die sich in einer angeordneten Quarantäne befinden, aber nicht arbeitsunfähig erkrankt sind besteht ein Entschädigungsanspruch nach § 56 Infektionsschutzgesetz, den der Arbeitgeber auszahlt.
Nach 6 Wochen besteht der Anspruch in Höhe des Krankengeldes.

Bei einer Schließung des Betriebes ohne Quarantäne haben die Arbeitnehmer einen Anspruch auf Lohnfortzahlung (§ 615 S. 3 BGB). Denn dieses Betriebs- und Wirtschaftsrisiko trägt der Arbeitgeber.


Kann der Arbeitgeber insbesondere bei Lieferengpässen Kurzarbeit anordnen?

Sonder-Newsletter zum Corona-Virus

Der Arbeitgeber kann bei einem „vorübergehendem Arbeitsmangel“ aufgrund von Lieferengpässen die Gewährung von Kurzarbeitergeld bei der Agentur für Arbeit beantragen. Zur Anordnung bedarf es einer Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat, die insbesondere Regelungen zur Aufstockung des Kurzarbeitergeldes und gerechte Regelungen zur Verteilung der Unterkapazitäten auf die Arbeitnehmer und Abteilungen enthalten sollte.


Was tun bei einem Verdachtsfall? Muss ich das dem Arbeitgeber melden? Kann der Arbeitgeber verlangen, dass ich mich auf den Corona-Virus testen lasse?

Sonder-Newsletter zum Corona-Virus

Liegt tatsächlich ein Verdachtsfall vor, so sind Arbeitnehmer verpflichtet, ihren Arbeitgeber darüber zu informieren. Dazu bedarf es allerdings mehr als nur der klassischen Grippesymptome. Zusätzlich muss sich der Arbeitnehmer in einem Risikogebiet aufgehalten oder Kontakt zu einer infizierten Person gehabt haben.

Es liegt nahe, dass sich derart betroffenen Beschäftigte auch auf das Corona-Virus testen lassen müssen. Stets muss der Arbeitgeber dabei aber auf konkrete Tatsachen verweisen. Wer den Test verweigert, riskiert eine Abmahnung.

Wer dagegen die Voraussetzungen eines Verdachtsfalls nicht erfüllt, muss sich auch nicht testen lassen. Insbesondere sind verdachtsunabhängige Temperaturmessungen an den Werkstoren unzulässig.


Dienstfahrrad darf nicht zur Leasingfalle werden

2020 Ausgabe 1 / Monat Februar

Bestimmte Vereinbarungen sind unwirksam

In dem Fall erhielt eine Arbeitnehmerin vom Arbeitgeber zwei Dienstfahrräder (für sich und ihren Ehegatten) für 36 Monate zur Nutzung. Als Gegenleistung verzichtete sie auf einen Teil ihres Lohns in Höhe der Leasingraten.

 

Zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmerin und Leasinggeber bestand ein dreiseitiger Vertrag. Nach dessen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) war der Arbeitgeber berechtigt, bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses oder für Zeiträume ohne Lohnbezug das Dienstrad zurückzufordern. Macht der Arbeitgeber davon keinen Gebrauch, war die Arbeitnehmerin verpflichtet, für die Dauer der Unterbrechung der Gehaltszahlung die Leasingraten zu übernehmen.

Die Arbeitnehmerin erkrankte für längere Zeit. Nach Ablauf der 6-Wochen-Lohnfortzahlung im Krankheitsfall konnte der Arbeitgeber keinen Lohn mehr einbehalten, weil die Arbeitnehmerin Krankengeld erhielt. Daher forderte der Arbeitgeber sie auf, die Leasingraten zu übernehmen. Als sie sich weigerte, erhob der Arbeitgeber Klage auf Zahlung der Leasingraten.

Das sagt das Gericht
Das ArbG Osnabrück wies die Klage ab. Nach rechtlicher Einschätzung der Richter stellt die Vertragsklausel eine unangemessene Benachteiligung der Arbeitnehmerin dar (§ 307 BGB). Sie fanden es mit dem Grundgedanken des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) vereinbar, dass der Arbeitgeber das Dienstrad nach Ablauf des 6-Wochen-Lohnfortzahlungszeitraumes von der erkrankten Arbeitnehmerin zurückfordern darf. Das Dienstrad ist Teil des (Sach-)Bezuges.

Daher muss die Arbeitnehmerin bei Krankheit aber gerade nicht damit rechnen, dass der Arbeitgeber darüber hinaus auch die Leasingkosten und damit sein Unternehmerrisiko auf sie abwälzt. Fazit: Verlangt der Arbeitgeber das Fahrrad nicht heraus, hat er nicht automatisch einen Anspruch auf Zahlung der Leasingkosten durch die Arbeitnehmerin. Dies hielten die Richter für unangemessen.

Praxishinweise Mitbestimmung:
Stellt der Arbeitgeber im Rahmen eines Leasingvertrags Sachbezüge, wie ein Dienstfahrrad zur Verfügung, stellt dies eine Entgeltumwandlung dar. Im vorliegenden Fall war dies nicht relevant, aber in der Praxis wichtig ist die Mitbestimmung des Betriebsrates an der Gestaltung solcher Vereinbarungen. Bei Entgeltumwandlungen zur Altersvorsorge sind die Rechte des Betriebsrats eingeschränkt (§ 1 a Betriebsrentengesetz – BetrAVG). Besteht kein Tarifvertrag oder enthält dieser eine Öffnungsklausel, sind Betriebsvereinbarungen im Rahmen der Entgeltumwandlung/Dienstfahrrad möglich, die den Arbeitgeber z.B. zu einer Angebotsverpflichtung zwingen können.

(Quelle: DGB-Rechtschutz)


Unwirksame Versetzung und Schadenersatz

2020 Ausgabe 1 / Monat Februar

Fahrtkosten müssen vollständig ausgeglichen werden

Der Kläger hat die beklagte Arbeitgeberin u.a. auf Ersatz der Fahrtkosten für die Monate Juni bis September 2016 verklagt. Er hat die Auffassung vertreten, er könne entsprechend den steuerrechtlichen Regelungen für jeden gefahrenen Kilometer ein Kilometergeld i.H.v. € 00,30 beanspruchen. Das LAG war der Auffassung, Reisekosten müssten nur nach der Trennungsgeldverordnung (TGV – gilt für Soldaten) erstattet werden, für die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln und dies auch nur für Heimfahrten alle zwei Wochen.

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Die „Zuvorbeschäftigung“ und der Ferienjob

2020 Ausgabe 1 / Monat Februar

Wie lang muss die Vorbeschäftigung zurückliegen?

In dem jetzt vom BAG entschiedenen Fall ging es um einen länger zurückliegenden Ferienjob. Der Kläger war bei der Beklagten bereits in der Zeit vom 26.07.2004 bis zum 04.09.2004 aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags beschäftigt gewesen. Jetzt bei einer erneuten Einstellung, ab 01.09.2013, ging es darum, ob eine erneute Befristung zulässig war. Das BAG entschied, der lange zurückliegende – kurze – Ferienjob sei keine „Zuvorbeschäftigung“ im Sinne des Verbots einer Neubefristung. In der Begründung heißt es: Eine Nebenbeschäftigung während der Schul-, Studien- oder Ausbildungszeit sei unschädlich, denn eine solche Beschäftigung ist nicht selten von vornherein nur auf vorübergehende, häufig kurze Zeit und nicht auf eine längerfristige Sicherung des Lebensunterhalts angelegt. (BAG, 02.06.2019, 7 AZR 429/17)


Vorsicht bei „Regelungsabreden“ – keine Nachwirkung

2020 Ausgabe 1 / Monat Februar

BAG schließt Nachwirkung ausdrücklich aus

In dem konkreten Fall hatten sich Arbeitgeber und Betriebsrat darauf verständigt, bei der Eingruppierung von neu in der Buchbinderei und im Versand eingestellten Arbeitnehmern künftig die gleichen Kriterien wie bei den bereits beschäftigten Arbeitnehmern anzuwenden. Zwischenlohngruppen sollten erst nach Ablauf einer entsprechenden Einarbeitungs- und Anlernphase von in der Regel sechs Monaten gewährt werden. Diese Regelung wurde angewandt, bis sie der Arbeitgeber fristgerecht kündigte. Der Betriebsrat wollte jetzt (anlässlich einer Neueinstellung) feststellen lassen, dass die getroffene Regelungsabrede nachwirkt.

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Schulungsanspruch durch Einstweilige Verfügung durchsetzen Neue Sichtweise auch durch LAG Frankfurt

2020 Ausgabe 1 / Monat Februar

„Auch der Anspruch des Betriebsrats auf Freistellung von den Schulungs-, Unterbringungs-, Verpflegungs- und Reisekosten anlässlich einer Betriebsratsschulung kann im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens geltend gemacht werden (Änderung der bisherigen Rechtsprechung)“. Wenn eine Teilnahme an einer Betriebsratsschulung erforderlich im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG ist, dann kann sowohl die Teilnahme hieran, als auch die Freistellung von den hierfür anfallenden Schulungs-, Unterkunfts- und Reisekosten im Wege der Einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden, so das LAG Frankfurt vom 14.02.2019.
In dem Fall bestand Streit hinsichtlich der Teilnahme von zwei Mitgliedern eines fünfköpfigen Filial-Betriebsrats an der Betriebsratsschulung „Handlungsfelder und Beteiligungsrechte für die betriebliche Interessenvertretung angesichts von Digitalisierung und Entwicklung des stationären Einzelhandels“ sowie der Freistellung von den damit verbundenen Kosten.

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Skurrile Fälle im Arbeitsrecht 2019

2019 Ausgabe 7 / Monat Dezember

Die Terrassentür der Betriebskantine und die Mitbestimmung des Betriebsrats

Die Öffnungszeiten einer Terrassentür der Betriebskantine während der Betriebszeiten unterliegen der Mitbestimmung des BR.

In dem vom ALG Düsseldorf entschiedenen Fall betreibt der AG u.a. ein Theater. In dessen Erdgeschoss befindet sich eine Betriebskantine, die von den Arbeitnehmern, nicht aber vom Publikum, genutzt werden kann. Von der Kantine führt eine Tür auf eine ca. 50 bis 70 qm große Außenterrasse. Auf dieser hatte der AG seit mehreren Jahren von April bis Oktober Tische und Stühle aufgestellt. In der Vergangenheit war die Terrasse vom angrenzenden Stadtpark aus für jedermann zugänglich. Nachdem im November 2017 40 Studenten vom Stadtpark in die Kantine und von dort in die sonstigen Räume des Theaters gelangt waren, forderte der BR den Arbeitgeber auf dafür zu sorgen, dass solche Vorfälle künftig nicht mehr vorkommen. In der Folgezeit wurde die Terrassentür auf Veranlassung des technischen Leiters des Arbeitgebers abgeschlossen. Dem widersprach der BR und reklamierte ein Mitbestimmungsrecht. Am 29.03.2018 ließ der Arbeitgeber die Terrassentür wieder öffnen, nachdem die Zugangsmöglichkeit vom Stadtpark durch eine nur von innen zu öffnender Tür nicht mehr gegeben war.

Der BR hat verlangt, dem Arbeitgeber aufzugeben, das Abschließen der Terrassentür zur Kantine ohne seine Zustimmung zu unterlassen. Dieser Antrag hatte vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf anders als zuvor vor dem Arbeitsgericht Essen keinen Erfolg.

Festlegung der Öffnungszeiten

Allerdings geht das LAG Düsseldorf ebenso wie das ArbG davon aus, dass die Terrasse Teil der Sozialeinrichtung Kantine ist. Bei der Festlegung der Öffnungszeiten einer Sozialeinrichtung und damit auch der Terrasse besteht ein Mitbestimmungsrecht des BR aus § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Der Unterlassungsantrag konnte aber betreffend die Zeiten außerhalb von im Wesentlichen 1,5 Stunden nach Vorstellungsende bis 09.00 Uhr morgens, d.h. nachts, keinen Erfolg haben. Die Betriebsparteien hatten sich für diese Zeiten inzwischen geeinigt, dass die Terrassentür abgeschlossen bleibt. Unabhängig davon konnte der Unterlassungsanspruch nur eine mitbestimmungswidrige Einschränkung der bisherigen Terrassennutzungszeit sichern. Diese war im Winter anders als im Sommer. Die Terrassentür war im Winter geschlossen und wurde je nach Wetterlage geöffnet. Nur darauf hätte der Unterlassungsanspruch derzeit gerichtet sein können. Dies ließ indes nicht mit der für einen gerichtlichen Beschluss hinreichenden Klarheit abgrenzen.

Vorsicht bei Globalanträgen

Der Unterlassungsantrag war als Globalantrag deshalb derzeit unbegründet. Das LAG hat im Termin auf die genannten Aspekte hingewiesen und einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, der die Öffnungszeiten der Terrasse außerhalb der vereinbarten Nachtschließungszeiten vorsah, vorausgesetzt, in der Kantine war ein Bediensteter anwesend. Nachdem dieser Vergleich nicht zustande kam, hat das LAG entschieden und den Unterlassungsantrag aus den oben genannten Gründen zurückgewiesen. (LAG Düsseldorf, 12 TaBV 37/18)

30 Jahre nach der Wende – „Mobbing“ wegen ostdeutscher Herkunft?

Die Herabwürdigung eines Arbeitnehmers wegen seiner ostdeutschen Herkunft stellt keine Benachteiligung im Sinne des § 1 AGG wegen der ethnischen Herkunft oder Weltanschauung dar.

Dies entschied jetzt das ArbG Berlin auf die Klage eines Arbeitnehmers, der von einem Zeitungsverlag als stellvertretender Ressortleiter beschäftigt wurde. Er hat den AG auf Entschädigung, Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch genommen, weil er von zwei vorgesetzten Arbeitnehmern wegen seiner ostdeutschen Herkunft stigmatisiert und gedemütigt worden sei. Das ArbG Berlin wies die Klage ab. Dem Arbeitnehmer stehe eine Entschädigung nach dem AGG nicht zu, weil eine Benachteiligung wegen seiner ethnischen Herkunft oder Weltanschauung nicht erfolgt sei. Menschen ostdeutscher Herkunft seien nicht Mitglieder einer ethnischen Gruppe oder Träger einer einheitlichen Weltanschauung.

Einen Schadensersatzanspruch wegen einer Persönlichkeits- oder Gesundheitsverletzung hat das ArbG abgelehnt, weil der Arbeitnehmer den AG nicht rechtzeitig auf das Verhalten seiner Vorgesetzten und die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens – es waren ca. 800.000,00 € im Streit – aufmerksam gemacht hatte. Das Mitverschulden des Arbeitnehmers an dem – einmal angenommenen – Schaden wiege derart schwer, dass eine Ersatzpflicht des AG entfalle. (ArbG Berlin vom 15.08.2019, 44 Ca 8580/18)



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