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Frische BRise - Podcasts zum Thema Arbeitsrecht

Falsch gefaltete Stimmzettel ungültig?

Wann ist eine BR-Wahl anfechtbar?

Der Wahlvorstand verschickte ie Briefwahlunterlagen zusammen mit einem Merkblatt. Dieses enthielt den Hinweis, den Stimmzettel mit der Schrift nach innen zu falten, sodass die Stimmabgabe erst beim Öffnen des Zettels sichtbar wird. Auf dem Stimmzettel selbst stand »Stimmzettel bitte mit dem Schriftbild nach innen falten!«.

Bei der Stimmauszählung wurden vier Stimmen für ungültig erklärt, da sie mit der Schrift nach außen gefaltet waren. Die vier Wahlberechtigten fechten die Wahl an. Die Ungültigerklärung greife in unzulässiger Weise in ihr Wahlrecht ein. Die Hinweise auf das Falten der Stimmzettel seien unzureichend gewesen, da sie wie eine Bitte ausgedrückt wurden.

Das Bundesarbeitsgericht hielt die Betriebsratswahl für nicht anfechtbar.

„Der Wegfall der Wahlumschläge bei der persönlichen Stimmabgabe und die darauffolgende Faltvorgabe gestalten den Grundsatz der geheimen Wahl aus und widersprechen diesem nicht. Zwar könne man erkennen, dass ein Briefwähler eine ungültige Stimme abgegeben habe, sollte man damit aber eine Einschränkung des Wahlgeheimnisses verbinden, sei dies durch die Allgemeinheit der Wahl gerechtfertigt.“ Wenn zuerst die ‚falsch gefalteten Stimmzettel beiseitegelegt wurden, war eine Zuordnung zum Wähler nicht mehr möglich. Die Vorgabe, wie der Zettel zu falten sei, stelle keine unzumutbare Anforderung an den Wähler. (Bundesarbeitsgericht v. 22.01.2025 – 7 ABR 1/24).


Sind unterschiedliche Nachtzuschläge (doch) verfassungsgemäß?

Das Verfassungsgericht differenziert

Zur Frage unterschiedlich hoher Nachtarbeitszuschläge hatte das BAG die Auffassung vertreten, dies sei mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar. Konsequent nahm das BAG eine „Anpassung nach oben“ vor, also die Verpflichtung des Arbeitgebers, den jeweils höchsten Nachtzuschlag (nach Tarif) zu zahlen. Diesem folgte das Verfassungsgericht nicht und verwies auf die Tarifautonomie. Es müsse den Tarifvertragsparteien – und nicht dem Gericht – überlassen werden, neue Regelung für Nachtzuschläge aufzustellen. Zwar sind auch Tarifparteien an den Gleichheitsgrundsatz gebunden, so das BVerfG, es sei aber auch der Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen. Eine „Anpassung nach oben“, also an den jeweils höchsten Satz, sei nicht immer der einzig mögliche Weg.

(BVerfG v. 11.12.2024 – 1 BvR 1109/21)

Entzündung nach Tätowierung – keine Entgeltfortzahlung

selbstverschuldet oder nicht?
Das Gericht verweist auf die gesetzliche Regelung: Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG handelt ein Arbeitnehmer dann schuldhaft, wenn er in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt. Dass es in bis zu 5 % der Fälle nach Tätowierungen zu Komplikationen in Form von Entzündungsreaktionen der Haut kommt, ist keine völlig fernliegende Komplikation. Wer sich tätowieren lässt, erhält daher bei Komplikationen keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Der Sachverhalt:

Die als Pflegehilfskraft beschäftigte Klägerin ließ sich am Unterarm tätowieren. In der Folge entzündete sich die tätowierte Stelle. Sie wurde daraufhin für mehrere Tage krankgeschrieben. Die Arbeitgeberin lehnte die Entgeltfortzahlung für diesen Zeitraum ab.

Die Klägerin führte aus, sie mache nicht Entgeltfortzahlung für den Tätowierungsvorgang geltend, sondern für eine davon zu trennende zeitlich nachfolgende Entzündung der Haut. Ihr sei kein Verschulden vorzuwerfen. Es habe sich ein sehr geringes Risiko, das nur bei 1-5 % der Fälle von Tätowierungen auftrete, verwirklicht. Tätowierungen seien als Teil der privaten Lebensführung geschützt und mittlerweile weit verbreitet.

Die Arbeitgeberin entgegnete, die Klägerin habe bei der Tätowierung in eine Körperverletzung eingewilligt. Das Risiko einer sich anschließenden Infektion gehöre deshalb nicht zum normalen Krankheitsrisiko und könne dem Arbeitgeber nicht aufgebürdet werden.

Das Gericht:

Die Klägerin war zwar arbeitsunfähig krank. Sie hat die Arbeitsunfähigkeit i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG aber verschuldet.

Nach dieser Vorschrift handelt ein Arbeitnehmer immer dann schuldhaft, wenn er in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt. Die Klägerin musste bei Tätowierung damit rechnen, dass sich ihr Unterarm entzündet. Dieses Verhalten stellt einen groben Verstoß gegen ihr eigenes Gesundheitsinteresse dar.

Wenn es nur in bis zu 5 % der Fälle nach Tätowierungen zu Komplikationen in Form von Entzündungsreaktionen der Haut komme, ist dies keine völlig fernliegende Komplikation. Bei Medikamenten wird eine Nebenwirkung als „häufig“ angegeben, wenn diese in mehr als 1 % aber weniger als 10 % der Fälle auftritt. Zudem ist die Komplikation in der Hautverletzung durch die Tätowierung selbst angelegt. Die Revision zum BAG wurde nicht zugelassen. (LAG Schleswig-Holstein v. 22.5.2025 – 5 Sa 284 a/24)


Notwendige Schulungen in KI-Kompetenz

z.B. für Chat-GPT und Onlinebots

Zur Einhaltung von Artikel 4 des KI-Gesetzes sollten Anbieter und Betreiber von KI-Systemen mindestens schulen:

  • Grundlagen der Künstlichen Intelligenz: Entwicklung,
    Funktionsweise, maschinelles Lernen und Einsatzmög-
    lichkeiten
  • Rechtliche Rahmenbedingungen: Anforderungen nach
    der EU-KI-Verordnung
  • Urheberrecht: Urheberrechtsfragen und Urheberrechts-
    verletzungen durch KI-Einsatz
  • Datenschutzrecht: DSGVO-konformer Einsatz von KI
  • KI-Management: Organisation der KI-Anwendungen im
    Unternehmen

Technisches Wissen und Erfahrung

Unterschiede in Bezug auf technisches Wissen, Erfahrung, Aus- und Weiterbildung des Personals und anderer Personen – Wie viel wissen die Mitarbeiter/Person über KI und die von ihnen verwendeten Systeme der Organisation? Was sollten sie sonst noch wissen?

sowie den Kontext, in dem die KI-Systeme verwendet werden sollen, und die Personen, auf denen die KI-Systeme verwendet werden sollen – In welchem Sektor und zu welchem Zweck/zu welchem Dienst wird das KI-System verwendet?



Betriebsrenten sichern

Betriebsrenten sind ein wesentlicher Teil der Altersversorgung. Eingriffe oder Kürzungen sind nur im Ausnahmefall möglich. Selbst eine wirtschaftliche Notlage des Unternehmens rechtfertigt nicht automatisch, Einschnitte hinnehmen zu müssen. Gerade für Betriebsräte ist dies wichtig zu wissen, da Unternehmen häufig mit einfachen Argumenten versuchen, Kürzungen durchzusetzen.

Erhöhte Rückstellungen sind hinzunehmen

Schon in einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 08.12.2020 wurde ausgeführt, für einen Eingriff in die betriebliche Altersversorgung kann nicht einfach mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten oder erhöhten Rückstellungen argumentiert werden. In dem Fall wollte der Arbeitgeber sogar den ‚Wegfall der Geschäftsgrundlage‘ geltend machen, also nicht mehr die Betriebsrente wie bisher anpassen. Argumentiert wurde, die Pensionsrückstellungen hätten sich insg. um 43,5% erhöht, hier sei eine ‚Opfergrenze‘ erreicht.

Betriebsrenten dürfen nicht widerufen werden

Das Gericht setzte sich umfassend mit dem Argument erhöhter Pensionsrückstellungen auseinander, ließ dies aber nicht gelten. Rückstellungen hätten nur bilanzielle Auswirkungen. Es sei der ‚Zeiteffekt‘ zu beachten, also die unterschiedlichen Auswirkungen bei Aufbau und Abbau von Rückstellungen, zumal tatsächlich Mittel nicht abfließen.

Widerruf von Zusagen erschwert

Auch ein schlechterer wirtschaftlicher Verlauf des Geschäftsjahrs berechtigt laut BAG den Arbeitgeber nicht zum Widerruf von laufenden Betriebsrenten und somit auch nicht zur Änderung einer Anpassungsregelung.

Nicht einmal eine wirtschaftliche Notlage würde einen Wegfall der Geschäftsgrundlge begründen können, da hierfür ein System der Sicherung über den Pensions-Sicherungs-Fonds (PSV) vorgesehen ist. (BAG v. 08.12.2020 – 3 AZR 65/19)

Fachanwalt für Arbeitsrecht Wolfgang Steen
Rechtsanwälte Gaidies Heggemann & Partner, Hamburg


Einzelnes BR-Mitglied kann eigene Mail-Adresse verlangen

LAG Niedersachsen dafür

Das Verfahren spielte in einem Einzelhandelsunternehmens mit mehreren hundert Supermärkten in Deutschland. Das BR-Mitglied verlangte vom Arbeitgeber eine personalisierte E-Mail-Adresse. Diese E-Mail-Adresse sei so einzurichten, dass an Adressen, die zu fremden Domains gehören, E-Mails verschickt und von solchen Adressen E-Mails empfangen werden können.

Der Arbeitgeber war der Auffassung, dass es für diesen Antrag seitens eines einzelnen Betriebsratsmitglieds eines Betriebsratsbeschluss bedurft hätte. Der Antragsteller sei zudem nicht legitimiert, Ansprüche auf die Ausstattung mit Sachmitteln geltend zu machen. Diese Ansprüche stünden nur dem Betriebsrat als Gremium zu.

Das sagt das Gericht
Das LAG Niedersachsen musste sich im Kern mit zwei Fragestellungen auseinandersetzen: Zum einen, ob ein einzelnes Betriebsratsmitglied Ansprüche auf § 40 Abs. 2 BetrVG stützen kann. Zum anderen, ob hierfür ein Beschluss des Betriebsrats notwendig ist.

2 Fragen sind entscheidend
Frage 1 beantwortete das Gericht ganz klar mit »ja«: Auch ein einzelnes Betriebsratsmitglied kann Ansprüche auf § 40 Abs. 2 BetrVG stützen, sofern Sachmittel für seine Tätigkeit in eigener Verantwortung erforderlich sind. Der Norm kann nicht entnommen werden, dass die Ansprüche auf Sachmittel nur dem Betriebsrat als Gremium zustehen sollen.

Der Antragsteller durfte auch die Einrichtung einer personalisierten E-Mail-Adresse, über die auch mit solchen außerhalb der seitens des Arbeitgebers genutzten Domain kommuniziert werden kann, für erforderlich halten. Sogar die Kommunikation mit nicht zum Betrieb oder Unternehmen gehörenden Dritten ist grundsätzlich Teil der Betriebsratstätigkeit. Die Nutzung einer eigenen Adresse anstatt einer für alle Betriebsratsmitglieder zugänglichen E-Mail-Adresse sei auch aus Gründen der Vertraulichkeit erforderlich für die Betriebsratsarbeit.

Zu Frage 2 stellte das Gericht klar, dass der Wortlaut von § 40 Abs. 2 BetrVG Ansprüche eines einzelnen Betriebsratsmitglieds nicht von einem Beschluss des Gremiums abhängig sind. Nichts anders ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Norm. Auch in § 40 Abs. 1 BetrVG findet sich eine solche Einschränkung nicht. Für eine dahingehende teleologische Reduktion des § 40 Abs. 2 BetrVG ist kein Raum. Es kommt vielmehr darauf an, ob einem Betriebsratsmitglied ein eigener Anspruch zusteht, den er dann auch für sich geltend machen kann, während Ansprüche des Gremiums als Ganzes einen Betriebsratsbeschluss erfordern würden. Entnommen bund-Verlag (LAG Niedersachsen v. 25.04.2025 – 17 TaBV 63/24)


Vorsicht bei Weiterleitung dienstlicher E‑Mails an privaten E‑Mail-Account

Ausschluss aus Betriebsrat möglich

Der Sachverhalt:

Der Arbeitgeber betreibt eine Klinik und beschäftigt etwa 390 Mitarbeiter. Bei ihm ist ein aus 9 Mitgliedern bestehender Betriebsrat gebildet. Im September 2023 hatte der Arbeitgeber festgestellt, dass im dienstlichen E-Mail Account des Betriebsratsvorsitzenden eine Regel eingerichtet war, wonach alle eingehenden E-Mails automatisiert an dessen (private) GMX-Adresse weitergeleitet wurden. Der Arbeitgeber sah darin einen Datenschutzverstoß und erteilte dem Betriebsratsvorsitzenden eine Abmahnung.

Vollständige Personallisten

Der Betriebsratsvorsitzende richtete daraufhin eine neue private E‑Mail-Adresse ein und leitete an diese eine Excel-Datei mit vollständiger Personalliste mit Klarnamen sämtlicher Mitarbeiter und allen relevanten Vergütungsangaben weiter. Die Datei bearbeitete er vollständig auf seinen privaten Speichermedien und sandte sie dann wieder an sein E‑Mail-Account als Betriebsrat.

Der Arbeitgeber sah darin eine grobe Verletzung der datenschutzrechtlichen Pflichten eines Betriebsrats und beantragte beim Arbeitsgericht den Ausschluss des Vorsitzenden aus dem Gremium. Der Betriebsratsvorsitzende und der Betriebsrat haben behauptet, der Betriebsratsvorsitzende habe die E-Mail nur deshalb an seinen privaten E-Mail Account geschickt, um eine zeitnahe Bearbeitung der Excel-Tabelle zu Hause auf seinem größeren Bildschirm zu ermöglichen. Danach habe er die Daten auf seinen privaten Speichermedien vollständig gelöscht.

Beide Instanzen haben dem Arbeitgeber recht gegeben. Allerdings wurde die Rechtsbeschwerde zum BAG wird zugelassen.

Das Gericht:

Nach § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG kann u.a. der Arbeitgeber den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten verlangen. Gem. § 79a S. 1 BetrVG hat der Betriebsrat bei der Verarbeitung personenbezogener Daten die Vorschriften über den Datenschutz einzuhalten. Dies bedeutet, dass er innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs eigenverantwortlich die Umsetzung technischer und organisatorischer Maßnahmen zur Gewährleistung der Datensicherheit i.S.d. Art. 24, 32 DSGVO vorzunehmen hat. Der Betriebsrat hat bei jeder Datenverarbeitung -und damit auch bei der Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten- die Datenschutzbestimmungen einzuhalten und ihre Vorgaben zu beachten (BAG 9.5.2023 -1 ABR 14/22). Je nach Schwere kann ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Pflichten einen Ausschlussgrund gem. § 23 Abs. 1 BetrVG begründen.

Grobe Pflichtverletzung

Der Betriebsratsvorsitzende hatte im vorliegenden Fall durch die Weiterleitung der Liste und Bearbeitung auf seinem häuslichen Computer personenbezogene Daten i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO verarbeitet, Art. 4 Nr. 2 DSGVO. Das Verhalten stellte eine grobe Verletzung datenschutzrechtlicher Pflichten (§ 79a BetrVG) dar, denn die Datenverarbeitung auf dem privaten Rechner war – auch unter Berücksichtigung der vorgebrachten Rechtfertigungsgründe (Eilbedürftigkeit der Bearbeitung) nicht erforderlich gewesen. Der Betriebsratsvorsitzende hätte sich vielmehr an den Arbeitgeber wenden und eine bessere technische Ausstattung beantragen müssen.

Gefährdung persönlicher Daten

Der Betriebsratsvorsitzende hatte durch die Verarbeitung auf den privaten Speichermedien eine erhebliche Gefährdung der persönlichen Daten in Kauf genommen. Wegen der detaillierten Vergütungsdaten in der Datei war der Verstoß auch als grob i.S.d. § 23 BetrVG zu werten, denn er hätte erkennen können, dass der Umgang hier allergrößte Sensibilität erforderte. Aufgrund des erkennbaren Verhaltens im Einzelfall – Einrichtung und Nutzung einer neuen privaten E‑Mail-Adresse trotz vorheriger Abmahnung – war der Betriebsratsvorsitzende zudem als unbelehrbar zu bezeichnen. Dies vertiefte zudem die Schwere des Verstoßes. (Hessisches LAG 10.3.2025 – 16 TaBV 109/24)


Kündigung und Detektivkosten

Gericht brummt 21.000€ Kosten auf

Das Landesarbeitsgericht Köln bestätigte die fristlose Kündigung. Das Verhalten, während der Arbeitszeit private Termine wahrzunehmen, stellt einen schweren Vertrauensbruch dar und rechtfertigt die außerordentliche Kündigung (§ 626 BGB). Der Arbeitszeitbetrug sei bewiesen, die Überwachung datenschutzrechtlich zulässig und der Betriebsrat korrekt beteiligt worden.

Detektivkosten müssen übernommen werden

Die Beauftragung der Detektei war gemäß § 26 BDSG laut LAG zulässig. Die heimliche Überwachung durch die Detektei hält das Gericht für notwendig. Selbst wenn es rechtliche Bedenken gegeben hätte – so das LAG -, hätte das die Verwertung der Beweise nicht verhindert.

Kein Beweisverwertungsverbot

Ein Gericht darf Beweise aus Überwachungen nur dann nicht berücksichtigen (= Beweisverwertungsverbot), wenn dadurch wichtige Rechte des Arbeitnehmers – wie seine Grundrechte – massiv verletzt würden.  Dies sah das Gericht hier nicht als gegeben an.

Die Überwachung fand nur während der Arbeitszeit statt.

Es passierte im öffentlichen Raum, wo jeder andere ihn auch hätte sehen können.

Die Überwachung dauerte nur wenige Tage.

Ein Beweisverwertungsverbot sah das Gericht nicht. Der Beschäftigte muss hier die Kosten für die Detektei von 21.000 Euro dem Arbeitgeber erstatten. (LAG Köln v. 11.02. 2025)
Hinweis: Hier liegt eine Einzelfallentscheidung vor. In anderen Fällen sind Gerichte zurückhaltend mit der Übernahme von Detektivkosten. Es kommt vielmehr darauf an, ob nicht auch Vertreter des Arbeitsgebers eine solche Überwachung hätten vornehmen können.


Schadenersatz bei unzulässiger Überwachung während Arbeitsunfähigkeit

„Entschädigung“ von 1.500 Euro

Der Arbeitgeber beauftragte eine Detektei, den Kläger während seiner Krankheit zu beobachten. Festgehalten wurde, dass der Kläger eine Autobatterie ausbaute und auf der Terrasse mit Sägen und Schleifen beschäftigt war. Der Kläger klagte Schadenersatz von 25.000 EUR ein. Er sah einen schwerwiegenden Eingriff in seine Privatsphäre, weil die Detektive ihn nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch im Eingangsbereich seines Hauses und auf seiner Terrasse beobachtet hätte. Dies wecke bei ihm die Sorge vor weiteren Beeinträchtigungen seiner Privatsphäre. Das Gericht verurteilte den Arbeitgeber nur zu einer Entschädigung von 1.500 Euro.

Bei Zweifeln über Arbeitsunfähigkeit
Das Bundesarbeitsgericht stellt grundsätzlich klar: „Hegt der Arbeitgeber Zweifel am Vorliegen einer ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit und möchte er den Arbeitnehmer deshalb durch Detektive oder andere Personen beobachten lassen, kann die daraus folgende Verarbeitung von Gesundheitsdaten nur zulässig sein, wenn

  • der Beweiswert einer vorgelegten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert ist und
  • eine Untersuchung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse nicht möglich ist oder
  • objektiv keine Klärung erwarten lässt.“

Das war hier nicht der Fall, wie das Gericht feststellte (BAG v. 25. Juli 2024 – 8 AZR 225/23).


„Oh, ich bin schwanger“

Ab wann greift der Kündigungsschutz?

Ein typischer Fall: Die Klägerin, seit Dezember 2012 bei der Beklagten beschäftigt, erhielt mit Schreiben vom 13. Mai 2022 die ordentliche Kündigung zum 30.06.2022. Die Kündigung ging ihr 14. Mai 2022 zu. Am 29. Mai 2022 (Sonntag) führte die Klägerin einen Schwangerschaftstest mit einem positiven Ergebnis durch. Hierüber informierte sie die Beklagte am selben Tag per E-Mail und bemühte sich umgehend um eine Vorstellung bei ihrer Frauenärztin. Einen Termin erhielt sie erst für den 17. Juni 2022.

Am 13. Juni 2022 machte die Klägerin die vorliegende Klage anhängig gemacht und diese mit einem Antrag auf nachträgliche Zulassung verbunden.

Das Gericht hat die nachträgliche Klage zugelassen.

Zwar konnte sie aufgrund des durchgeführten Tests keine positive Kenntnis darüber erlangen, ob die – mögliche – Schwangerschaft bereits im mehr als zwei Wochen zurückliegenden Kündigungszeitpunkt (14. Mai 2022) bestanden hat. Dazu bedurfte es einer ärztlichen Untersuchung. Darum hat sich die Klägerin sofort gekümmert, erhielt aber erst für den 17. Juni 2022 einen Termin bei der Frauenärztin. Dort konnte festgestellt werden, dass die Schwangerschaft bereits zum Zeitpunkt der Kündigung bestand. Sie hat daraufhin den Klagantrag nicht später als zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses beim Arbeitsgericht eingereicht, also rechtzeitig (Bundesarbeitsgericht v. 03.04.2025 – 2 AZR 156/24).


Workday-Einführung: Datenschutz beachten

Bei Betriebsvereinbarungen sind die Datenschutzgrundsätze der DSGVO einzuhalten. Darauf weist der Europäische Gerichtshof (EuGH) hin, der sich mit einer Klage auf Datenlöschung befasst hat. Betriebsvereinbarungen müssen den Anforderungen aus den Artikeln 5 (Transparenz), 6 (Rechtmäßigkeit) und 9 (Verarbeitung personenbezogener Daten) genügen. Es ist jetzt davon auszugehen, dass der Kläger in seinem Verfahren vor dem Bundesarbeitsgerich recht bekommen wird.

Ausgangsfall Duldungsvereinbarung

Der Konzern, zu dem die Beklagte des Ausgangsverfahrens gehört, führte im Jahr 2017 konzernweit die cloudbasierte Software „Workday“ (im Folgenden: Software Workday) als einheitliches Personal‑Informationsmanagementsystem ein. In diesem Rahmen übertrug die Beklagte des Ausgangsverfahrens verschiedene personenbezogene Daten ihrer Beschäftigten aus der SAP-Software auf einen Server der Muttergesellschaft des Konzerns mit Standort in den USA.  Mit einer  „Duldungs-Betriebsvereinbarung über die Einführung von Workday“ (im Folgenden: Duldungs-Betriebsvereinbarung), wurde u. a. verboten, diese Software während des Testzeitraums für die Personalverwaltung, wie etwa die Bewertung von Arbeitnehmern, zu verwenden. Gemäß Anhang dieser Vereinbarung waren die einzigen Datenkategorien geregelt, die zur Befüllung der Software Workday übertragen werden durften, die Personalnummer des Arbeitnehmers im Konzern, sein Nachname, sein Vorname, seine Telefonnummer, sein Eintrittsdatum in die betroffene Gesellschaft, sein Eintrittsdatum in den Konzern, sein Arbeitsort, die Firma der betroffenen Gesellschaft sowie seine geschäftliche Telefonnummer und seine geschäftliche E‑Mail-Adresse.

Klage auf Löschung

Der deutsche Kläger, gleichzeitig Betriebsratsvorsitzender, stellte fest, dass auch seine privaten Kontaktdaten, seine Vertrags- und Vergütungsdetails, seine Sozialversicherungsnummer, seine Steuer‑Identifikationsnummer, seine Staatsangehörigkeit und seinen Familienstand übertragen wurden und klagte auf Löschung. Der Konzern war über die vereinbarten Datenkategorien hinausgegangen. (EuGH v. 19.12.2024 – C 65/23)

Fachanwalt für Arbeitsrecht Wolfgang Steen
Rechtsanwälte Gaidies Heggemann & Partner, Hamburg



Auszeichnung beste Anwaltskanzlei Arbeitsrecht 2025

Auch 2025 sind wir wieder von der Zeitschrift Stern als eine der besten Anwaltskanzleien in Norddeutschland ausgezeichent worden. Die Untersuchung beruht auf insg. rund 16.000 Empfehlungen anderer Anwälte und hat uns im Bereich Vertretung von Arbeitnehmer und Betriebsräten besonders hervorgehoben. Einzelheiten können dem Heft vom 22.05.2025 entnommen werden.


Sind deutsche Arbeitnehmer tatsächlich häufiger krank?

„Blaumachen“ oder andere Gründe?
Heute gibt es eine Erfassung sämtlicher Krankschreibungen zu 100% „Die hatten wir bis zur Einführung der eAU nicht, weil der Versicherte den Zettel, der an die Krankenkasse ging, häufig gar nicht weggeschickt hat, sondern nur den, der an seinen Arbeitgeber ging.“

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland 2023 durchschnittlich 15,1 Arbeitstage krankgemeldet. In Lettland (20,4) und Tschechien (19,2) waren die Werte höher, in Luxemburg (11,8 Fehltage) geringer.


Kleinst-Reparaturen durch die Belegschaft?

Betriebsrat schaltet sich ein
Dem Fall ist zwar nicht zu entnehmen, um welche „einfachen und Kleinst-Reparaturen“ es ging, aber diese werden sicher (externe) Kosten verursacht haben.
Richtigerweise wandte sich der GBR gegen die notwendigen Schul
ungsmaßnahmen hierfür. Das Arbeitsgericht Köln erkannte den Anspruch auf Unterlassung, solange keine Vereinbarung nach § 98 Abs. 1 BetrVG zustande gekommen ist.
Hinweis des Gerichts auf Mitbestimmung
Zutreffend erkannte das Arbeitsgericht, dass mit § 98 alle Schulungsmaßnahmen angesprochen sind, der Begriff „betriebliche Berufsbildung“ also weit auszulegen ist. „Hierzu gehören alle Maßnahmen, die über die – mitbestimmungsfreie – Unterrichtung des Arbeitnehmers über seine Aufgaben und Verantwortung, die Art seiner Tätigkeit und ihrer Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs hinausgehen, indem sie dem Arbeitnehmer gezielt Kenntnisse und Erfahrungen vermitteln, die ihn zur Ausübung einer bestimmten Tätigkeit erst befähigen“, so das Gericht. (ArbG Köln v. 4.3.2025 – 13 BVGa 5/25).

Die Schulungen wurden also durch Einstweilige Verfügung erst einmal gestoppt.


Vergütung freigestellter BR-Mitglieder

Wenn Schichtarbeit nicht geleistet werden kann

Der Fall, der dem Bundesarbeitsgericht (BAG) vorlag, ist typisch. Ein Rettungssanitäter, gleichzeitig Mitglied im BR, war vor seiner Freistellung ausschließlich in zuschlagspflichtiger Wechselschicht tätig. Weil er jetzt Büroarbeit machte, konnte er die Voraussetzungen für Zulagen und Zuschläge nicht erfüllen – sprich: er leistete keine Wechselschicht und Nacht- und Sonntagsarbeit mehr. Der Arbeitgeber gab dem Sanitäter die Schuld und meinte, er hätte sich nicht aus dem Wechseldienst herausnehmen müssen.

Fiktiver Anspruch auf Zahlung
Der Sanitäter klagte die Wechselschichtzulage sowie die Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit und die Rufbereitschaft ein. Das BAG stellte fest, hätte der Sanitäter in dem Zeitraum gearbeitet, hätte er die Zuschläge in entsprechender Höhe verdient. Nach § 37 Abs. 2 BetrVG ist das Arbeitsentgelt fortzuzahlen, das er sonst erzielt hätte.  „Zuschläge für die Erschwernis der Arbeit zu ungünstigen Zeiten stehen einem vollständig oder teilweise freigestellten Betriebsratsmitglied auch dann zu, wenn es aufgrund seiner Amtstätigkeit tatsächlich überhaupt keine Arbeitstätigkeiten und auch keine Tätigkeiten zu den zuschlagspflichtigen ungünstigen Zeiten geleistet hat.

Keine unzulässige Begünstigung

Das BR-Mitglied werde auch nicht unzulässig begünstigt, weil es ohne Freistellung diese Arbeiten hätte erledigen können. (Bundesarbeitsgericht v. 28.08.2004 – 7 AZR 197/23)


VORSICHT: Neue Arbeitgeber-Strategien gegen Teilzeit-Zuschläge

… weil Überstunden zuschlagspflichtig werden

Die Gerichte haben sich festgelegt: Weil deutlich mehr Frauen als Männer in Teilzeit arbeiten, besteht eine Ungleichbehandlung, wenn Mehrarbeitszuschläge verweigert werden. Im Jahr 2023 gingen 67 % aller Mütter mit mindestens einem Kind unter 18 Jahren einer Teilzeitbeschäftigung nach, aber nur 9 % aller Väter. In der Literatur wird bereits über Umgehungsmöglichkeiten nachgedacht.

Vereinbarung einer ‚Arbeit auf Abruf‘

Ein besonderer Trick ist, eine Mindestarbeitszeit zu vereinbaren und bis zu 25% der wöchentlichen Arbeitszeit ‚auf Abruf‘ zu verlangen (§ 12 Abs. 2 TzBfG). In diesen Fällen entsteht keine ‚Mehrarbeit‘, weil ein Arbeitszeit-Rahmen bereits vereinbart ist.Der Betriebsrat hat im Rahmen der Personalplanung die Möglichkeit zu prüfen, ob tatsächlich ein Bedarf für Abruf-Arbeit vorliegt.

Flexibilisierung durch Arbeitszeitkonto

Mit den Arbeitnehmenden wird ein Arbeitszeitkonto vereinbart, mit dem die vergütungspflichtigen Arbeitszeiten dokumentiert werden. Dabei werden bestimmte Soll-Stunden vereinbart neben einer festen Vergütung. In diesem Fall schwankt die tägliche/wöchentliche Arbeitszeit, die durch den Arbeitgeber einseitig festgelegt wird.
Ob derartige Flexibilisierungen tarifvertraglich zulässig sind,
muss im Einzelnen geprüft werden. Manche Tarifverträge sehen Ausgleichszeiten für Zeitguthaben vor, dann jeweils zuzüglich Mehrarbeitszuschlägen.

Verzicht auf Teilzeitangebote

Natürlich besteht die allgemeine Gefahr, wegen der Zuschlagspflicht durch den Arbeitgeber auf Teilzeitangebote ganz zu verzichten. Dagegen steht, eine Teilzeitanspruch (von Vollzeit in Teilzeit) nach dem Teilzeitgesetz notfalls auch gerichtlich durchsetzen zu können.


Änderung Versorgungswerk

Können Versorgungsregelungen für die Zukunft abgeändert werden? Mit dieser Frage wird immer wieder die Rechtsprechung konfrontiert. Der jüngste Fall einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zeigt die Problematik auf. Der Arbeitgeber, ein Konzern, wollte das System der betrieblichen Altersversorgung vereinheitlichen. Dabei traf es auch einen Kläger, für den sich künftige Zuwächse verschlechtern würden.

Sachlich-proportionale Gründe

Das BAG hatte

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Kündigung anscheinend nicht zugegangen

Wer ist eigentlich in  der Pflicht nachzuweisen, dass eine Arbeitgeberkündigung auch tatsächlich dem Beschäftigen zugegangen ist? Natürlich der Arbeitgeber. In einem jetzt vom Bundesarbeitsgericht (BAG) ergangenen Urteil ging es genau  darum.

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