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Urteil der Woche

Die vollständige Dokumentation der Arbeitszeit ist alternativlos – Entscheidung des EuGH vom 14.05.2019 – C-55/18

Der Europäische Gerichtshof hat ein bahnbrechendes Urteil zur Aufzeichnungspflicht von Arbeitszeiten gefällt. Alle Zeiten sind zwingend zu dokumentieren. Die Details des Urteils und die Auswirkungen für die Praxis beschreiben ausführlich Rechtsanwalt Ronald Billepp und unser wissenschaftlicher Mitarbeiter Paul Kolfhaus.

– Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Ronald Billepp, Paul Kolfhaus wiss. Mitarbeiter – Rechtsanwälte Gaidies Heggemann & Partner, Hamburg –

1. Entscheidung

Generalanwalt Giovanni Pitruzzella sah in seinem viel beachteten Schlussantrag vom 31.01.2019 gegenüber dem EuGH sowohl Gesetzgeber als auch Arbeitgeber in der Verantwortung, die effektive Einhaltung der Grenzen der Arbeitszeiten zu gewährleisten. Er stellte fest, dass die praktische Wirksamkeit des Rechts auf Mindestruhe- und Höchstarbeitszeit erheblich leidet, wenn der Arbeitgeber nicht alle geleisteten Arbeitsstunden dokumentiert.

Dem Verfahren vor dem EuGH lag folgendes zugrunde: Eine Umfrage in Spanien ergab 2016, dass über die Hälfte aller geleisteten Überstunden nicht aufgezeichnet werden. Zwar müssen nach der Rechtsprechung des spanischen obersten Gerichtshofs (Tribunal Supremo) Arbeitgeber die geleisteten Überstunden eigentlich dokumentieren. Das Ministerium für Beschäftigung und Soziale Sicherheit wies aber darauf hin, dass man Überstunden nur verlässlich feststellen könne, wenn die insgesamt geleistete Arbeitszeit bekannt sei – mit einer Dokumentation allein der Überstunden sei es also nicht getan.

Deshalb wollte die spanische Gewerkschaft Federación de Comisiones Obreras (CCOO) die deutsche Bank im Ausgangsverfahren dazu zwingen, alle tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden zu dokumentieren. Dieses Verfahren ist bis zum EuGH vorgedrungen, die Argumentation der Gewerkschaft dabei ist einfach: Das europäische Recht schreibt in Art. 32 Abs. 2 der Grundrechtecharta und in der Arbeitszeitrichtlinie RL 2003/88 die Beachtung von Mindestruhe- und Höchstarbeitszeiten vor. Es sei aber unmöglich, die Einhaltung dieser Vorschriften zu kontrollieren, wenn nicht klar sei, wann und wie lange die Beschäftigten tatsächlich gearbeitet haben. Deshalb sei es unionsrechtlich gefordert, alle geleisteten Arbeitsstunden aufzuzeichnen.

Der Generalanwalt empfahl dem folgend den Richterinnen und Richtern des EuGH, die spanische Handhabung als unionsrechtswidrig zu benennen.

Der Europäische Gerichtshof folgte dem Antrag mit seiner wegweisenden Entscheidung vom 14.05.2019. Zentral für das Urteil ist, ob Arbeitnehmer*innen ihre Rechte auf Mindestruhe- und Höchstarbeitszeiten tatsächlich und umfassend in Anspruch nehmen können. Denn die Arbeitszeitrichtlinie stellt besonders wichtige Regeln des Sozialrechts der Union dar, deren Durchsetzung bedingungslos verfolgt werden müsse. Zudem konkretisiert sie Art. 31 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Deshalb sind den Arbeitgebern alle notwendigen Verpflichtungen aufzuerlegen, ohne die eine Inanspruchnahme des Rechts auf Mindestruhe- und Höchstarbeitszeit praktisch beeinträchtigt wäre. Dies gelte umso mehr, als das strukturelle Machtungleichgewicht zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber es dem Arbeitnehmer eh schon erschwert, seine Rechte einzufordern.

Die Arbeitszeitrichtlinie muss bedingungslos durchgesetzt werden. Darum sind Arbeitgebern alle dazu notwendigen Verpflichtungen aufzuerlegen.

Die Notwendigkeit einer Verpflichtung zur durchgehenden Aufzeichnung geleisteter Arbeit begründet das Gericht unter anderem damit, dass es ohne Aufzeichnung keine Garantie für die Einhaltung der Arbeitszeitgrenzen gibt. Nur wenn alle Arbeitszeiten bekannt sind, sind auch das tatsächliche Maß und die zeitliche Lage der Arbeit feststellbar. Dasselbe gilt für Überstunden  – schließlich weiß sonst niemand, wann die Regelarbeitszeit endet und Überstunden beginnen. Auch die staatliche Kontrolle der Arbeitszeit hält es für unzureichend, solange keine vollständige Arbeitszeitaufzeichnung geschehe. Ohne ein System zur Messung der Arbeitszeit ist es einer zuständigen Behörde schließlich kaum möglich, Arbeitszeitverstöße zu entdecken.

Darüber hinaus sieht der Europäische Gerichtshof die Rechtsschutzmöglichkeiten der Arbeitnehmer*innen durch eine unvollständige Aufzeichnung der Arbeitszeit geschmälert. Wenn ein Arbeitnehmer endlich den Mut fände, seinen Arbeitgeber vor Gericht zur Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen zu zwingen, so hätte er ohne objektive Belege zur Dauer seiner Arbeitstage eine zentrale Nachweismöglichkeit weniger. Um seiner Beweislast dennoch gerecht zu werden müsste er also auf die Zeugenaussagen seiner Kolleg*innen zurückgreifen – worauf viele Kolleg*innen aus Angst vor Nachteilen und Vergeltungsmaßnahmen als unsichere Zeugen gelten werden.

Für Arbeitnehmer*innen wäre deshalb insgesamt die Inanspruchnahme ihrer Rechte aus der Arbeitszeitrichtlinie und Grundrechtecharta wesentlich erschwert, wenn der Arbeitgeber darauf verzichtet, die tatsächlich geleistete Arbeitszeit ordentlich zu dokumentieren. Der von der Richtlinie verfolgte Schutz der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz kann – dies schreibt das Urteil des EuGH nun fest – letztendlich nur wirksam erreicht werden, wenn eine umfassende Aufzeichnung der geleisteten Arbeitsstunden erfolgt.

2. Auswirkungen

Das Urteil hat allseits große Beachtung gefunden. Das Ergebnis der spanischen Umfrage überrascht wohl niemanden und ist ein auch in Deutschland wohlbekanntes Phänomen, sodass von Arbeitnehmerseite vor allem die Anerkennung für die tatsächlichen Probleme bei der Rechtsdurchsetzung zu loben ist. Arbeitgeber wärmen dagegen den Evergreen des Bürokratiemonsters auf und fühlen sich unter Generalverdacht gestellt.  Dem Europäischen Gerichtshof zeigten allerdings weder die Beteiligten Deutsche Bank noch die spanische Regierung praktische Hindernisse der Einrichtung eines Systems der Arbeitszeiterfassung auf, wie das Gericht ausdrücklich fest gehalten hat.

An dieser Stelle muss betont werden, dass das Urteil im Einklang mit den Bemühungen der Europäischen Kommission steht, der Arbeitszeitrichtline 2003/88 wirkungsvoll zur Geltung zu verhelfen: Die Kommission versucht, das Streben der Arbeitgeber nach mehr Flexibilität in einer globalisierten Wirtschaft, in der rund um die Uhr intensiver Wettbewerb herrscht, und das Streben der Arbeitnehmer nach einer besseren Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben miteinander in Einklang zu bringen. In ihrer lesenswerten Mitteilung C/2017/2601 zu I A drängt die Kommission darauf, die Gefahren für die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer zu beachten, die von der Arbeitszeitgestaltung ausgehen könnten. Es darf angenommen werden, dass die Kommission ihre ergänzenden Erwägungen zur Auslegung und zur effektiven Ausgestaltung der Arbeitszeitrichtlinie neben den ergangenen oder noch ergehenden Entscheidungen des Europäischen Gerichtshof platzieren wird.

Auch das Bundesministerium für Arbeit vertritt angesichts des Wandels der Arbeitswelt entsprechende Ansichten zur Erforderlichkeit der Dokumentation der Arbeitszeit, so etwa im Weißbuch Arbeiten 4.0, S. 73.

Tatsächlich sind die meisten Betriebe in Deutschland von einer lückenlosen Aufzeichnung der Arbeitszeit weit entfernt. Ja, das Urteil des EuGH wird Veränderungen erforderlich machen. Allerdings ist ein Teil dieser Änderungen auch heute schon gefordert, was die Durchsetzung von Arbeitnehmerschutzgesetzen in Deutschland demonstriert. Diese gelingt indes nur den konsequent handelnden Betriebs- und Personalräten auf kollektivrechtlicher Ebene.

3. Auswirkungen des EUGH-Urteils für Arbeitnehmer*innen

Der EuGH leitet aus Art. 32 Abs. 2 der Grundrechtecharta ein subjektives Recht jedes Einzelnen ab. Damit können Arbeitnehmer*innen direkt von ihrem Arbeitgeber verlangen, ein System zur Arbeitszeiterfassung zu schaffen. Die Aufzeichnung kann grundsätzlich in jeder denkbaren Form stattfinden, etwa auf Papier, durch Computerprogramme oder mithilfe elektronischer Zutrittsausweise. Notwendig ist aber stets, dass die tatsächlich geleistete Arbeitszeit sicher und objektiv abgelesen werden kann. Ob  auf Anweisung des Arbeitgebers von Beschäftigten selbstständig geführte Stundenzettel diesem Erfordernis noch gerecht werden können, ist diskussionswürdig. Bedenken sind eingedenk der vom Gericht angeführten Beweismöglichkeit für Arbeitnehmer*innen und der Überwachungsaufgabe der Kontrollbehörden angebracht. Schon längst ist vom Arbeitgeber eine mindestens stichprobenartige Kontrolle der Richtigkeit der so entstandenen „Belege“ gefordert. 

Eine lückenlose Dokumentation der Arbeitszeit wird auch in Betrieben mit Vertrauensarbeitszeit zu gewährleisten sein. Wenn derzeit in der öffentlichen Diskussion arbeitgebernahe Stimmen die auch bei Arbeitnehmer*innen „als besonders flexibel geschätzte und deshalb  beliebte“ Vertrauensarbeitszeit zu Grabe getragen sehen, offenbaren sie Ignoranz für die einzig zulässige Form der Vertrauensarbeitszeit: Vertrauensarbeitszeit, die das Arbeitszeitgesetz beachtet. Zur Erinnerung: BAG, Urteil vom 23. September 2015 – 5 AZR 767/13: „Vertrauensarbeitszeit bedeutet nur, dass der Arbeitgeber auf die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit verzichtet und darauf vertraut, der betreffende Arbeitnehmer werde seine Arbeitspflicht in zeitlicher Hinsicht auch ohne Kontrolle erfüllen“. Die durch das Vertrauen eigentlich eingesparte Dokumentationspflicht lebt nun wieder auf. Um den Kontrollbehörden jederzeit behilflich sein zu können muss der Arbeitgeber wieder besser über die konkreten Arbeits- und Pausenzeiten seiner Mitarbeiter informiert sein; wohlgemerkt unabhängig vom im Betrieb vorhandenen Arbeitszeitmodell. Zwar mag die neue Pflicht zur Aufzeichnung anfangs unnötig erscheinen, doch das BAG, urteilte schon am 15. Mai 2013 – 10 AZR 325/12 „Durch die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit entfällt nicht die Pflicht des Arbeitnehmers, Arbeitszeit in einem nach Stunden bemessenen Umfang abzuleisten. Die Einhaltung dieser Verpflichtung wird lediglich nicht kontrolliert“. Außerdem sollten Überstunden auch in Vertrauensarbeitszeitmodellen grundsätzlich nicht umsonst sein, wie das BAG in seinem Urteil vom 23. September 2015 – 5 AZR 767/13 – feststellte: „Die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit steht weder der Führung eines Arbeitszeitkontos entgegen noch schließt sie die Abgeltung eines aus Mehrarbeit des Arbeitnehmers resultierenden Zeitguthabens aus“.

Arbeitnehmer*innen erhalten angesichts des Urteils des EuGH die Möglichkeit, selbst die Einführung von Arbeitszeiterfassungssystemen zu fordern. Auch wenn sie das nicht tun hat der Arbeitgeber selbstständig seiner Rechtspflicht nachzukommen. Seine Dokumentation gehört ihm nicht alleine. Den Beschäftigten muss die sie betreffende Arbeitszeiterfassung zugänglich gemacht werden. Der alltägliche Verstoß gegen Arbeitszeitvorschriften wird darum in Zukunft das bewusste Überlisten der Arbeitszeitaufzeichnung und eine bewusstere Entscheidung für die Selbstausbeutung erfordern.

4. Auswirkungen für Betriebsräte

Die Auswirkungen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs auf die Betriebsratsarbeit liegen auf der Hand. Bereits bestehende Betriebsvereinbarungen zur Arbeitszeit und Arbeitszeiterfassung müssen angepasst, und dabei spannende Verhandlungen über die bestmögliche Form der Aufzeichnung geführt werden. Das Spannungsfeld zwischen Datensparsamkeit einerseits und einer möglichst sicheren, objektiven Aufzeichnung andererseits bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten der Gestaltung. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten darf dabei nur gerade so tief sein, wie es die wirksame Durchsetzung der Schutzvorschriften erfordert. Die Betriebsparteien haben hier ihren Beurteilungsspielraum zu nutzen, um für jeden einzelnen Betrieb eine passgenaue Lösung zu finden. Mitbestimmungsrechte ergeben sich dabei je nach Gestaltung etwa aus § 87 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 6 und Nr. 7 BetrVG. Hinzu tritt die besondere Verhandlungsmacht der Betriebsräte gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG. Die Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung und die Dokumentation konnte und kann hervorragend als Verhandlungsposition durchgesetzt werden, wenn der Arbeitgeber an anderer Stelle z.B. Flexibilität erhalten möchte.

Einsicht in die Aufzeichnungen des Arbeitgebers erhalten Betriebsräte wie gewohnt nach § 80 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Durch das Urteil könnte also die Einhaltung von Arbeitszeitvorschriften einfacher kontrolliert werden. Darüber hinaus würden mitbestimmungswidrig angeordnete Überstunden in Zukunft schneller entdeckt werden.

Unabhängig von europarechtlichen Erwägungen hat der Betriebsrat gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG die Aufgabe die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes als Schutzgesetz zugunsten der Arbeitnehmer*innen und somit die Einhaltung der vorgeschrieben Mindestruhe- und Höchstarbeitszeiten und der Pausenzeiten zu überwachen. Das kann er – die Parallele zur Fragestellung im Verfahren vor dem EuGH ist augenfällig – nur tun, wenn er Anzahl und Lage der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden und die tatsächlichen Pausenzeiten kennt. Folglich muss der Arbeitgeber diese Informationen gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG bereitstellen.

Es gibt gute Gründe, eine schon längst existente Aufzeichnungspflicht der Arbeitgeber anzunehmen.

Diese Pflicht kann man dem Arbeitgeber in Übereinstimmung mit dem BAG (BAG AP Nr. 61 zu § 80 BetrVG 1972) und Teilen der Literatur (Fitting, BetrVG, § 80 Rn. 59; Krabbe-Rachut, AuR 2004, 70, 73) auch dann auferlegen, wenn er diese Daten wegen vereinbarter Vertrauensarbeitszeit selbst gar nicht erheben möchte. Arbeitgeber mit aktiven Betriebsräten sind demnach auch ohne das Urteil heute schon in der Pflicht, geleistete Arbeitsstunden lückenlos zu dokumentieren. Das gilt auch für Arbeitnehmer*innen mit AT-Verträgen.

Diese Auffassung war bislang umstritten. Einige Stimmen sahen den Arbeitgeber nur in der Pflicht, wenn er die Information auch aufgrund anderer gesetzlicher Bestimmungen beschaffen muss (Richardi/Thüsing, BetrVG, § 80 Rn. 64; GK/Weber, BetrVG, § 80 Rn. 83). Bei der Arbeitszeit wären das folglich, parallel zu der in Spanien geltenden Vorgabe, gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 ArbZG lediglich die Überstunden. So könnten die Arbeitnehmervertretungen ihren Aufgaben, Persönlichkeitsrechte sowie die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen und die Arbeitnehmer*innen im Ergebnis vor übermäßiger Selbstausbeutung zu bewahren aber nicht gerecht werden.

Die Auswirkung des Urteils liegt weniger in der Schaffung einer neuen Rechtspflicht, sondern primär darin, den darüber bestehenden Meinungsstreit zu erledigen und zur tatsächlichen Durchführung der auch zuvor schon bestehenden Pflichten zu führen. Nichtsdestotrotz wird der Gesetzgeber das deutsche Arbeitszeitgesetz entsprechend den Erwägungen des EuGH nachbessern müssen.

Es hat eine gewisse Ästhetik, dass sich die Betrachtungen des Europäischen Gerichtshofs über die effektive Wirksamkeit der Arbeitszeitvorschriften weniger auf der rechtlichen als vielmehr auf der ganz praktischen Ebene der betrieblichen Umsetzung auswirken werden.

Hamburg, 21.05.2019


Leiharbeitnehmer zählen bei der BR Freistellung mit

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Angesichts der bevorstehenden Betriebsratswahlen ist die Frage von Bedeutung, inwieweit Leih- und Zeitkräfte bei der Bestimmung der Größe des Betriebsrates zu berücksichtigen sind. Dasselbe gilt bei der Freistellung nach der Staffel in § 38 BetrVG.
In einem Fall, der noch vor dem Inkrafttreten des neuen AÜG zu beurteilen war, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) jetzt klargestellt, dass regelmäßig beschäftigte Zeitarbeitnehmer auch bei den Freistellungen zu berücksichtigen sind. In dem Streitfall waren neben den Stamm-Beschäftigten seit Jahren ca. 150 Zeitarbeitnehmer beschäftigt. Der Betriebsrat verlangte im Gerichtsverfahren eine zweite Freistellung, da die Zahl von 501 Beschäftigten überschritten war. Das Gericht gab dem BR Recht.

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Änderungskündigung muss „dringend“ sein

Spricht der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aus, prüft das Gericht sowohl, ob die Änderung „dringend“ erforderlich war, als auch die Richtigkeit der Sozialauswahl.

Bestätigt wurde dies in der jüngsten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 18. Mai 2017. In dem Fall war ein Spezialist DataWareHouse zusammen mit drei anderen Kollegen an einen anderen Standort versetzt worden. Schon der Betriebsrat hatte in seinem Widerspruch zur Änderungskündigung auf Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten am bisherigen Standort verwiesen. Der Mitarbeiter klagte gegen die anschließende Änderungskündigung, bekam nun vor dem Bundesarbeitsgericht Recht. Das BAG stellte klar:

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Überwachung Tastendruck unzulässig

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„Der Einsatz eines Software-Keyloggers, mit dem alle Tastatureingaben an einem dienstlichen Computer für eine verdeckte Überwachung und Kontrolle des Arbeitnehmers aufgezeichnet werden, ist unzulässig, wenn kein auf den Arbeitnehmer bezogener, durch konkrete Tatsachen begründeter Verdacht einer Straftat oder einer anderen schwerwiegenden Pflichtverletzung besteht.“ Das hat jetzt das Bundesarbeitsgericht im Fall eines „Web-Entwicklers“ entschieden, der während der Arbeitszeit seinen PC privat genutzt hatte (Abwicklung des E-Mail-Verkehrs für seinen Vater).

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Betriebsrat kann Anspruch auf Smartphone haben

Im Einzelfall kann der Arbeitgeber nach § 40 Abs. 2 BetrVG dazu verpflichtet sein, dem Betriebsrat ein Smartphone als erforderliches Informations- und Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen. Das kommt etwa dann in Betracht, wenn ein Betrieb mehrere Außenstellen hat und viele Nacht- und Schichtdienstarbeiter beschäftigt. Dies entschied jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen.

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2,6 % Privattelefonate rechtfertigten keine fristlose Kündigung

Ausgerechnet dem Betriebsratsvorsitzenden eines Kinobetreibers wurde „exzessive“ Privatnutzung des Telefons vorgeworfen. Die Arbeitgeberin hielt dem BR-Vorsitzenden eine Gesamtdauer der Telefonate von 12,78 Stunden in 5 Monaten vor. Bei der in diesem Zeitraum praktizierten regelmäßigen Arbeitszeit von 100 Stunden im Monat, also insgesamt 500 Arbeitsstunden in 5 Monaten, hatten die Privattelefonate einen Anteil von 2,6 % an der Arbeitszeit.

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Betriebsratsarbeit ist Arbeitszeit

Anspruch auf 11stündige Ruhezeit

Ein immer wieder kehrender Streit dreht sich um die Frage, ob Betriebsratsarbeit als Arbeitszeit zu werten ist und hierfür die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes greifen.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat jetzt zur Anwendung der 11stündigen Ruhezeit klargestellt: „Ein Betriebsratsmitglied, das zwischen zwei Nachtschichten außerhalb seiner Arbeitszeit tagsüber an einer Betriebsratssitzung teilzunehmen hat, ist berechtigt, die Arbeit in der vorherigen Nachtschicht vor dem Ende der Schicht einzustellen, wenn nur dadurch eine ununterbrochene Erholungszeit von elf Stunden am Tag gewährleistet ist, in der weder Arbeitsleistung noch Betriebsratstätigkeit zu erbringen ist.“

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Mitbestimmung beim Facebook-Auftritt des Arbeitgebers

Wenn der Arbeitgeber auf seinen Besucherseiten die Veröffentlichung von Besucher-Beiträgen (Postings) ermöglicht, die sich auf das Verhalten und die Leistung der Beschäftigten beziehen, ist diese Funktion mitbestimmungspflichtig.  Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in der heutigen Sitzung (13.12.2016) ausdrücklich festgestellt. Im Streitfall ging es um einen Blutspendedienst.

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Bonusanspruch – Gericht entscheidet über Höhe

Wenn sich ein Arbeitgeber vertraglich vorbehält, über die Höhe eines Bonusanspruchs nach billigem Ermessen zu entscheiden, unterliegt diese Entscheidung der vollen gerichtlichen Überprüfung, so das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 03. Aug. 2016. Das Gericht hat dann zu prüfen, ob die Entscheidung nach „billigem Ermessen“ erfolgt ist. Wenn nicht, setzt das Gericht die Bonushöhe fest.

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Die unvollendete Zielvereinbarung

Eine Zielvereinbarung muss bekanntlich – so der Name – „vereinbart“ werden. Was aber, wenn sich Verhandlungen darüber hinausziehen oder schlicht keine Einigung erzielt wird? Mit einem solchen Fall hatte sich das Landesarbeitsgericht Nürnberg zu beschäftigen und stellte fest:

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Zugang zum Internet und Telefonanschluss für den Betriebsrat

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Betriebsrat in erforderlichem Umfang Informations- und Kommunikationstechnik zur Verfügung zu stellen. Der Betriebsrat kann einen Telefonanschluss, die Eröffnung eines Internetzugangs und die Einrichtung eigener E-Mail-Adressen verlangen. Dieser Anspruch auf Sachausstattung besteht nach § 40 BetrVG. Eine besondere Erforderlichkeit oder konkret anstehende betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben muss der BR hierfür nicht nennen.

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Handy-Verbot am Arbeitsplatz mitbestimmungspflichtig

Arbeitgeber dürfen die Nutzung von Handys während der Arbeitszeit nicht ohne Zustimmung des Betriebsrats generell untersagen. Dem Betriebsrat steht ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr.1 BetrVG zu. Ein solches generelles Handyverbot betrifft nicht das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten. Denn Arbeitnehmer können ihre Arbeitspflicht grundsätzlich auch dann uneingeschränkt erfüllen, wenn sie gelegentlich einen Blick auf ihr Handy werfen.

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KEIN SICHERER HAFEN – Safe Harbour-Abkommen mit den USA unwirksam – Entscheidung Europäischer Gerichtshof vom 06.10.2015 und Aufgabe von Betriebsräten –

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat ent­schieden, dass Transfers perso­nenbezogener Daten in die USA nicht mehr auf Grundlage der sog. „Safe Harbour”-Grundätze erfolgen dürfen (EuGH vom 06.10.2015 – C-362/14), da die pauschale Frei­gabe der EU-Kommission mit Entscheidung 2000/520 nicht wirk­sam ist. Die EU-Kommission hatte dagegen das Abkommen mit den USA als „angemessenes Schutzniveau“ betrachtet.

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Leiharbeitnehmer bei Anzahl von Freistellungen mitzählen

Die Rechtsprechung schreitet voran. Das LAG Baden-Württemberg hat im Beschluss vom 27.2.2015 (9 TaBV 8/14) entschieden, dass Leiharbeitnehmer bei der nach § 38 Abs. 1 BetrVG für die Zahl der freigestellten Betriebsratsmitglieder maßgeblichen Arbeitnehmerzahl im Betrieb zu berücksichtigen sind. Damit ist ein weiterer Schritt der kollektivrechtlichen Gleichstellung von Leiharbeitnehmern erfolgt.

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Heirat mit 61 – trotzdem Betriebsrente für die Witwe

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich erneut mit der sog. „Späteheklausel“ beschäftigt. In vielen Versorgungswerken ist vorgesehen, Betriebsrenten nicht an Witwen/Witwer zu zahlen, wenn die Ehe erst relativ spät (und möglicherweise nur im Hinblick auf die Betriebsrente) geschlossen wurde. Bisher galt, solche Ansprüche für Hinterbliebene konnten ausgeschlossen werden. In dem jetzt entschiedenen Fall urteilte das BAG im Hinblick auf das Verbot der Altersdiskriminierung (Unwirksamkeit nach § 7 Abs. 2 AGG).

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Personalabbau kein „Geschäftsgeheimnis“

Die Astra Zeneca, ein Unternehmen der Pharma-Industrie, verlangte vom Betriebsrat, die Information über einen geplanten Personalabbau von 285 Stellen im Außendienst als „streng vertrauliches Geschäftsgeheimnis“ zu behandeln (geheimhaltungsbedürftig nach § 79 BetrVG). Es seien ‚Unruhe und Befürchtungen‘ im Unternehmen bereits präsent. Der Betriebsrat teilte dennoch unter dem Betreff „geheim“ der Belegschaft mit, dass er über ‚geplante mitbestimmungspflichtige Maßnahmen‘ informiert worden sei. Tage später veröffentlichte der SPIEGEL einen Artikel:“ Astra Zeneca verpasst Betriebsrat Maulkorb“.

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Betriebsratsarbeit ist (keine) Arbeitszeit – der Streit geht weiter

Wie das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen meint, kann BR-Arbeit nicht unter den Arbeitszeitbegriff des Arbeitszeitgesetzes fallen. Mit einer ‚vermittelnde‘ Lösung wird allerdings anerkannt, dass die 8- bzw. 10-Stunden-Grenze zu beachten ist.
In dem Fall hatte eine Betriebsrätin zunächst ab 08:00 Uhr (bis ca. 15:00 Uhr) eine BR-Sitzung besucht und war für die anschließende Spätschicht bis 20:15 Uhr disponiert. Sie verließ allerdings um 17:36 Uhr ihren Arbeitsplatz, so dass die Schichtleiterin vermerkte: „kein Freizeitausgleich“.

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Betriebsrat hat Anspruch auf Mobbing-Seminar

„Der Betriebsrat darf eine Schulung zum Thema Mobbing für erforderlich halten, wenn im Betrieb Konfliktlagen bestehen, aus denen sich Mobbing entwickeln kann“, so entschied jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) hinsichtlich der Seminarteilnahme eines stellvertretenden BR-Vorsitzenden in einem Betrieb mit rd. 600 Beschäftigten. In dem konkreten Fall war ein Mitarbeiter nach einer “ausgeheilten” Suchterkrankung wiederholt von einem anderen Mitarbeiter angerempelt, abschätzig behandelt (“wir kennen ja dein Problemchen”) und gegenüber anderen Mitarbeitern verunglimpft worden.

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Observierung durch Detektiv rechtswidrig

Ein Arbeitgeber handelt rechtswidrig, wenn er ohne konkreten Verdacht einen Detektiv mit der Überwachung eines Arbeitnehmers beauftragt. In dem Fall, den das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 19.02.2015 entschieden hat, hatte der Arbeitgeber wegen des Verdachts einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit einen Detektiv beauftragt.

Das BAG: „Wenn der Verdacht nicht auf konkreten Tatsachen beruht, handelt der Arbeitgeber rechtswidrig.“ Die Klägerin war als Sekretärin der Geschäftsleitung
tätig und ab dem 27. Dezember 2011 arbeitsunfähig erkrankt. Für die Zeit bis 28. Februar 2012 legte sie nacheinander sechs Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, u.a. von einer Fachärztin für Orthopädie. Der Geschäftsführer des Arbeitgebers beauftragte einen Detektiv mit der Observation der Klägerin. Diese erfolgte im Februar 2012 an vier Tagen mittels Videoaufnahmen. Beobachtet wurden ua. das Haus der Klägerin, sie und ihr Mann mit Hund vor dem Haus und der Besuch der Sekretärin in in einem Waschsalon. Wegen der Rechtswidrigkeit der Videoaufnahmen forderte die Sekretärin 10.500 Euro Schmerzensgeld. Außerdem habe sie erhebliche psychische Beeinträchtigungen erlitten.
Das BAG kritisierte vor allem die heimliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts, folgte aber dem Landesarbeitsgericht, das ein Schmerzensgeld nur in Höhe von 1.000,00 Euro festgesetzt hatte.

 Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Februar 2015 – 8 AZR 1007/13



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